Zusammenfassung
Spekulation über sexuelle Orientierung ist nicht diskriminierend
Der Presserat hat eine Beschwerde gegen «Blick am Abend» abgelehnt. «Mindestens drei Schwule», so betitelte die Zeitung letztes Jahr einen Beitrag zur TV-Dating-Sendung «Bachelorette». Kandidaten wurden mit Vorname, Alter und Beruf, persönlichen Eigenschaften oder Tätigkeiten vorgestellt, drei davon auch mit Bild. Über diese drei äusserte die Dragqueen «Gossipa» die Vermutung, sie könnten homosexuell sein. Das lasse sich aus der Körperhaltung, Kleidung, Piercing oder Tattoos schliessen. «Kein Hetero-Mann steckt seine Hände so in die Hose», lautete eine der wenig tiefgründigen Analysen.
Gegen solche Zuschreibungen legte ein Leser beim Presserat Beschwerde ein. Es sei grundsätzlich problematisch, über die sexuelle Orientierung von Menschen zu spekulieren. Der Artikel verletze das Diskriminierungsverbot und zementiere ein «heteronormatives Bild». «Blick am Abend» nahm keine Stellung, da die Beschwerde anonym vorgebracht wurde. Der Presserat billigte dem ihm namentlich bekannten Beschwerdeführer jedoch schützenswerte Gründe dafür zu.
Der Presserat sah im Artikel keine journalistischen Pflichten verletzt. Zwar besteht er im Wesentlichen nur aus einer Aufzählung billiger Klischees. Homosexualität wird jedoch nicht abwertend dargestellt. Der vom Beschwerdeführer ebenfalls kritisierte Begriff „Freak-Show“ ist zwar aus medienethischer Sicht problematisch. Er bezog sich aber auf das gesamte Kandidatenfeld und nicht auf eine bestimmte Gruppe.
Résumé
Spéculer sur l’orientation sexuelle n’a rien de discriminatoire
Le Conseil de la presse a rejeté une plainte concernant le «Blick am Abend». «Mindestens drei Schwule» (au moins trois pédés), tel était le titre de l’article que le journal a consacré l’an passé à l’émission de téléréalité «Bachelorette». Les candidats y étaient présentés par leur prénom, leur nom, leur âge et leur profession ainsi que leurs qualités ou activités personnelles, et une photo pour trois d’entre eux. La dragqueen «Gossipa» a émis l’hypothèse, pour ces trois-là, qu’ils pourraient être homosexuels. Elle le déduisait de leur attitude, de leur habillement, de leurs piercing ou tatouage. «Aucun hétéro ne met ses mains comme ça dans les poches de son pantalon», énonçait une de ses profondes analyses.
Un lecteur a porté plainte auprès du Conseil de la presse au sujet de ces allégations. Il est problématique, disait-il, de spéculer sur l’orientation sexuelle des gens. L’article portait atteinte, selon lui, à l’interdiction de la discrimination et cimentait une «image hétéronormative». Le «Blick am Abend» n’a pas pris position, la plainte ayant été déposée de manière anonyme. Le Conseil de la presse a concédé au plaignant, dont le nom était connu de lui, des motifs dignes de protection.
Le Conseil de la presse ne considère pas que l’article a porté atteinte aux devoirs des journalistes. Il consiste certes pour l’essentiel dans une énumération de clichés bon marché. Mais l’homosexualité n’y est pas présentée de manière dégradante. Si le terme de «freak show», également critiqué par le plaignant, pose problème au plan de l’éthique des médias, il se référait à tous les candidats de l’émission, non à un groupe donné.
Riassunto
Congetture non discriminanti sulle tendenze sessuali
Il Consiglio della stampa ha respinto un reclamo contro un articolo di «Blick am Abend» su un episodio della serie tv «Bachelorette». Il servizio era intitolato: «Almeno tre sono gay» e dava prenome, età, professione, caratteristiche e occupazioni dei candidati agli incontri descritti dalla puntata, di tre dei quali si mostrava la foto. A proposito di questi tre, la famosa transessuale «Gossipa» si esprimeva nel senso che con ogni probabilità si trattava di omosessuali. Lo si sarebbe potuto dedurre dal modo di mettersi in posa, di vestirsi, dai piercing o dai tatuaggi. «Nessun eterosessuale tiene le mani così nei pantaloni»: un giudizio tra gli altri, non certo brillante per profondità.
Contro questa descrizione un lettore ha rivolto un reclamo al Consiglio della stampa. Non si deve speculare sull’orientamento sessuale delle persone e il servizio rinfocolerebbe i pregiudizi tipici degli eterosessuali e perciò deve essere considerato discriminante ai sensi della «Dichiarazione dei doveri» del giornalista. Sul reclamo, «Blick am Abend» non ha preso posizione, perché la denuncia non sarebbe firmata. In realtà, al Consiglio della stampa l’identità dell’autore era nota e veniva taciuta per motivi degni di protezione.
