Nr. 72/2021
Schutz der Privatsphäre / Identifizierende Berichterstattung

(Fäh Glashalle AG c. «Linth-Zeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Am 26. März 2021 veröffentlichte die «Linth-Zeitung» einen Artikel gezeichnet von Pascal Büsser unter dem Titel «Selbst temporärer Parkplatz sorgt für juristisches Ringen». Neben dem Foto einer – gemessen an der Grösse der umstehenden Häuser – offensichtlich sehr grossen unbebauten Fläche (Citycenter-Areal) mitten in Rapperswil wird im Artikel erläutert, dass nicht nur das Verfahren zur Bebauung dieses Geländes seit langer Zeit hängig sei, sondern dass auch die Zwischennutzung als Parkplatz bis zum allfälligen Baubeginn nach zwei Jahren noch immer nicht beendet sei. Eine der Rekursparteien habe auch hier das Verfahren weitergezogen. Es wird einer der Investoren des Überbauungsprojektes zitiert, der beklagt, dass es jetzt wieder Monate dauern werde, bis man weitermachen könne mit einem Parkplatz, der ohnehin erstellt werden müsse, weil das Parkhaus von «Manor» – so oder so – saniert werden müsse, was wiederum bedinge, dass man andernorts Parkraum schaffe. Ein direktes Gespräch mit der fraglichen Rekurrentin sei nicht möglich, der Kontakt laufe nur über deren Anwalt. Als Rekurrentin nennt der Artikel im Folgenden die «Tisch-Line-Deck-Dich Fäh Glashalle AG». Deren Geschäftsführerin sei nicht bereit gewesen, mit dem Autor zu sprechen. Ihr Anwalt habe als Motiv für die Einsprachen erwähnt, dass die Liegenschaft der Rekurrentin, mit Gewerbe- und Wohnraum, direkt an der Strasse liege, die von einem allfälligen Mehrverkehr durch den Parkplatz betroffen wäre. Es gehe für sie nicht per se gegen die Parkplätze, sondern darum, dass das Bewilligungsverfahren korrekt durchgeführt, alle Interessen berücksichtigt würden. Tatsächlich – so der Artikel weiter – habe die Rekurrentin in ihrer Eingabe kritisiert, dass die Baugesuchsunterlagen unvollständig seien, dass ein Verkehrs- und ein Lärmgutachten ebenso fehle wie eine Prognose zu den Immissionen. Das kantonale Baudepartement habe ihren Rekurs jetzt aber abgewiesen mit der Begründung, dass all diese Unterlagen für ein temporäres Gesuch für einen Parkplatz nicht notwendig seien. Sollte das Projekt über drei Jahre hinaus dauern, würde die Frage nach diesen Unterlagen neu geprüft. Die Annahme der Rekurrentin, wonach durch den Parkplatz mindestens 800 Mehrfahrten verursacht würden, basiere ohnehin auf einer Fehlannahme, so der Entscheid. Anhand einer Reihe weiterer Zahlen wird im Artikel erläutert, dass allerdings auch die diesbezüglichen Angaben von Investoren und Baudepartement nicht identisch seien.

Dem Artikel beigestellt ist weiter ein Kasten, welcher aufzeigt, worum es bei dem eigentlichen Verfahren über das Bauprojekt auf dem Citycenter-Areal geht, nämlich um 110 Wohnungen in zwei verschiedenen Bauprojekten zweier verschiedener Investoren, zusätzlich 8200 Quadratmeter Dienstleistungs-, Verkaufs- und Gewerbeflächen, mit Restaurant und Café. Weiter eine Tiefgarage statt des bisherigen offenen Parkhauses, eine Spielzone, Grünflächen und 50 Bäume.

B. Mit Eingabe vom 22. April 2021 reichte die «Tisch-Line-Deck-Dich Fäh Glashalle AG» Beschwerde gegen diesen Artikel beim Schweizer Presserat ein. Die Beschwerdeführerin (BF) macht einen Verstoss gegen die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (im Folgenden «Erklärung») gehörende Richtlinie 7.1 (Schutz der Privatsphäre) geltend.

Diese Richtlinie sieht die BF dadurch verletzt, dass sie, die Firma «Tisch-Line-Deck-Dich Fäh Glashalle AG», im Artikel namentlich genannt sei. Die Namensnennung sei «nicht korrekt und sachlich in keiner Weise geboten». Das Beschwerdeverfahren vor dem Baudepartement werde anonym geführt. Auch das nach dem Entscheid jetzt neu angestrengte Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons werde nicht öffentlich geführt, die Verfahrensbeteiligten seien nicht bekannt. Die unterzeichnende Geschäftsführerin und Eigentümerin der BF habe eine Anfrage der «Linth-Zeitung», welche über den Fall berichten wollte, nicht beantworten wollen und für Auskünfte auf ihren Anwalt verwiesen. Dieser habe nur eine knappe Antwort gegeben und den Text anschliessend gegengelesen und ergänzt. Der Autor habe aber nie erwähnt, dass er den Namen der Firma nennen werde, das sei aus seinem unterbreiteten Text auch nicht ersichtlich geworden. Der Anwalt sei davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall sein werde. Bereits aus seinem Telefonat mit der Geschäftsführerin hätte Autor Büsser wissen müssen, dass «selbstverständlich grosse Diskretion gewünscht» sei.

