Nr. 50/2019
Wahrheit / Trennen von Fakten und Kommentar / Anhören bei schweren Vorwürfen / Unlautere Methoden / Recht am eigenen Bild

(Ringana GmbH c. «Tages-Anzeiger» und «Der Bund»)

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I. Sachverhalt

A. Am 27. Juli 2018 publizierten der «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» den Artikel «So verdient die Familie Ringana Millionen». Der Lead lautet: «Multi-Level-Marketing, bekannt von Tupperware, ist in der Kosmetikbranche angekommen. Mit welchen Methoden Firmen arbeiten, zeigt das Beispiel der stark wachsenden Firma Ringana.» Der Artikel berichtet von den Aktivitäten der Firma Ringana mit Sitz in Österreich, die via Direktvertrieb Kosmetikprodukte verkauft. An einem Informationsanlass der Firma werde der Kommunikationsstil, mit dem die Firma potenzielle Mitarbeiterinnen anwirbt, deutlich. Bei jeder Gelegenheit werde von der «Ringana-Familie» gesprochen, wenn es um das Unternehmen gehe.

Danach geht der Artikel vertieft auf die generelle Funktionsweise des Multi-Level-Marketings (MLM) ein. Der Artikel weist auf problematische Aspekte des MLM hin. Zwar boome das Geschäft, doch würden sich einige MLM-Firmen «am Rande der Legalität» bewegen. Im Fall der Ringana GmbH seien beim Staatssekretariat für Wirtschaft bisher zwei Beschwerden eingegangen. Beide befürchten, die Firma betreibe ein «illegales Schneeballsystem». Ein solches wäre «gemäss dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb widerrechtlich». MLM-Firmen setzten laut dem Artikel auf zwei Anreize: die Möglichkeit auf ein schnelles Zusatzeinkommen und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Die jährlichen Grossanlässe der Ringana würden an eine «hippe Freikirche» erinnern. Die Vertriebsleiterin der Ringana wird mit der Aussage zitiert, die Firma habe nichts Sektenhaftes, sondern eine gute Unternehmenskultur, in der die Angestellten Spass an der Arbeit hätten.

In der Fortsetzung kommen zwei Personen zu Wort, die sich negativ über das Unternehmen äussern. Eine «Co-Administratorin einer Facebook-Gruppe für Veganer» empfinde die Kommentare und Nachrichten von Ringana-Vertreterinnen als «nervtötend». Eine zum Zeitpunkt der Publikation noch aktive Mitarbeiterin der Firma gibt Einblick in ihre Tätigkeiten. Es sei sehr schwierig, eine gute Provision zu erreichen, zudem würden die Vorgesetzten viel Druck ausüben, wird sie zitiert. Interne Schulungsunterlagen zeigten weiter, dass Ringana einen komplexen Provisionsschlüssel benutze. Die Autorin folgert, das Unternehmen lasse «keine Träume vom schnellen Geld in Erfüllung» gehen. Eine Wirtschaftswissenschaftlerin kommt ebenfalls zu Wort. Gemäss ihren Aussagen seien schleierhafte Informationen über mögliche Einkünfte sowie undurchsichtige Strukturen typisch für MLM-Firmen. Zudem komme es oft vor, dass hochrangige Mitglieder durch interne Schulungen und Workshops mehr verdienten als durch Einnahmen aus Produktverkäufen.

Weiter habe die Journalistin versucht, den Geschäftsführer des Unternehmens zu erreichen. Dieser sei laut Aussagen seines Anwalts aber ausschliesslich am Unternehmenssitz in Österreich zu sprechen. Später habe der Geschäftsführer doch noch schriftlich geantwortet und dabei das Unternehmen verteidigt. Falls sich Angestellte unangemessen verhielten, würde aber das Gespräch gesucht und allenfalls ein Ausstieg nahegelegt, wird der Geschäftsführer zitiert. Abschliessend kommt nochmals die Wissenschaftlerin zu Wort. Laut ihren Aussagen müsse «der Gesetzgeber aktiv werden», um in dem Bereich mehr Transparenz zu schaffen.

B. Am 21. August 2018 reichte die anwaltlich vertretene Ringana GmbH beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel vom 27. Juli 2018 ein. Sie macht Verletzungen der Ziffer 1 (Wahrheit), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 4 (unlautere Methoden bei der Informationsbeschaffung) und 7 (Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») geltend.

