Nr. 24/2007
Anhörung bei schweren Vorwürfen / Diskriminierungsverbot / Respektierung der Menschenwürde / Opferschutz

(X. c. Telebärn / «Tages-Anzeiger») Stellungnahme des Presserates vom 11. Mai 2007

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I. Sachverhalt

A. Am 14., 15. und 16. April 2006 strahlte der Lokalfernsehsender Telebärn eine Serie mit drei je rund dreiminütigen Beiträgen über die therapeutische Wohngemeinschaft X. aus.

Der erste Teil mit dem Titel «Kampf um die verlorene Tochter» berichtete über eine Familie, deren Tochter sich nach einem sechsjährigen Aufenthalt im X. stark von ihr entfremdet und gegen die Eltern den Vorwurf sexueller Übergriffe und satanischer Praktiken erhoben habe. Die von den Strafuntersuchungsbehörden der Kantone Y. und Z. nach eingehenden Abklärungen als haltlos erachteten Vorwürfe beruhten offenbar auf einer Therapie mit falschen Erinnerungsbildern. Trotz der zweifelhaften Methoden habe eine von den zuständigen kantonalen Behörden veranlasste Überprüfung der therapeutischen Wohngemeinschaft jedoch keine Beanstandungen ergeben.

Im zweiten Teil der Serie mit dem Titel «In den Fängen einer Sekte» liess der Sender den Journalisten und Sektenexperten Hugo Stamm zu Wort kommen. Dieser bezeichnete es als fragwürdig, dass die beiden «übereifrigen» Heimleiterinnen ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen könnten.

Schliesslich thematisierte der dritte Teil der Serie mit dem Titel «Sektenähnliche Kreise» die Frage, woran Eltern und Angehörige frühzeitig erkennen könnten, wenn jemand in Gefahr sei, in die Fänge einer Sekte zu geraten und welches Verhalten in derartigen Fällen zu empfehlen sei.

B. Am 5. September 2006 veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» unter dem Titel «Wirbel um erfundene Satansrituale» ebenfalls einen Artikel über das X. Der Lead lautete: «Drei Frauen beschuldigen ihre Eltern, bei Satansritualen Babys getötet zu haben. Die Behörden con Y. sitzen der monströsen Verschwörung auf.»

Laut dem von Hugo Stamm verfassten Artikel hatten drei Bewohnerinnen des X. im Jahr 2001 angeblich unabhängig voneinander Erinnerungen an schreckliche Erlebnisse aus der Kindheit. Sie hätten behauptet, Eltern, viele Verwandte und Bekannte hätten sie schon als kleine Kinder sexuell und zu Satansritualen missbraucht. Die beiden Heimleiterinnen hätten diese angeblich verdrängten persönlichen Erinnerungsbilder ihrer Patientinnen ernst genommen. Daraufhin hätten die drei Insassinnen mit Unterstützung der Leiterinnen den Kontakt zu den Angehörigen abgebrochen und schliesslich Ende 2003 Strafanzeige gegen die Eltern eingereicht. Die Untersuchungsbehörden von Y. hätten die Vorwürfe Ernst genommen, währenddem die Behörden des Kantons Z. die Unstimmigkeiten rasch entlarvt hätten und zum Schluss gekommen seien, dass sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung fänden. Obwohl davon ausgegangen werden müsse, dass die Heimbewohnerinnen von den Heimleiterinnen manipuliert worden seien, lebten die drei Frauen weiterhin im X. Ein Hohn sei für die betroffenen Eltern auch, dass ein im Auftrag der Y. Heimkommission ausgearbeitetes Gutachten dem X. insgesamt gute Noten ausstelle.

