Nr. 5/1990
-91: Entscheid des Presserates, vom 14. Juni 1991, zu den Artikeln über die Klinik Y. in der ‚Berner Tagwacht‘ bzw. und dem ‚Beobachter‘

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Stellungnahme

Bei Klagen an den Presserat, die Veröffentlichungen von Autoren betreffen, die nicht Mitglieder des Verbandes des Schweizer Journalisten sind, kann der Presserat zwar keinen Entscheid im Sinn der Beurteilung einer Einhaltung der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ fällen, jedoch, durchaus eine Stellungnahme abgeben. Voraussetzung dafür ist jedoch dass grundsätzliche berufsethische Fragen und Probleme aufgeworfen werden, was bei den vorliegenden Klagen nicht der Fall ist, weshalb der Presserat auf diese nicht eintritt.

Prise de position

Lorsqu’il est saisi de plaintes relatives à des publications dont l’auteur n’est pas membre de la Fédération suisse des journalistes, le Conseil de la presse ne peut rendre de décision mais il ne lui est pas interdit de prendre position. Une condition préalable est cependant que des problèmes fondamentaux d’éthique professionnelle soient en cause, ce qui n’est pas le cas dans la présente plainte. Le Conseil de la presse n’entre donc pas en matière à son sujet.

Presa di posizione

I. Sachverhalt

A. Mit eingeschriebenen Briefen vom 18. April 1991 ersuchten Herr und Frau K. den Presserat des Verbandes der Schweizer Journalisten , ein Verfahren wegen Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten“ durchzuführen, und zwar gegen S. und F. i.S. Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Beobachter“ beziehungsweise in der Tageszeitung „Berner Tagwacht“ des Inhalts der von ihnen geleiteten Klinik Y. in Z. B. Im Rahmen des von Vizepräsident M. Edlin am 23. Mai 1991 eingeleiteten schriftlichen Konsultationsverfahrens unter den deutschsprachigen und in der Deutschschweiz wohnhaften Mitgliedern des Presserates (Art. 4, Absatz 5 des Presseratsreglements) beschloss der Presserat, auf die beiden Klagen nicht einzutreten.

II. Erwägungen

1. Beide von Herr und Frau X. dem Presserat unterbreiteten Fälle betreffen den gleichen Klagegrund: Presseveröffentlichungen über angebliche Missstände in der Klinik Y.verbunden mit Vorwürfen an deren Leiter-Ehepaar (Artikel „Privatklinik Y. in Z.: ‚Hier ist Endstation‘ – Viel zuwenig Personal, hohe Sterberate: Im privaten Alters- und Pflegeheim X. in Y. wird offensichtlich viel verdient und viel gestorben, die pflegerische Qualität ist ungenügend“, verfasst von „ls“ als Kürzel für S., publiziert im „Beobachter“ Nr. 19 vom 14. September 1990, und Artikel „Eigenartige Gepflogenheiten in privatem Altersheim: „Die Alten werden wie ein Stück Holz behandelt'“, verfasst von F., publiziert in der „Berner Tagwacht“ vom 11. Oktober 1990). Da in den zwei Artikeln vergleichbare Kritik und Vorwürfe erhoben werden (die Veröffentlichung in der „Berner Tagwacht“ stützt sich auf diejenige im „Beobachter“ und zitiert einige von dessen Aussagen), hat der Presserat beide Fälle gemeinsam behandelt.

2. Die klageführende Partei macht denn auch beidemal den gleichen Sachverhalt geltend, wobei sie S. der Verletzung der Art. 3 und 7 und F. der Verletzung von Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ beschuldigt (Art. 3: Er veröffentlicht nur Informationen und Dokumente deren Quellen ihm bekannt sind. Er unterschlägt keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellt weder Tatsachen und Dokumente noch von anderen geäusserte Meinungen. Er bezeichnet unbestätigte Meldungen ausdrücklich als solche. … ; Ziff. 7: Er respektiert die Privatsphäre des Einzelnen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Er unterlässt anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen).

3. Weder S. noch F. sind Mitglied des Verbandes der Schweizer Journalisten; sie haben sich demzufolge nicht auf die Einhaltung der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ verpflichtet. Dieser Umstand allein kann allerdings nicht Begründung eines Beschlusses des Presserates auf Nichteintreten sein; eine „Stellungnahme“ (nicht aber ein „Entscheid“) ist auch in Fällen möglich, bei denen Nicht-VSJ-Mitglieder Autoren von Veröffentlichungen sind, die Anlass zu einer Klage an den Presserat geben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Fall grundsätzliche berufsethische Fragen und Probleme aufwirft, zu denen der Presserat in allgemeiner Form und zur Explikation der berufsethischen Anforderungen im Journalismus in Bestätigung oder Erweiterung der bisherigen Praxis seiner Beschlüsse Stellung bezieht.

4. Nach Ansicht des Presserates ist letzteres in den beiden vorliegenden Fällen nicht gegeben. Die klageführende Partei versucht mittels Feststellungen aus ihrer Sicht beziehungsweise mit Stellungnahmen und Berichten Dritter zu belegen, dass die von den beiden Medienschaffenden in ihren Veröffentlichungen aufgestellten Behauptungen über Missstände in der Klinik Y. nicht der Wahrheit entsprechen. Somit wird im wesentlichen beklagt, dass unsorgfältig und unvollständig recherchiert worden und keine „faire und gute Berichterstattung“ erfolgt sei. Dieser Vorwurf, dessen Berechtigung durch eine einlässliche Untersuchung der Recherchenarbeit durch die Journalisten abzuklären wäre, beschlägt das journalistische Vorgehen und Resultat im vorliegenden konkreten Fall, nicht aber eine grundsätzliche berufsethische Fragestellung, die – wie gesagt – notwendig wäre, um den Presserat auch dann zu einer Stellungnahme zu veranlassen, wenn die beklagten Journalisten nicht Mitglied des Verbandes sind.

III. Feststellungen

Aus diesen Gründen hält der Presserat fest:

Der Presserat verschliesst sich nicht einem Verständnis für den Unwillen der klageführenden Partei über die inkriminierten Veröffentlichungen und weist daraufhin, dass hier im Falle behaupteter falscher Tatsachendarstellungen die Voraussetzungen für eine Gegendarstellung gemäss ZGB Art. 28g gegeben gewesen wären, beziehungsweise, was von der klageführenden Partei erwähnte Persönlichkeitsverletzungen betrifft, eine entsprechende zivilrechtliche Klage auf dem ordentlichen Gerichtsweg möglich ist.