Die Pflicht zur Wahrheitssuche (Ziffer 1, Richtlinie 1.1) sei verletzt, weil die Journalistin bei der Recherche selektiv vorgegangen sei. Im Artikel seien zwar die beiden Beschwerden gegen die Ringana beim Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft erwähnt. Der Artikel verschweige aber die «zahlreichen Verfahren wegen unlauterer Geschäftspraktiken», die gegen andere Unternehmen der Branche liefen oder schon abgeschlossen seien. Die «Bilanz» der Beschwerdeführerin sei in Relation zur absoluten Zahl eingegangener Beschwerden «geradezu vorbildlich». Die Journalistin sei über diese Tatsachen vorgängig informiert worden, sie habe die Hinweise aber nicht beachtet.

Weiter rügt die Beschwerdeführerin, der Text unterscheide nicht klar zwischen Fakten und Kommentar, damit sei Richtlinie 2.3 verletzt. Die Aussagen des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin stünden im Konjunktiv. Dies impliziere, sie seien weniger stark zu gewichten als die im Text aufgeführten Vorwürfe, welche als Tatsachen dargestellt seien. Ausserdem verletze der Artikel auch die Pflicht zur Anhörung bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8). Die Beschwerdeführerin habe zu den «schweren Vorwürfen» der Mitarbeiterin des Unternehmens sowie der Co-Administratorin einer Facebook-Gruppe nicht Stellung nehmen können.

Die Ringana sieht ausserdem mehrere der zu Ziffer 4 (unlautere Methoden) der «Erklärung» gehörenden Richtlinien verletzt. Die Journalistin habe einen Informationsanlass der Ringana GmbH besucht, sich dabei unter falschem Namen angemeldet und ihre Tätigkeit als Journalistin nicht offengelegt. Damit sei Richtlinie 4.1 missachtet worden. Weiter habe die Journalistin Richtlinie 4.5 (Interview) verletzt, indem sie die Korrektur eines Zitats durch die Ringana-Mitarbeiterin nicht wortgetreu übernommen habe. Schliesslich habe es die Autorin unterlassen, ihre Interviewpartner über das Ziel ihrer Recherchegespräche zu informieren. Sie habe mehrmals betont, keinen Artikel zu verfassen, der die Ringana GmbH mit Methoden und Ideologien von Sekten in Verbindung bringe. Der Bericht sei aber klar diskreditierend ausgefallen. Darin sieht die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche).

Letztlich sei zusammen mit dem Artikel ein Bild erschienen, welches eine fehlleitende Aussagekraft habe. Auf dem Bild seien die beiden Geschäftsführer der Beschwerdeführerin abgebildet, dahinter ist das Bürogebäude zu sehen. Dieses mute «wie ein herrschaftliches Gut» an. Tatsächlich sei die Ringana aber «nur Mieterin» der Liegenschaft. Weiter sei das Bild in einem anderen Kontext zu einem früheren Zeitpunkt entstanden. Die Zustimmung zur Veröffentlichung dieses Bildes hätten die beiden abgebildeten Personen in diesem Fall nicht gegeben, wenn sie davon gewusst hätten. Damit liege eine Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» (Privatsphäre / Recht am eigenen Bild) vor.

C. Am 14. Dezember 2018 nahm der Rechtsdienst der Tamedia im Auftrag des «Tages-Anzeiger» zur Beschwerde Stellung. Er beantragt deren Abweisung, soweit darauf einzutreten sei. Den Vorwurf der selektiven Recherche weist die Beschwerdegegnerin zurück. Es sei für den Artikel irrelevant, wie viele Klagen gegen andere Unternehmen der Branche eingegangen seien. Die im Artikel zitierte Wissenschaftlerin äussere sich allgemein zu MLM-Unternehmen und nicht nur zur Beschwerdeführerin. Die wichtigsten Aussagen aus der Recherche seien für die Publikation berücksichtigt worden.