C. Am 11. Dezember 2006 und 4. Januar 2007 gelangte das X. mit einer Beschwerde gegen Telebärn und den «Tages-Anzeiger» an den Presserat. Telebärn habe die Schilderungen und Vorwürfe der Eltern übernommen, ohne diese zu überprüfen oder zumindest Kontakt mit der Heimleitung oder weiteren Verantwortlichen des X. aufzunehmen. Der «Tages-Anzeiger»-Journalist Hugo Stamm habe bei seinem vor Erscheinen des Berichts vom 5 September 2006 mit den Heimleiterinnen geführten Recherchegespräch verschwiegen, dass er sich zuvor bereits in Telebärn negativ über das X. geäussert hatte. Zudem habe es Stamm im Zusammenhang mit seinen Sektenvorwürfen unterlassen, sich bei der Heimkommission Y. über das christliche Leitbild des Heims zu erkundigen. Ebenso habe er den Opferschutz nicht ernst genommen. Darüber hinaus erhob die Beschwerdeführerin gegen Hugo Stamm eine Reihe von Vorwürfen in Bezug auf das von ihm als Sektenexperte dem Fernsehsender Telebärn gewährte Interview. Insgesamt hätten die Berichte der beiden Medien die Ziffern 1 (Recht der Öffentlichkeit auf Wahrheit), 3 (Gebot der Anhörung beider Seiten) und 8 (Respektierung der Menschenwürde, Diskriminierungsverbot) verletzt.

D. Am 30. Januar 2007 beantragte Marc Friedli, Geschäfts- und Programmleiter namens der Redaktion von Telebärn, die Beschwerde sei abzuweisen. Insbesondere habe Telebärn vor der Ausstrahlung der Sendereihe mehrfach vergeblich versucht, mit den Verantwortlichen des X. Kontakt aufzunehmen, um ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben. «Aufgrund der unseres Erachtens solid abgestützten Sachlage (höchst glaubwürdige Aussagen der betroffenen Familie, Einschätzungen des Sektenspezialisten Hugo Stamm, Berichterstattung des ‹Beobachters›) haben wir uns bewusst entschieden, dass die Nicht-Erreichbarkeit der Verantwortlichen des X. uns nicht von der Publikation der entsprechenden Beiträge abhalten soll und darf.»

E. Die durch den Rechtsdienst Tamedia vertretene Redaktion des «Tages-Anzeigers» beantragte am 19. Februar 2007 ebenfalls, die Beschwerde sei abzuweisen. Hugo Stamm habe sich im Vorfeld des Artikels in den Räumlichkeiten des X. drei Stunden mit den Verantwortlichen unterhalten. Im Artikel seien diese zudem verschiedentlich zu Wort kommen. Die darüber hinaus in der Beschwerde aufgeworfenen pauschalen Vorwürfe des X. betreffend Wahrheitsgebot, Opferschutz und Respektierung der Menschenwürde seien haltlos.

F. Am 6. März 2007 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerden würden der 1. Kammer zugewiesen, der Peter Studer (Kammerpräsident), Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Kathrin Lüthi, Philip Kübler, Edy Salmina und Francesca Snider (Mitglieder) angehören.

G. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerden an ihrer Sitzung vom 11. Mai 2007 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Soweit sich die Beschwerde explizit gegen das Verhalten von Hugo Stamm im Interview mit Telebärn richtet, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Hugo Stamm ist bei diesem Interview nicht als Journalist, sondern als Experte für Sektenfragen aufgetreten. Es liegt – vorbehältlich der Pflicht zur journalistischen Transparenz (Ziffer 9 der «Erklärung») grundsätzlich an ihm selber, abzuschätzen, ob derartige Auftritte seine journalistische Glaubwürdigkeit beeinträchtigen. Soweit sich die Beschwerde des X. gegen die von Telebärn ausgestrahlte dreiteilige Sendereihe richtet, ist deshalb allein zu prüfen, ob die Redaktion von «Telebärn» hier berufsethische Normen verletzt hat.

2. a) Die Telebärn-Serie über das X. erweckt beim Publikum den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen der therapeutischen Wohngemeinschaft im Zusammenhang mit der Betreuung der drei magersüchtigen Frauen äusserst fragwürdig verhalten hätten und stellt gar die Frage in den Raum, ob diese in die Fänge einer Sekte geraten seien. Die Beschwerdeführerinnen beanstanden dazu vorab, sie seien zu den gegen sie erhobenen schweren Vorwürfen nicht angehört worden und Telebärn habe die Vorwürfe auch generell nicht genügend überprüft. Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind «Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Ausnahmsweise kann auf die Anhörung verzichtet werden, wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Der von schweren Vorwürfen betroffenen Partei muss nicht derselbe Umfang im Bericht zugestanden werden wie der Kritik. Aber die Betroffenen sollen sich zu den schweren Vorwürfen äussern können.» Der Presserat betont in seiner Praxis die überragende Bedeutung dieses berufsethischen Prinzips regelmässig (vgl. z.B. die Stellungnahmen 2/1996, 2/1997; 49/2005, 37/2006).

