Nr. 53/2019
Wahrheit / Unterschlagen wichtiger Informationselemente

(X. c. «Freiburger Nachrichten» und «Murtenbieter»)

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I. Sachverhalt

A. Am 31. Juli 2018 publizierten die «Freiburger Nachrichten» einen Artikel mit dem Titel «Das Oberamt stoppt die Gemeinde Greng». Im Lead heisst es: «Die Gemeinde Greng darf keine Parkgebühren mehr verlangen, hat das Oberamt des Seebezirks entschieden. Trotz dieses Beschlusses ist der Clinch zwischen der Gemeinde und einem Bürger noch nicht zu Ende.» Auf der Frontseite derselben Ausgabe erschien eine Kurzversion des Artikels (mit Verweis auf den Haupttext) mit dem Titel «Das Oberamt des Seebezirks pfeift den Gemeinderat von Greng zurück». Dazu ist eine Karikatur abgebildet. Darauf ist ein Polizist zu sehen, der daran ist, einem Auto am Seeweg Greng einen Bussenzettel anzuhaften. Dazu sagt er: «Parkdauer überschritten!» Hinter ihm steht ein Mann im Anzug, der einen Koffer mit der Aufschrift «Oberamt» dabei hat. Er will dem Polizisten einen Briefumschlag zustecken und sagt dazu: «Kompetenzen überschritten!»

Am 3. August 2018 veröffentlichte zudem der «Murtenbieter» eine gekürzte, ansonsten jedoch unveränderte Version des Artikels. Der Titel lautet hier: «Oberamt stoppt die Gemeinde Greng». Die beiden Zeitungen stehen unter derselben publizistischen Leitung.

Im Artikel von Jean-Michel Wirtz geht es um ein Parkplatzreglement in der freiburgischen Gemeinde Greng. Der Gemeinderat habe entschieden, dass auswärtige Besucher ihre Fahrzeuge auf einem bestimmten Parkplatz abstellen und bezahlen müssten, wenn sie länger als sechs Stunden blieben. Das sei insofern bemerkenswert, als die Gemeindeversammlung bei dem Entscheid nicht einbezogen worden sei. Dies habe einem Bürger der Gemeinde missfallen, worauf er sich beim Bezirksoberamt beschwert habe. Das Oberamt habe dem Bürger schliesslich recht gegeben. Das Erheben der Parkgebühr sei «nicht zulässig» gewesen. Der Ammann der Gemeinde Greng wird zitiert, der Gemeindeversammlung werde bald ein neues Parkplatzreglement vorgelegt. Laut seinen Aussagen habe die Gemeinde bis dahin keine Einnahmen durch Gebühren der Besucherparkplätze generiert, nur durch das Vermieten von Dauerparkplätzen. Letzteres sei aus Sicht des Ammanns rechtlich zulässig.

Eine zweite Beschwerde habe das Oberamt abgeschrieben. Der selbe Bürger hatte erfolglos Einsicht ins Parkplatzreglement der Gemeinde verlangt und die Antwort erhalten, ein solches existiere nicht. Das Oberamt entschied hier, mit der Antwort, das Dokument existiere nicht, habe der Bürger die gewünschte Information erhalten. Eine dritte Beschwerde des Bürgers betreffe ein Restaurant, dessen Lokalität die Gemeinde verpachtet habe. Da er diese Kapitalanlage für die Gemeinde als «nicht rentabel» beurteilte, was den Bewohnern verschwiegen werde, habe der Bürger auch hier Einsicht in entsprechende Dokumente verlangt. Dies habe der Gemeinderat verweigert. Der Ammann bestreite die fehlende Rentabilität des Restaurants. Das Lokal werde erfolgreich betrieben und der Mieter bezahle monatlich den Pachtzins, wird er zitiert.

Der Bürger gelangte an den Oberamtmann. Dieser kam zum Schluss, es werde keine Untersuchung eingeleitet, dafür seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Das Gesuch des Bürgers bezüglich des Restaurants hätte die Gemeinde jedoch gemäss kantonalem Gesetz behandeln müssen. Dieses schreibe vor, das Verweigern einer Auskunft sei zu begründen. Schliesslich werden sowohl der Bürger als auch der Gemeindeammann zitiert, die die Beschwerden abschliessen und hinter sich lassen wollen.