Der Anwalt der BF habe – laut Beschwerde – am 12. April 2021 bei der Linth-Zeitung gegen die Namensnennung protestiert, weil in Rapperswil bekannt sei, dass die unterzeichnende Geschäftsführerin auch die Eigentümerin der Firma «Tisch-Line-Deck-Dich Fäh Glashalle AG» sei, sie sei denn auch auf das Verfahren in kritischem Sinne angesprochen und unter Druck gesetzt worden. Zwar sei es richtig, so die BF, dass das Bauvorhaben und die Zwischennutzung von grosser Bedeutung seien für Rapperswil, das sei auch Gesprächsthema in der Stadt. Dieses öffentliche Interesse rechtfertige aber weder die Nennung der beschwerdeführenden Firma noch die ihres eigenen Namens, der ja bekannt sei und von der Leserschaft gegebenenfalls auch mit einer einfachen Zefix-Recherche herausgefunden werden könne. Aus der Zustimmung zur fraglichen Textstelle seitens des Anwalts könne auf keinen Fall eine Zustimmung zur Namensnennung der Firma oder der Eigentümerin hergeleitet werden. Die von Richtlinie 7.2 (Identifizierung) für eine Namensnennung geforderten Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es sei offenbar nur darum gegangen, die BF an den Pranger zu stellen.

C. Am 11. August 2021 hat die Geschäftsführung des Presserates der Beschwerdeführerin in Absprache mit dem Präsidium mitgeteilt, auf die Beschwerde werde gemäss Art. 11 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats nicht eingetreten, weil sie offensichtlich unbegründet sei. Gemäss Art. 11 Abs. 3 wurde der Entscheid summarisch begründet und mit dem Hinweis versehen, dass – ebenfalls gemäss Art. 11 Abs. 3 – eine ausführliche Begründung gegen Kostenbeteiligung angefordert werden könne.

D. Die BF hat am 21. September 2021 mit der Zahlung des Kostenbeitrags eine ausführliche Begründung angefordert.

E. Die Geschäftsführerin hat die vorliegende Stellungnahme in Absprache mit dem Presseratspräsidium am 1. November 2021 verfasst.

II. Erwägungen

Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet ist. Das ist in der Einschätzung der Geschäftsführerin und des Präsidiums vorliegend der Fall.

1. Die mit der Beschwerde angerufene Richtlinie 7.1 schützt die Privatsphäre jedes und jeder Einzelnen insbesondere vor Bild- und Tonaufnahmen im Privatbereich. Im konkreten Falle geht es aber vor allem um die – in der Beschwerde ganz am Schluss erwähnte – Richtlinie 7.2, nämlich um die gegebenenfalls unzulässige Identifikation einer Person. Das ist der Sachverhalt, der mit der Beschwerde zur Diskussion gestellt wird. Richtlinie 7.2 erlaubt identifizierende Berichterstattung nur

– sofern die betroffene Person im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Medienberichts öffentlich auftritt oder auf andere Weise in die Veröffentlichung einwilligt;
– sofern eine Person in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht;
– sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht;
– sofern die Namensnennung notwendig ist, um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu vermeiden;
– sofern die Namensnennung oder identifizierende Berichterstattung anderweitig durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.

Diese Richtlinie, überhaupt die «Erklärung» insgesamt, räumt dem Schutz der Privatsphäre und damit auch dem Schutz vor ungerechtfertigter Identifikation einen sehr hohen Stellenwert ein. Dies folgt dem ebenso starken Schutz, den das Zivilrecht der einzelnen Person zukommen lässt. Das alles spiegelt sich denn auch in der Praxis des Presserates, der immer wieder in diesem Sinne entscheidet und ungerechtfertigte Namensnennungen oder andere Formen identifizierender Berichterstattungen rügt.

So ging der Presserat in der Stellungnahme 56/2004 etwa auch davon aus, dass der Nachweis des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht etwa von der beschriebenen Person widerlegt, sondern von der Redaktion nachgewiesen werden muss.