b) Die gegen die Verantwortlichen des X. wiederholt erhobenen Vorwürfe (Manipulation mit falschen Erinnerungsbildern, falsche Therapien, ungenügende
fachliche Qualifikation, Übereifer, Missbrauch, sektenmässiges Verhalten) wiegen schwer. Der Standpunkt des Heims dazu wird in der dreiteiligen Serie nirgends erwähnt. In den drei Beiträgen wird zudem lediglich einmal marginal auf den für das X. positiv lautenden Befund der kantonalen Heimaufsichtsbehörde hingewiesen.

c) Auch wenn Telebärn geltend macht, mehrfach vergeblich versucht zu haben, eine Stellungnahme der Verantwortlichen einzuholen, ändert dies nichts daran, dass die Ziffer 3 der «Erklärung» (Berücksichtigung der verfügbaren Informationen, Anhörung bei schweren Vorwürfen) hier verletzt worden ist. Der Presserat hat in früheren Stellungnahmen (vgl. z.B. die Stellungnahmen 60/2004, 3 und 49/2005) darauf hingewiesen, dass bei Nichterreichbarkeit der von schweren Vorwürfen Betroffenen zumindest das Publikum darüber zu informieren ist. Ebenso wäre es angezeigt gewesen, deutlicher auf das für das X. positiv lautende Gutachten hinzuweisen.

3. a) Soweit die Beschwerdeführerinnen darüber hinaus die Verletzung weiterer berufsethischer Normen beanstanden, erachtet der Presserat die Beschwerde – soweit Telebärn betreffend – hingegen als unbegründet. Telebärn hat weder das Diskriminierungsverbot verletzt, noch dem Opferschutz (Ziffer 8 der «Erklärung») ungenügend Rechnung getragen. Die Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) gebietet, Angaben über ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderungen nur dort zu machen, wo sie für das Verständnis des Publikums notwendig sind. Laut der Richtlinie 8.3 (Opferschutz) müssen Autorinnen und Autoren von Berichten über dramatische Ereignisse oder Gewalt immer sorgfältig zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Interessen der Opfer und der Betroffenen abwägen. «Journalistinnen und Journalisten sind sensationelle Darstellungen untersagt, welche Menschen zu blossen Objekten degradieren. Als sensationell gilt insbesondere die Darstellung von Sterbenden, Leidenden und Leichen, wenn die Darstellung in Text und Bild hinsichtlich detailgetreuer Beschreibung sowie Dauer und Grösse der Einstellungen die Grenze des durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Gerechtfertigten übersteigt.»

b) Das X. sieht sich diskriminiert, weil es zu Unrecht einer Sekte gleichgesetzt werde. Dieser Eindruck entsteht zwar für den Betrachter der Telebärn-Beiträge effektiv und beruht insbesondere auch auf der bereits erwähnten ungenügenden Berücksichtigung sämtlicher verfügbarer Informationen und der fehlenden Stellungnahme der Institution. Diese gehört allerdings offensichtlich nicht zu den durch Ziffer 8 der «Erklärung» geschützten Personenmehrheiten (ethnische oder nationale Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung usw.).

c) In Bezug auf den Opferschutz stellt der Presserat fest, dass die drei Patientinnen des X. nicht «Opfer» gemäss der Richtlinie 8.3 der «Erklärung» sind. Zwar sind sie angesichts ihrer beeinträchtigten psychischen Gesundheit in einem anderen Sinne auch «Opfer». Laut dem Befund der Strafverfolgungsbehörden gibt es hingegen keinerlei Anhaltspunkte für die in der Strafanzeige behauptete massive Gewaltanwendung oder von anderweitigen dramatischen Ereignissen wie Unglücksfällen, Katastrophen usw., im Sinne der Richtlinie 8.3. Weiter werden die drei in den Berichten von Telebärn für Dritte nicht identifizierbaren Frauen in keiner Weise zu blossen Objekten degradiert. Und schliesslich besteht ein legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an den nach Darstellung von Telebärn problematischen Vorgängen in einer mit öffentlichen Mitteln unterstützten Therapieeinrichtung wie dem X.