Den Vorwurf, die Journalistin habe Fakten mit ihrer persönlichen Meinung vermischt, weist Tamedia ebenfalls zurück. Der Artikel sei «als Reportage gekennzeichnet», diese Textgattung beinhalte kommentierende Elemente. Zudem bestehe innerhalb des Artikels eine klare Trennung zwischen Beobachtungen der Journalistin und Passagen, in denen Drittpersonen zu Wort kommen. Gleichfalls unbegründet sei der Vorwurf, die Beschwerdeführerin sei zu schweren Vorwürfen nicht angehört worden. Einerseits habe die Journalistin Einsicht in Dokumente erhalten, die die erhobenen Vorwürfe stützten. Andererseits habe die Ringana via ihre Vertriebsleiterin sowie auf schriftlichem Weg Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Richtlinie 4.1 hält Medienschaffende dazu an, sich bei Recherchen als solche zu erkennen zu geben. Die Redaktion weist den Vorwurf zurück, diese Richtlinie verletzt zu haben. Der Informationsanlass sei für alle Interessierten frei zugänglich gewesen. Die Richtlinie zur Offenlegung des Berufs diene primär dazu, Interviewpartner davor zu schützen, dass deren persönliche Ansichten ohne ihr Wissen an die Öffentlichkeit gelangten. Ausserdem bestehe keine Pflicht, sich während einer Recherche als Journalistin zu erkennen zu geben, solange die Informationen ohnehin allen zugänglich seien. Zum Vorwurf der Entstellung von Zitaten (Richtlinie 4.5) hält die Beschwerdegegnerin fest, sie habe der anwaltlichen Vertretung der Firma die bereits abgeschwächten Zitate so, wie sie im Text verwendet wurden, vorgelegt. Darauf sei der Anwalt der Beschwerdeführerin in einer weiteren E-Mail-Nachricht nicht mehr eingegangen. Somit weist die Redaktion auch diesen Vorwurf zurück. Gleiches gilt für die Richtlinie 4.6. Die Journalistin habe ihr Rechercheziel offengelegt und sei ihrer Pflicht zu einer fairen Berichterstattung nachgekommen. Die Behandlung kritischer Themen habe die Autorin zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen. Für das Ablehnen der Einladung an den Firmenhauptsitz in Österreich führt die Beschwerdegegnerin Zeit- und Budgetgründe auf. Diese seien von Beginn der Korrespondenz an kommuniziert worden.

Schliesslich schreibt die Beschwerdegegnerin auch zum Vorwurf der Persönlichkeitsverletzung, dieser sei zurückzuweisen. Sie habe sich die Nutzungsrechte am Bild auf gewöhnlichem Weg beschafft, den Zweck stets klar benannt und die Lizenzgebühr bezahlt. Es handle sich nicht um ein Symbolbild, sondern stehe in direktem Zusammenhang mit dem Artikel. Welche Wirkung das Gebäude im Hintergrund erziele, könne unterschiedlich interpretiert werden.

D. Am 18. Januar 2019 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 23. September 2019 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten. Sie lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. Die Ringana GmbH moniert eine Verletzung der Wahrheitspflicht, weil die Journalistin bei der Recherche selektiv vorgegangen sei. Sie habe die beiden Beschwerden gegen die Tätigkeiten des Unternehmens nicht in den Kontext der gesamten Branche gestellt und damit Teile der Wahrheit verschwiegen. Der «Tages-Anzeiger» argumentiert demgegenüber, die Zahl der Beschwerden gegen andere Unternehmen der Branche sei für den Artikel irrelevant. Aus Sicht des Presserats wäre die Wahrheitspflicht dann verletzt, wenn einzelne Elemente im Artikel nicht stimmen würden. Dies macht die Beschwerdeführerin jedoch nicht geltend. Aus dem Umstand allein, dass die beiden gegen die Ringana erhobenen Klagen nicht in Relation zu den Verfahren wegen unlauterer Geschäftspraktiken gegen andere Unternehmen der Branche gesetzt würden, kann keine Verletzung der Wahrheitspflicht abgeleitet werden. Ziffer 1 der «Erklärung» ist somit nicht verletzt.

2. Zu fragen ist als zweites, ob die Journalistin Tatsachen mit ihrer (persönlichen) Meinung vermischt und damit Richtlinie 2.3 verletzt hat. Richtlinie 2.3 verpflichtet Journalistinnen und Journalisten, darauf zu achten, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, den Aussagen ihres Geschäftsführers sei im Artikel weniger Gewicht zugemessen worden als den Aussagen der zitierten Personen, die das Unternehmen kritisieren. Zudem würden sie bloss im Konjunktiv wiedergegeben. Die Redaktion hält fest, die Textgattung der Reportage beinhalte kommentierende Elemente. Der Artikel sei klar als Reportage gekennzeichnet. Der Presserat stellt fest, dass der Geschäftsführer in einem ersten Schritt nicht selber Stellung genommen hat, sondern seinen Anwalt hat antworten lassen. Dessen Aussagen werden völlig korrekt in indirekter Rede zitiert. Die später erfolgten schriftlichen Antworten sind mit Anführungs- und Abführungszeichen ebenfalls korrekt zitiert und für Leserinnen und Leser als Aussagen des Geschäftsführers der Ringana GmbH erkennbar. Für den Presserat liegt somit keine Verletzung der Richtlinie 2.3 vor.