In einer separaten Box zum Artikel ist zudem aufgeführt, beide Parteien (der Bürger versus alle fünf Gemeinderäte Grengs) hätten Strafanzeige eingereicht. Der Bürger werfe der Gemeinde «Begünstigung, Korruption, Nötigung und Hausfriedensbruch» vor. Die Vorwürfe der Gemeinderäte lauteten «Ehrverletzung, inbesondere Verleumdung und/oder üble Nachrede, eventuell Beschimpfung». Der Bürger habe die Einladung des Oberamtes zur gesetzlich vorgeschriebenen Versöhnungsverhandlung abgelehnt.

B. Am 17. Oktober 2018 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel der «Freiburger Nachrichten» vom 31. Juli 2018 respektive des «Murtenbieter» vom 3. August 2018 ein. Er macht eine Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) und Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Informationselemente) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») geltend. X. führt aus, der Journalist habe gegenüber den von seiner Recherche betroffenen Personen und der Öffentlichkeit das Fairnessprinzip (gemäss Präambel der «Erklärung») missachtet. Er ist der Ansicht, Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung seien im Artikel «aufgebauscht» worden. Die zentralen Forderungen des Bürgers, die das Oberamt eindeutig abgewiesen habe, kämen hingegen nur «am Rande oder überhaupt nicht zur Sprache». Die Texttitel und die Karikatur auf der Frontseite stünden «in keinem Verhältnis zu den zentralen Aussagen des Oberamtmanns». Die Öffentlichkeit erfahre nicht die Wahrheit und werde nicht über alle wichtigen Elemente des Sachverhalts informiert. Letztlich sei kein Wille zu einer ausgewogenen Berichterstattung ersichtlich. Beim Gegenlesen der Textstellen seien «nicht alle beteiligten Parteien gleichbehandelt worden», der Gemeindeammann habe nur zu seinem Aussageteil Stellung beziehen dürfen.

C. Am 7. Dezember 2018 reichten die «Freiburger Nachrichten» im Namen beider betroffenen Zeitungsredaktionen ihre Beschwerdeantwort ein. Sie vertritt den Standpunkt, den Sachverhalt im beanstandeten Artikel vollständig, korrekt und mit der nötigen Sorgfalt wiedergegeben zu haben. Die Vorwürfe der unausgewogenen Berichterstattung und der Verletzung des Fairnessprinzips weisen die «Freiburger Nachrichten» zurück. Beide Parteien seien vor der Publikation um eine Stellungnahme gebeten und im Artikel zitiert worden. Der Text sei in neutralem Stil als Bericht verfasst und stelle sich auf keine der beiden Seiten. Ausserdem führe der Beschwerdeführer nicht im Detail aus, womit das Fairnessprinzip verletzt sei. Weiter sei es üblich und legitim, Titel auf eine klare Aussage zuzuspitzen. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen, die Titel seien aber weder irreführend noch inhaltlich falsch. Die Karikatur zeige «auf eine gelungene Art und Weise symbolisch die Intervention des Oberamtes in Greng». Inhaltlich gebe der Artikel die Beschlüsse des Oberamts vollständig und korrekt wieder. Damit habe der Journalist seine Wahrheitspflicht erfüllt, keine wichtigen Informationselemente unterschlagen oder Tatsachen entstellt. Bei der Autorisierung der Zitate seien der Bürger und der Gemeindeammann vollkommen gleichbehandelt worden. Beide haben laut Beschwerdegegnerin die jeweiligen Textabschnitte, in denen sie erwähnt werden, gegengelesen.

D. Am 17. Dezember 2018 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 23. September 2019 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten. Sie lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. Beschwerdeführer X. ist der Ansicht, die Berichterstattung der «Freiburger Nachrichten» respektive des «Murtenbieter» falle nicht vollständig wahrheitsgetreu aus. Als Begründung führt er an, die Texttitel und die Karikatur auf der Frontseite stünden in keinem Verhältnis zur Entscheidung des Oberamtmanns. Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung seien dagegen aufgebauscht. Die «Freiburger Nachrichten» weisen den Vorwurf zurück. Dass Titel zugespitzt werden, sei üblich und legitim. Es ergebe sich keine irreführende oder falsche Aussage daraus. Auch die auf der Frontseite abgebildete Karikatur passe zum Textinhalt. Die Fakten im Artikel seien allesamt korrekt. Der Journalist habe komplett wahrheitsgetreu berichtet. Aus Sicht des Schweizer Presserats sind die verwendeten Titel sowie die Karikatur unproblematisch. Beide Titel entsprechen der Wahrheit. Die vorgenommene leichte Zuspitzung ist zulässig. Der Journalist ist bei seiner Recherche mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen: Die relevanten Dokumente und Personen hat er konsultiert. Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) bzw. Ziffer 1 der «Erklärung» wurde hier nicht verletzt.