4. Ebenso wie bei Telebärn sehen die Beschwerdeführerinnen auch beim «Tages-Anzeiger»-Artikel vom 5. September 2006 die Anhörungspflicht verletzt. Der Bericht erhebt denn auch schwere Vorwürfe gegen die darin namentlich genannten Verantwortlichen des X. Sie hätten Warnungen ignoriert, «wonach die Erinnerungsbilder der drei Frauen absolut unglaubwürdig seien». Weiter zitiert Hugo Stamm den Untersuchungsrichter von Z., laut dem «der Einfluss der Heimleiterinnen auf die Bewohnerinnen» sehr stark sei. Gemäss der Kantonspolizei von Z. sei die Rolle des Heims «undurchsichtig und mehr als zweifelhaft» und «die Akten erwecken den Anschein, dass die drei Frauen, zumindest indirekt, manipuliert worden sind».

Währenddem die Beschwerdeführerinnen im Bericht zu zwei Einzelvorwürfen zu Wort kommen (so z.B. zur Entstehungsgeschichte der von zwei Heimbewohnerinnen verbreiteten Behauptung, sie seien selber an der Tötung von zwei Kindern beteiligt gewesen und zur Begründung des Kontaktabbruchs zwischen Heimbewohnerinnen und Eltern), fehlt die Stellungnahme der Betroffenen gerade dort, wo sie am wichtigsten gewesen wäre: zu den genannten Hauptvorwürfen. Dies ist umso unverständlicher, als der «Tages-Anzeiger» in seiner Stellungnahme zur Beschwerde unterstreicht, das sich Hugo Stamm vor der Veröffentlichung des Artikels drei Stunden mit den Verantwortlichen des X. unterhalten habe.

5. a) Im Weiteren beanstanden die Beschwerdeführerinnen, der Bericht des «Tages-Anzeigers» habe die Menschenwürde nicht respektiert (Ziffer 8 der «Erklärung», Richtlinie 8.1). Eine Verletzung der Menschenwürde ist für den Presserat jedoch nicht ersichtlich. Zwar beschreibt der Journalist die teils äusserst makabren Anschuldigungen der drei Frauen detailliert. Man kann sich auch fragen, ob Beschreibungen wie «Leichen zersägen», «Köpfe spalten» und «schwangere Frauen aufzuschlitzen» für das Verständnis der Leserschaft unabdingbar waren. Jedenfalls werden die drei Patientinnen des Heims mit diesen Beschreibungen ihrer angeblichen Erinnerungen aber nicht als Menschen verunglimpft oder in ihrem Menschsein herabgewürdigt (Stellungnahme 38/2000). Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Presserates, sich zu Fragen des journalistischen Geschmacks zu äussern. Die detaillierte Beschreibung der «Erinnerungen» der drei Bewohnerinnen des X. kann zudem als geeignet erachtet werden, um der Leserschaft ihre Unwahrscheinlichkeit (und damit auch Unglaubwürdigkeit) vor Augen zu führen.

b) Ebenso wenig hat der «Tages-Anzeiger» das Diskriminierungsverbot (Richtlinie 8.2) verletzt. Wie oben unter der Erwägung 3.a) ausgeführt, gehört das X. nicht zu den gemäss Ziffer 8 der «Erklärung» vor Diskriminierung geschützten Personenmehrheiten. Darüber hinaus stellt der Presserat fest, dass der «Tages-Anzeiger» die therapeutische Wohngemeinschaft zwar unter Bezugnahme auf Einschätzungen der Strafverfolgungsbehörden (starker Einfluss der Heimleiterinnen, Frauen seien «indirekt manipuliert» worden) harsch kritisiert und zudem den Untersuchungsrichter zitiert, wonach «Opfer, die einen Missbrauch geltend machen, häufig in derartige religiöse Gemeinschaften eingebettet sind». Er unterstellt dem X. hingegen weder ausdrücklich noch indirekt, dass eine Sekte dahinter stehe oder dass es sektenähnliche Züge aufweise.