In conclusione, il reclamo è stato respinto: non risultano violati i doveri del giornalista. L’articolo è pieno dei soliti stereotipi gratuiti contro gli omosessuali, ma l’omosessualità come tale non è vilipesa. Il termine di «FreakShow» usato nel testo qualche problema lo pone, ma risulta riferito al programma televisivo nel suo insieme, non a una categoria precisa di persone.
I. Sachverhalt
A. Am 12. April 2017 schrieb Angelika Meier in «Blick am Abend» auf der Seite «People» über die bevorstehende Staffel der TV-Dating-Sendung «Bachelorette». Unter dem Titel «Mindestens drei Schwule» werden verschiedene Kandidaten mit Vornamen, Alter und Beruf vorgestellt und es werden einzelne persönliche Eigenschaften oder Tätigkeiten genannt («Veganer», «besitzt mediale Fähigkeiten», «Hobbyjäger»). Dem Format der Sendung entsprechend werden «diese Kerle» als «nur so von Testosteron strotzend» bezeichnet. Die Sendung ziehe aber möglicherweise, so spekuliert «Blick am Abend», die «Falschen» an. Bei drei zusätzlich mit Bild vorgestellten Kandidaten würden bei der als Fachperson beigezogenen Dragqueen Gossipa «die Alarmglocken läuten» und der «Gay-Radar» ausschlagen. Begründet wird dies von Gossipa mit Beschreibungen bezüglich Körperhaltung und anderen Details («kein Hetero-Mann steckt seine Hände so in die Hose», Piercings, Tattoos und «stechendem Blick»).
B. Am 19. April 2017 reichte X. Beschwerde gegen «Blick am Abend» ein. Der Artikel verstosse gegen Artikel 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», da er diskriminierende Anspielungen auf die angebliche Homosexualität mache. Es sei grundsätzlich problematisch, über die sexuelle Orientierung von Menschen zu spekulieren. Der Artikel zementiere zudem ein «heteronormatives Bild», an dem die angebliche Homosexualität gemessen werde. Dies insbesondere, weil suggeriert werde, dass «die sexuelle Orientierung anhand von rein äusserlichen Merkmalen wie Gestik und Kleidung bestimmt werden kann».
C. Auf Wunsch des dem Presserat namentlich bekannten Beschwerdeführers übermittelte der Rat die Beschwerde «Blick am Abend» in anonymisierter Form zur Stellungnahme.
D. Namens der Redaktion verzichtete Christian Dorer, Chefredaktor der «Blick»-Gruppe, aufgrund der Anonymität der Beschwerde auf eine Stellungnahme. Er verwies auf seine kooperative Haltung gegenüber dem Presserat, erwarte aber, dass für alle die gleichen Regeln gelten. «Der Blick kämpft mit offenem Visier. Das verlangen wir aber auch vom Beschwerdeführer. Es gibt für den Presserat keine schützenswerten Interessen an einer Geheimbeschwerde.»
E. Das Präsidium des Presserats sieht hier keinen Fall einer «Geheimbeschwerde» und anerkennt schützenswerte Interessen des Beschwerdeführers. Das Geschäfts-reglement des Presserates verbietet es nicht, Beschwerden zu anonymisieren.
F. Beschwerde wurde der 1. Kammer zugewiesen, der Francesca Snider (Präsidentin), Dennis Bühler, Michael Herzka, Klaus Lange, Francesca Luvini, Casper Selg und David Spinnler angehören. Klaus Lange trat von sich aus in den Ausstand.
II. Erwägungen
Mit dem Titel «Mindestens drei Schwule» macht «Blick am Abend» die Frage der sexuellen Orientierung zum Aufhänger eines Artikels über die Teilnehmer der TV-Sendung «Bachelorette». Dem Beschwerdeführer ist dahingehend zu folgen, dass der Artikel beziehungsweise die darin zitierte Dragqueen Gossipa über die sexuelle Orientierung der TV-Kandidaten spekuliert und sich mit Äusserungen über Kleidung, Körperhaltung etc. im Bereich überkommener Vorurteile bewegt. Dass eine Dragqueen als Expertin zu Wort kommt, soll der Beurteilung der Kandidaten bezüglich ihrer sexuellen Orientierung vermutlich eine gewisse Sachkompetenz verleihen.
Entsprechend dem Unterhaltungswert der Sendung «Bachelorette» erfolgen die Charakterisierungen der Kandidaten mittels sehr billiger Klischees, einschliesslich einer möglichen hetero-, homo- oder bisexuellen Orientierung. Der Presserat vermag in dieser geringen journalistischen Tiefe jedoch keine Diskriminierung gemäss Ziffer 8 der «Erklärung» zu sehen. Homosexualität wird nicht abwertend und entgegen der Sicht des Beschwerdeführers auch nicht als «anormal» dargestellt.
Die vom Beschwerdeführer kritisierte Bezeichnung «Freak-Show» im ersten Absatz des Artikels kann zwar als abwertend interpretiert werden. Die Formulierung bezieht sich jedoch nicht auf einzelne Personen oder deren vermutete sexuelle Orientierung, sondern meint die Gesamtheit des Kandidatenfeldes.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «Blick am Abend» hat mit dem Artikel «Mindestens drei Schwule» vom 12. April 2017 Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.