3. Die Beschwerdeführerin macht weiter eine Verletzung von Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) geltend. Die Journalistin habe die Ringana GmbH zu den Vorwürfen der im Artikel zitierten Personen, die sich kritisch über das Unternehmen äussern, nicht angehört. Tamedia entgegnet, die Vertreterin der Firma sei mit den Vorwürfen konfrontiert worden und habe Gelegenheit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Ausserdem habe die Journalistin Einsicht in Dokumente erhalten, die die Vorwürfe stützten. Von schweren Vorwürfen Betroffene sind gemäss Richtlinie 3.8 vor der Publikation anzuhören. Betroffene sollen sich angemessen äussern können und die Stellungnahme ist im gleichen Bericht wiederzugeben. Aus Sicht des Schweizer Presserats handelt es sich bei den Vorwürfen aber um keine schweren Vorwürfe im Sinne der Medienethik. Der Ringana GmbH wird kein illegales oder besonders unredliches Verhalten unterstellt. Konkret wird der Firma von Dritten «nervtötendes» Verhalten von Ringana-Mitarbeiterinnen auf sozialen Netzwerken vorgeworfen, andererseits ist von Erfolgs- und Verkaufsdruck die Rede, den die Mentorinnen neuen Mitarbeiterinnen auferlegten, sowie von angeblich falschen Versprechen, was mögliche Einkünfte und Aufstiegsmöglichkeiten betrifft. Die Richtlinie 3.8 wurde damit nicht verletzt.

4. a) In vierter Hinsicht moniert die Beschwerdeführerin, die Autorin habe in ihrer Recherche unlautere Methoden nach Ziffer 4 der «Erklärung» angewandt. Richtlinie 4.1 (Verschleierung des Berufs) sei verletzt, weil die Journalistin beim Besuch eines Informationsanlasses der Ringana GmbH ihren Beruf nicht offengelegt habe. Die Redaktion beruft sich auf das Recht der Journalistin, eine öffentlich frei zugängliche Veranstaltung zu besuchen, ohne dabei ihren Beruf offenlegen zu müssen. Für den Presserat ist dieser Besuch nicht als verdeckte Recherche zu werten. Der Besuch der öffentlichen Veranstaltung, aus der die Journalistin Informationen gewann und ihre Eindrücke dokumentierte, verlangte nicht nach einer Offenlegung ihres Berufs. Die Informationsbeschaffung an diesem Anlass war für jede interessierte Person ohne weiteres möglich. Richtlinie 4.1 wurde nicht verletzt, Richtlinie 4.2 (verdeckte Recherchen) kommt nicht zur Anwendung.

b) Weiter macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Richtlinie 4.5 (Interview) sowie von Ziffer 3 (Entstellen von Tatsachen) der «Erklärung» dadurch geltend, dass die Journalistin die verlangten Änderungen in den Aussagen der zitierten Mitarbeiterin nicht wortgetreu übernommen habe. Gemäss Richtlinie 4.5 dürfen interviewte Personen beim Autorisieren von Zitaten Irrtümer korrigieren. Die Mitarbeiterin der Ringana GmbH wünschte eine Anpassung ihres Zitats in folgender Weise: «Eine Art Lebensschule ja, jedoch nicht in allen Bereichen. Es ging immer nur um das Ringana Business». Im Artikel steht die Aussage als indirektes Zitat: «Als Mentorin biete sie ihren Teampartnern oft eine Art Lebensschule und helfe in verschiedensten Bereichen». Die Ringana GmbH stört sich daran, dass die Eingrenzung der Aussage auf den geschäftlichen Bereich nicht vollzogen worden sei. Die Beschwerdegegnerin hält dagegen, die Autorin sei dem Wunsch der zitierten Vertreterin nachgekommen, das Zitat zu ändern. Auf den neuerlichen Artikelentwurf habe sie keine Reaktion erhalten und habe damit angenommen, das Zitat sei genehmigt.

Nach Einschätzung des Presserats ist die Journalistin zunächst ihrer Pflicht nachgekommen, Zitate der interviewten Person zur Autorisierung vorzulegen. Den neuerlichen Entwurf des Zitats verschickte dann nicht die Journalistin selbst an die anwaltliche Vertretung der Ringana GmbH, sondern ein Rechtsanwalt der Tamedia. Dabei begründete dieser, weshalb die Journalistin dem Wunsch der zitierten Mitarbeiterin nicht exakt nachkomme. Auf die Eingrenzung der Aussage auf den geschäftlichen Bereich geht der Anwalt aber nicht ein. Laut Richtlinie 4.5 darf die Gesprächspartnerin beim Gegenlesen einen offensichtlichen Irrtum korrigieren. Um einen solchen handelt es sich hier nicht, der Inhalt der Aussage bleibt ähnlich. Gemäss Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche) darf eine Journalistin Statements ihrer Gesprächspartner bearbeiten und kürzen, soweit dies die Äusserungen nicht entstellt. Zwar macht die Eingrenzung der Aussage auf den geschäftlichen Bereich einen inhaltlichen Unterschied aus. Hintergrund der Aussagen der zitierten Mitarbeiterin bleibt jedoch immer das Geschäftsmodell von Ringana. Im Ergebnis sind somit die Richtlinien 4.5 und 4.6 respektive Ziffer 3 der «Erklärung» nicht verletzt.