c) Soweit die Beschwerdeführerinnen schliesslich auch beim «Tages-Anzeiger» die Richtlinie 8.3 (Opferschutz) verletzt sehen, ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es in diesem Fall schwierig zu bestimmen ist, wer die «Opfer» sind. Wie bereits in der Erwägung 3.c) ausgeführt, sind die drei Insassinnen des X. nicht Opfer in Sinne dieser Richtlinie, nachdem die Strafuntersuchung aufgezeigt hat, dass die in ihren «Erinnerungen» behaupteten Misshandlungen offenbar nur in ihrer Fantasie existierten. Und auch wenn ihre psychische Not Verständnis erheischt: es waren sie bzw. die Verantwortlichen des X., welche die Strafanzeigen eingereicht und damit Mechanismen ausgelöst haben, die schliesslich zu den beanstandeten Publikationen führten. Im Übrigen werden die drei Insassinnen im Bericht des «Tages-Anzeigers» nicht beschuldigt und bleiben anonym. Bei einer Gesamtbetrachtung erscheinen deshalb eher die zu Unrecht beschuldigten Eltern und Angehörige der drei F
rauen in diesem Fall als Opfer dieser tragischen Entwicklung.

6. Schliesslich beanstanden die Beschwerdeführerinnen, der «Tages-Anzeiger» habe ein falsches Bild ihrer Institution vermittelt, indem er wichtige Informationselemente ignoriert habe. So u.a. die Tatsache, dass das X. der kantonalen Administrativaufsicht unterstehe und dass die entsprechende Überprüfung positiv für das Heim ausgefallen sei (Ziffern 1 und 3 der «Erklärung»).

Auch diese Beanstandung hält der Presserat für unbegründet. Der für das X. positiv ausgefallene Administrativbericht der zuständigen kantonalen Behörde wird trotz der kritischen Stossrichtung des Artikels genügend deutlich erwähnt. Ebenso gibt der Bericht die Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen wieder, in welcher sie den Kontaktabbruch zwischen Patientinnen und Angehörigen erklären. Die Beschwerdeführerinnen legen zudem auch nicht klar dar, welche für das Verständnis der Leserschaft unabdingbaren Informationselemente der «Tages-Anzeiger» unterschlagen haben soll, sondern visieren mit ihrer Kritik eher die generelle Stossrichtung des Berichts an. Auch wenn ihre Haltung subjektiv verständlich erscheint, ist darauf hinzuweisen, dass es den Journalistinnen und Journalisten berufsethisch unbenommen ist, über einen Gegenstand von öffentlichem Interesse mit einer kritischen Stossrichtung zu berichten. Und dass eine kritische journalistische Recherche über die Aktivitäten des öffentlich unterstützten und der Administrativaufsicht unterliegenden X. grundsätzlich gerechtfertigt ist, wird auch von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde gegen Telebärn wird teilweise gutgeheissen. Telebärn hätte bei der Ausstrahlung einer dreiteiligen Serie über das X. vom 14. bis 16. April 2006 mindestens darauf hinweisen müssen, dass die Verantwortlichen für eine Stellungnahme nicht erreichbar waren. Zudem hätte der Lokal-TV-Sender deutlicher auf ein für die Therapieeinrichtung positiv lautendes Gutachten der zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörde hinweisen müssen. Mit diesen Unterlassungen hat Telebärn die Ziffer 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen; Berücksichtigung verfügbarer Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

2. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde gegen Telebärn abgewiesen.

3. Die Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger» wird teilweise gutgeheissen. Der «Tages-Anzeiger» wäre bei der Veröffentlichung des Artikels «Wirbel um erfundene Satansrituale» am 5. September 2006 verpflichtet gewesen, die Verantwortlichen des X. nicht nur zu Nebenpunkten, sondern auch zu den Hauptvorwürfen Stellung nehmen zu lassen. Mit dieser Unterlassung hat der «Tages-Anzeiger» die Ziffer 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen; Berücksichtigung verfügbarer Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

4. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger» abgewiesen.