2. Es gibt allerdings Ausnahmen, die sich auf den eben erwähnten Katalog stützen. So zum Beispiel in der jüngst veröffentlichten Stellungnahme 52/2021, in welcher eine Identifizierung als gerechtfertigt beurteilt wurde, obwohl die Betroffenen ihre Identität nicht offenlegen wollten, ihre Gesichter beim Protestieren verbargen. Ihr bewusst auf eine Wirkung in der Öffentlichkeit angelegtes Handeln (Blockierung einer Bankfiliale) liess den Presserat entscheiden, dass ihre Identifizierbarkeit im öffentlichen Interesse gelegen habe. Ebenso in der Stellungnahme 11/2018, welche eine inhaltliche Parallelität zum vorliegenden Fall aufweist. Darin ging es um einen Streit um Bauland, in welchem ein Protagonist nicht genannt sein wollte. Auch dort entschied der Presserat, es liege im öffentlichen Interesse, zu erfahren, wer die Handelnden in der für die Gemeinde wichtigen Auseinandersetzung seien. «Für den Presserat besteht jedoch ein klares öffentliches Interesse daran, dass die Bewohner einer Gemeinde bzw. die Öffentlichkeit über Ausbaupläne des Museums im Ort und auch über die Hintergründe eines Landverkaufs, an dem dieses Museum interessiert war, informiert werden.»

Ähnliches lässt sich im vorliegenden Fall in einem noch weitergehenden Masse feststellen. Die Eigentümerin der beschwerdeführenden Firma «Tisch-Line-Deck-Dich Fäh Glashalle AG» wehrt sich offenbar seit langem gegen eine grosse Überbauung, die einen wesentlichen Teil des Ortszentrums einer Stadt betrifft. Das bewirkt, wie sie in ihrer Beschwerde selber einräumt, ein «grosses öffentliches Interesse» an der Gestaltung eines grossen Bereiches, der, wie sie schreibt, an «prominenter Stelle» liegt. Es geht um den Bau von Wohnungen, Geschäftslokalen, einer Parkgarage, um die Umgestaltung unansehnlicher Bauten und letztlich auch um Fragen der Verkehrsführung. Zunächst geht es aber vor allem darum, ob mitten in Rapperswil eine unansehnliche Brache vorübergehend zum Parkplatz werden soll. Die BF wehrt sich also zum einen gegen die Bauvorhaben insgesamt und im vorliegenden Zusammenhang auch gegen die temporäre Bereitstellung von 80, respektive später 132 Parkplätzen. Mit alledem nimmt sie entscheidend Einfluss auf eine für die Gemeinde, für die Öffentlichkeit stark interessierende Entwicklung mitten im Stadtzentrum. Die BF hat sich damit selber aktiv und mit erheblicher Wirkung in einer öffentlichen Angelegenheit eingebracht. Es besteht ein öffentliches Interesse daran zu wissen, wer diese hinsichtlich des Ortszentrums und seiner Gestaltung derart einflussreiche Rolle spielt.

3. Daran ändert der Umstand nichts, dass die BF «Wert auf Diskretion» gelegt und dass ihr Anwalt einer Nennung des Firmennamens nicht zugestimmt habe.

Wenn ein Journalist bei einer Firma und anschliessend bei deren Anwalt anruft, darauf hinweist, dass er über diesen Fall in der Zeitung berichten wolle, wenn er dann um Stellungnahmen bittet, diese auch erhält, muss er nicht davon ausgehen, dass die Betroffenen – ohne dies zu erwähnen – nicht genannt sein wollen. Hinzu kommt, dass der Journalist dem Diskretions-Bedürfnis der Eigentümerin dennoch weitgehend nachgekommen ist, indem er sie persönlich gar nicht genannt hat. Er nennt nur die Firma, in deren Namen die Frau ihre Einsprachen erhebt. Dies wiederum erscheint doppelt unbedenklich. Zum einen aus dem erwähnten Grund des öffentlichen Interesses an der Nennung derer, die so entscheidend und lange Einfluss nehmen auf die Gestaltung, respektive Nicht-Gestaltung, des Stadtzentrums. Und zum anderen, weil sich Ziffer 7 der «Erklärung» und damit auch die Richtlinien 7.1 (Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung) um den Schutz der Privatsphäre natürlicher, nicht aber juristischer Personen drehen. Die im Artikel erwähnte Firma, die Beschwerdeführerin, ist eine juristische Person.

Die Eigentümerin der BF führt in der Beschwerdebegründung weiter aus, mit der Nennung der Firma sei auch sie selber identifiziert, denn in der Stadt sei ihre Verbindung mit der Firma allgemein bekannt. Zudem sei diese Verbindung mit einer einfachen «Zefix»-Suche leicht zu erfahren. Das trifft so nicht zu: Die Verbindung Eigentümerin – Firma ist, anders als von der BF geltend gemacht, nur schwer zu erkennen für Personen, die dies nicht ohnehin schon wissen. Eine einfache Google-Suche ergibt keinen Hinweis darauf. Zudem ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Leser, die durchschnittliche Leserin, auf welche der Presserat abstellt, während oder nach der Lektüre eines Artikels keine Zefix-Suchen durchführt.

Kurz: Der Name der Eigentümerin ist von der «Linth-Zeitung» nicht veröffentlicht worden und derjenige ihrer Firma durfte genannt werden, auch wenn Teile der Leserschaft damit auf die Eigentümerin als die wirklich Handelnde schliessen konnten. Die Beschwerde ist angesichts all dessen offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.