2. Zweitens rügt X., der Journalist habe der Öffentlichkeit gegenüber wichtige Informationselemente unterschlagen (Ziffer 3 der «Erklärung»). Dazu führt er aus, die zentralen Forderungen des Bürgers, die der Oberamtmann klar abgewiesen habe, seien ungenügend zur Sprache gekommen. Die Beschwerdegegnerin weist den Vorwurf zurück. Im Artikel seien die drei beanstandeten Punkte vollständig aufgelistet, inklusive der Beschlüsse des Oberamtmanns. Der erste der drei Punkte, jener zum fehlenden Parkplatzreglement, sei der bedeutsamste. Aus Sicht des Presserats ist es legitim, das fehlende Parkplatzreglement der Gemeinde im Artikel am stärksten zu gewichten. Wie einer Pressemitteilung der Gemeinde Greng sowie der schriftlichen Stellungnahme des Oberamtmanns zu entnehmen ist, hat der genannte Bürger über die drei erwähnten Beschwerden hinaus keine weiteren Anträge eingereicht. Der Bericht des Journalisten war in dieser Hinsicht somit lückenlos. Der Beschwerdeführer präzisiert denn auch nicht näher, welche zentralen Informationselemente unterschlagen worden sein sollen. Im Ergebnis ist somit Ziffer 3 der «Erklärung» nicht verletzt.

3. Schliesslich macht der Beschwerdeführer eine fehlende Ausgewogenheit in der Berichterstattung geltend. Die beiden Parteien seien beim Gegenlesen der Zitate nicht gleich behandelt worden. «Dass die beiden Textbeiträge von den beteiligten Personen gegengelesen werden konnten, stimmt nicht. Der Gemeindeammann konnte nur Stellung zu seinem Part beziehen.» Dem entgegnen die «Freiburger Nachrichten», von beiden Streitparteien sei jeweils eine Partei angehört und schliesslich zitiert worden, was einer ausgewogenen Berichterstattung entspreche. Sowohl der Gemeindeammann als auch der Bürger hätten ihre eigenen Zitate mitsamt der zugehörigen Textabschnitte gegengelesen. Dafür hätten sie genügend Zeit erhalten. Die «Freiburger Nachrichten» räumen allerdings ein, den Anpassungswünschen des Gemeindeammanns nicht vollständig nachgekommen zu sein.

Der Presserat hält fest, dass Journalisten nicht zwingend zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet sind. Überdies kann die Redaktion durch vorgelegte E-Mail-Verläufe belegen, beiden Seiten die Zitate vorgelegt zu haben. Der Unterschied besteht darin, dass der Bürger bei den Zitaten keine Änderungswünsche anbrachte, der Gemeindeammann hingegen schon. Gemäss der zur «Erklärung» gehörenden Richtlinie 4.5 (Interview) darf eine interviewte Person offensichtliche Irrtümer im Text korrigieren. Den Ergänzungswünschen des Ammanns kam die Redaktion nach, den Streichungswünschen nicht. Dieses Vorgehen der Redaktion ist nicht zu beanstanden. Richtlinie 4.5 wurde somit nicht verletzt.

4. Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf verschiedene der bereits genannten Punkte überdies geltend, das in der Präambel der «Erklärung» statuierte Prinzip der Fairness sei verletzt. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, beide Parteien seien vor der Publikation um eine Stellungnahme gebeten und im Artikel zitiert worden. Für den Presserat ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Fairnessprinzip in Bezug auf die oben dargelegten und erläuterten Kritikpunkte eine eigenständige Bedeutung zukommen könnte. Auch diese Rüge ist somit als unbegründet abzuweisen.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Die «Freiburger Nachrichten» und «Der Murtenbieter» haben mit dem Artikel «Das Oberamt stoppt die Gemeinde Greng» vom 31. Juli 2018 («Freiburger Nachrichten») respektive «Oberamt stoppt die Gemeinde Greng» vom 3. August 2018 («Der Murtenbieter») die Ziffern 1 (Wahrheitsgebot), 3 (Unterschlagen wichtiger Informationselemente) und 4 (Interview) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.