c) Ausserdem sieht die Beschwerdeführerin Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche) unter dem Aspekt des Vorspiegelns eines anderen Rechercheziels missachtet. Die Journalistin habe im Vorfeld explizit versichert, keinen Artikel zu schreiben, der die Firma in Verbindung mit sektenähnlichen Methoden oder Ideologien bringe. Letztlich sei die Berichterstattung aber diskreditierend ausgefallen, das Unternehmen müsse als Negativbeispiel einer ganzen Branche herhalten. Der «Tages-Anzeiger» ist der Ansicht, die Sachlage sei im Artikel fair wiedergegeben. Die Journalistin habe zu keiner Zeit versprochen, nicht kritisch zu schreiben. Der erste zugestellte Fragekatalog habe bereits aufgezeigt, dass auch kritische Aspekte zur Sprache kämen. Die Beschwerdeführerin habe zudem genügend Zeit für die Antworten erhalten. Der Presserat ist der Ansicht, die journalistische Sorgfaltspflicht und damit die genannte Richtlinie seien hier nicht verletzt worden. Die Journalistin hat den Anwalt der Ringana über ihr Rechercheziel informiert, was gemäss Richtlinie 4.6 ihre Pflicht ist. Aus ihrem Fragekatalog geht hervor, dass auch kritische Aspekte in den Artikel einfliessen. Der Bericht fällt durchaus kritisch aus, ist aber nicht explizit darauf ausgelegt, das Unternehmen als sektenähnliche Organisation abzubilden. Der Beschwerdeführerin wurden keine falschen Tatsachen vorgespiegelt, Richtlinie 4.6 ist damit nicht verletzt.

5. Schliesslich moniert die Ringana GmbH eine Verletzung der Privatsphäre nach Ziffer 7 der «Erklärung». Insbesondere die Richtlinie 7.1 (Recht am eigenen Bild) sieht sie als verletzt an. Zum Artikel sei ein Foto der beiden Geschäftsführer des Unternehmens publiziert. Diese hätten das Einverständnis für dieses Bild nicht gegeben, hätten sie um die «negative Berichterstattung» gewusst. Das Bild sei zu einem früheren Zeitpunkt im Zusammenhang mit einem Artikel einer anderen Zeitung entstanden. Zudem wirke das Bürogebäude der Firma auf dem Bild wie ein Herrschaftsgut, tatsächlich sei die Ringana GmbH dort nur Mieterin. Die Beschwerdegegnerin entgegnet, das Bild habe nicht bloss Symbolcharakter, sondern zeige wahrheitsgetreu die Geschäftsführer des Unternehmens. Die Lizenzgebühr für die Verwendung des Bilds sei bezahlt worden. Der Schweizer Presserat sieht in der Veröffentlichung dieses Bildes keine Verletzung von Richtlinie 7.1. Das beanstandete Bild ist mit ausdrücklichem Einverständnis der beiden darauf gezeigten Personen entstanden. Auch mit dem Aufnahmeort waren die beiden ganz offensichtlich einverstanden. Die dazu verfasste Bildlegende («Ihre Vertriebspartnerinnen bezeichnen die Firma als ‹Familie›. Ringana-Chef Andreas Willinger und Geschäftspartnerin sowie Lebensgefährtin Ulla Wannemacher.») gibt den Bildinhalt korrekt wieder. Auch wenn das Foto im Zusammenhang mit einem früher publizierten Artikel entstanden ist, so passt es zum hier diskutierten Text. Das Recht am eigenen Bild wurde damit respektiert. Das Einverständnis für ein Foto kann zudem nicht an die Tonalität des zugehörigen Artikels gebunden sein.

III. Feststellungen

1. Der Schweizer Presserat weist die Beschwerde ab.

2. «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» haben mit dem Artikel «So verdient die Familie Ringana Millionen» vom 27. Juli 2018 die Ziffern 1 (Wahrheitsgebot), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 4 (Unlautere Methoden bei der Informationsbeschaffung) und 7 (Recht am eigenen Bild) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.