Stellungnahme
Es ist weder Aufgabe des Presserates, die Qualität einer Arbeit oder ihren speziellen Stil zu beurteilen, noch zu untersuchen, ob anhand der Publikation eines Artikels in der „Schweizer Illustrierten“ die Droge „Free Base“ hergestellt werden kann. Nach Auffassung des Presserates ist die Publikation von Angaben über die Herstellung von Drogen schon deshalb gefährlich, weil sie Jugendliche im Probierstadium dazu anreizen kann, deren Herstellung zu versuchen, womit gerade bei unerfahrenen Pröblern erhebliche Gefahren verbunden sind. Der Presserat verweist auf die Präambel der Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten, wonach die Verantwortlichkeit der Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit Vorrang vor jeder anderen hat. Der Journalist hat somit nicht nur eine Informationspflicht, sondern hat diese Information auch gegenüber der Gesellschaft zu verantworten. Der Presserat verneint im konkreten Fall ein das Gefahrenpotential überwiegendes Informationsinteresse. Prise de position Il n’incombe pas au Conseil de la presse de porter au jugement sur la qualité d’un travail ou sur son style particulier et pas davantage de déterminer si, à la suite de la publication de l’article de la „Schweizer Illustrierte“, il est possible de fabriquer de la „Free Base“. De l’avis du Conseil de la presse, la publication de données relatives à la manière de produire une drogue est déjà dangereuse du fait qu’elle peut inciter des jeunes à essayer d’en fabriquer, au grand danger des utilisateurs inexpérimentés. Le Conseil de la presse renvoie au préambule de la „Déclaration des devoirs et des droits du journaliste“, selon lequel la responsabilité du journaliste envers l’opinion publique prime sa responsabilité. Dès lors, le journaliste n’a pas seulement le devoir d’informer, il doit également prendre la responsabilité des informations qu’il diffuse, vis à vis de la société. Dans le cas présent, le Conseil de la presse n’admet pas que l’intérêt à la diffusion de l’information l’ait emporté sur les dangers inhérents à cette publication. Presa di posizione |
I. Sachverhalt
A. Am 16. Juli 1990 publizierte die Schweizer Illustrierte eine Reportage von N. und P. über das Aufkommen, den Konsum und die Herstellung der neuen Droge „Free Base“.
B. Am 15. August 1990 gelangte der Leiter der Stiftung Albisbrunn mit der Bitte an das Zentralsekretariat des Verbandes der Schweizer Journalisten, obgenannte Reportage dem Presserat zur Begutachtung zu unterbreiten. Der Artikel enthalte mehr Empfehlungen als Warnungen vor der neuen Droge. Vor allem aber wurde kritisiert, dass der Artikel Anweisungen enthalte, wie die Droge hergestellt werden könne: „Insbesondere aber ist es die Instruktion ‚Salmiak und Kokain werden erhitzt; So entsteht die Teufelsdroge Free Base‘, sowie die 6 Fotos, durch welche die Herstellung von Free Base dargestellt und beschrieben wird, die ich verwerflich finde und als instinktlosen Journalismus qualifiziere.“
In seinem Schreiben an das Zentralsekretariat weist H. Bolliger ferner darauf hin, dass er Leiter eines Erziehungsheimes für gefährdete Jugendliche sei: „Die Aufmachung der Reportage ist verantwortungslos jenen Jugendlichen gegenüber, die noch im ‚Probier- und Versuchsstadium‘ sind.“
C. Zu diesen Vorwürfen nahm Peter Rothenbühler, Chefredaktor der Schweizer Illustrierten auf Anfrage des Presserates am 14. September Stellung. Seiner Meinung nach sei die Publikation korrekt gewesen. Free Base sei für die Schweizer Illustrierte zum Thema geworden, nachdem die Polizei die Presse darüber informiert haben, dass diese neue Droge in Zürich von Zahlreichen Junkies konsumiert werde:
„Unsere Aufgabe als Illustrierte ist die bildliche Darstellung von News. So wie früher die Heroinszene bis ins Detail ausfotografiert wurde, wie der Kokainkonsum in Reportagen dargestellt wurde, so hielten wir es für angebracht, das neue Phänomen ‚Free Base‘ ebenfalls bildlich genau darzustellen. Dabei haben wir gewisse Vorsichtsmassnahmen getroffen, damit aufgrund unserer Fotos niemand Free Base herstellen kann. Wir machten z.B. bewusst keine genauen Mengen- und Zeitangaben.“
II. Erwägungen
1. Da nicht eine Klage im eigentlichen Sinn vorliegt, sondern der Presserat via Zentralsekretariat gebeten wurde, sich mit diesem Artikel aus berufsethischer Sicht zu beschäftigen, verzichtet der Presserat auf einen formellen Entscheid. Er nimmt aber trotzdem Stellung, weil dieser Artikel das wichtige Problem der Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit tangiert.
2. Was die Frage nach der genügenden Warnung vor der Droge im Artikel anbelangt, hält der Presserat fest, dass es nicht seine Aufgabe ist, die Qualität einer Arbeit oder ihren speziellen Stil zu beurteilen. Er stellt aber fest, dass im Artikel auch klar vor der Droge gewarnt wird.
Fragwürdiger hingegen ist die verharmlosende Art, wie die Herstellung der Droge in Bild und Bildlegende präsentiert wird.
Es ist nicht Sache des Presserates, abzuklären, ob anhand dieser Publikation die Droge ‚Free Base‘ hergestellt werden kann oder nicht. In dieser Sache läuft eine Untersuchung der Bezirksanwaltschaft Zürich. Aufgabe des Presserates ist es aber, abzuklären, ob mit dieser Publikation die Grundsätze der Rechte und Pflichten des Journalisten verletzt wurden.
Der Presserat ist der Meinung, dass die Publikation der Angaben über die Herstellung der Droge auch dann als gefährlich zu beurteilen ist, wenn sie letztlich nicht genügt, um die Droge fachgerecht herzustellen. Gefährlich vor allem darum, weil sie so oder so Jugendliche im Probierstadium dazu anreizen kann, die Herstellung zu versuchen. Gerade bei unerfahrenen Pröblern aber ist die Gefahr einer falschen Dosierung beim Konsum gross. Nach Aussage von Doktor Weser kann dies lebensgefährlich sein.
3. Die Präambel zu den Rechten und Pflichten des Journalisten verankert nicht nur das Recht des Journalisten zu informieren, sondern weist auch auf seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hin: „Die Verantwortlichkeit der Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor Ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber und gegenüber staatlichen Organen.“
Der Journalist hat also nicht nur eine Informationspflicht, er hat die Information gegenüber der Gesellschaft auch zu verantworten.
Dem Presserat stellt sich die Frage, ob in diesem Fall das Recht auf Information schwerer wiegt als die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Der Chefredaktor der Schweizer Illustrierten begründet die Publikation dieser Bilder einzig damit, dass es die Aufgabe der Illustrierten sei, News bildlich darzustellen. Die Begründung bezieht sich also auf die Art des Publikationsorgans und damit auf die Verantwortung der Journalisten gegenüber dem Verleger.
Auf Grund der Rechte und Pflichten des Journalisten müsste eine Publikation, die ein solches Gefahrenpotential enthält, mindestens durch ein ebenbürtiges Bedürfnis der Gesellschaft nach dieser Information aufgewogen werden. Nach Meinung des Presserates ist das hier nicht der Fall.
III. Feststellungen
Aus diesen Gründen hält der Presserat fest:
Dass die Schweizer Illustrierte mit der Publikation dieser Bilder ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen hat.