Nr. 33/2017
Diskriminierung

(X. c. «SonntagsZeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 17. Oktober 2017

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I. Sachverhalt

A. Am 14. August 2016 veröffentlichte die «SonntagsZeitung» auf ihrer Frontseite unter dem Titel «Messerattacke im Rheintal: Opfer schwebt in Lebensgefahr» einen Bericht über einen Angriff auf Zugpassagiere im St. Galler Rheintal. Ein 27-jähriger Schweizer habe eine brennbare Flüssigkeit ausgeschüttet, welche in Brand geraten sei. Er habe Passagiere auch mit einem Messer angegriffen. Fünf Personen seien bei der Attacke verletzt worden. Die Polizei könne über die Hintergründe der Tat noch keine Aussagen machen, der Täter habe jedoch einen typisch schweizerischen Namen.

B. Am 6. Dezember 2016 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen diesen Artikel ein. Seiner Meinung nach stellt der Artikel eine diskriminierende und negative Anspielung auf die ethnische und/oder nationale Zugehörigkeit dar. Konkret unterscheide er zwei Klassen von Schweizern: solche mit typisch schweizerischem Namen und solche mit atypischem Namen. Seines Wissens gebe es keinen amtlichen Katalog typisch helvetischer Namen. Dies betrachte er als Unterstellung gegen Schweizer mit Migrationshintergrund von Ländern ausserhalb Frankreichs, Italiens und Deutschlands. Zum einen werde im Artikel gesagt, ein 27-jähriger Schweizer habe Zugpassagiere angegriffen, zum anderen, die Polizei habe bestätigt, dass der Täter einen typisch schweizerischen Namen trage. Der Beschwerdeführer sieht dadurch Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») sowie Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) verletzt.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 17. Oktober 2017 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, die offensichtlich unbegründet ist.

2. Ziffer 8 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie die Menschenwürde respektieren und in ihrer Berichterstattung in Text, Bild und Ton auf diskriminierende Anspielungen verzichten, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Richtlinie 8.2 präzisiert, dass die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung und/oder der Hautfarbe diskriminierend wirken kann, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Journalisten wägen deshalb den Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung ab und wahren die Verhältnismässigkeit.

Der Presserat hat sich in seiner Stellungnahme 10/2001 grundsätzlich mit der Frage von Rassismus in der Kriminalberichterstattung auseinandergesetzt: Journalistinnen und Journalisten sollten ungeachtet des Wortlauts einer behördlichen Mitteilung immer kritisch hinterfragen, ob die Nennung der Nationalität, Ethnie oder Religion im Einzelfall verhältnismässig erscheint. Im Einzelfall ist immer zu prüfen, ob die Veröffentlichung einer bestimmten Information für die Betroffenen unnötig verletzend sein könnte. Journalisten sollten sich bei dieser Prüfung gedanklich in die Rolle der Verdächtigten oder Verurteilten versetzen. Im vorliegenden Fall hat die «SonntagsZeitung» berichtet, dass es sich laut Angaben der Polizei beim Täter um einen Schweizer handle und dieser zudem einen typisch schweizerischen Namen trage. Der Beschwerdeführer erblickt darin eine Diskriminierung gegenüber Schweizern mit «atypischen» Namen, namentlich Schweizern mit Migrationshintergrund von Ländern ausserhalb Frankreichs, Italiens und Deutschlands. Das Unterscheiden zwischen Delinquenten mit typisch schweizerischen Namen und solchen mit ausländisch klingenden ist grundsätzlich geeignet, negative Vorurteile zu bestärken und ist damit diskriminierend. Im konkreten Fall war aber die diskriminierende Unterscheidung zulässig, weil durch diesen von der Polizei vermittelten Sachverhalt die Parallele zu dem kurz zuvor begangenen «gleichen» Delikt (in einem Zug Deutschland, begangen von einem afghanischen Flüchtling, der «Allahu Akbar» rief und zustach) eher unwahrscheinlich erschien. Es gab also einen vertretbaren Zusammenhang zwischen den Delikten und der Charakterisierung des Täters. In diesem Sinne ist die von Richtlinie 8.2 geforderte Verhältnismässigkeit gewahrt geblieben. Eine Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» liegt somit offensichtlich nicht vor.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.