I. Sachverhalt
A. 25. September 2019 erschien im «Urner Wochenblatt» ein Artikel unter dem Titel «Das Eis im Innern der Urner Berge», verfasst von Elisa Hipp. Der Untertitel lautete «Erderwärmung / Wie geht es dem Permafrost im Kanton Uri?». Im Lead wird vorausgeschickt: «Noch gibts Permafrost im Kanton Uri. Aber der taut auf. Führt das zu Problemen? Hier eher weniger, meint die Abteilung Naturgefahren Uri. Aber ein Gebäude ist in Gefahr.»
Im Anschluss geht die Autorin verschiedenen einzeln aufgelisteten Fragen nach wie: «Wo gibt es im Kanton Uri noch Permafrost?», «Wie hat sich der Permafrost in den vergangenen Jahren entwickelt?», «Gibts hier in ein paar Jahren überhaupt noch Permafrost?» oder «Wie wird am Gemsstock gemessen und wie hat sich da die Bodentemperatur entwickelt?». Die Fragen richtet Hipp an zwei Auskunftspersonen, den Leiter der Abteilung Naturgefahren beim Kanton Uri und ein Mitglied der Forschungsgruppe Permafrost und Schneeklimatologie am Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. Ihre Antworten werden zum Teil in direkter, zum Teil in indirekter Rede wiedergegeben. Man erfährt von ihnen, wo im Kanton Permafrost vorkommt, dass dieser sich je nach Lage und Umgebung stärker und konstanter erwärme, oder aber auch weniger stark und nur in schwankenden Temperaturverläufen. Angesichts des trägen Reagierens des Bodens sei damit zu rechnen, dass die Erwärmung sehr schleppend vor sich gehe, dass man damit also noch lange zu tun haben werde. Im Kanton Uri komme Permafrost nur weit abseits der Siedlungsgebiete vor, deshalb seien keine grossen Probleme zu beobachten oder zu erwarten. Nur ein einziges Haus im Kanton sei gefährdet, die Bergstation auf dem Gemsstock. Dort werde der obere Teil des Gletschers jedes Jahr abgedeckt, nicht nur als Grundlage für die Skipiste, sondern auch um das Gebäude zu sichern. Dort oben werde die Temperatur in einem Bohrloch im Berg gemessen, die Temperatur habe sich in der Tiefe des Felses relativ konstant erwärmt. Ob es wegen Permafrost insgesamt mehr Steinschlag gebe, sei schwierig zu sagen, beim einzelnen Ereignis sei kaum zu eruieren, woran genau es gelegen habe, dass Stein sich löste.
B. Am 10. Dezember 2019 erhob X. Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen den Artikel mit der Begründung, er verstosse gegen die Ziffern 1 (Wahrheitssuche), 3 (Umgang mit Quellen, Unterschlagen wichtiger Informationen) und 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) macht geltend, der Artikel stelle die Gefährdungslage falsch dar. Er beinhalte «katastrophierende Bilder», («manchmal sind aber auch Gebäude in Gefahr, weil ihnen buchstäblich der Boden unter den Fundamenten wegbricht»), ein Bohrloch, in welchem Erwärmung gemessen werde, zeige in Tat und Wahrheit keine konstante Erwärmung, noch sei es überhaupt im Permafrost gelegen, auch das im Artikel erwähnte einzige Gebäude, das vom tauenden Permafrost «bedroht» sei, liege gar nicht in diesem und die Abdeckung des Gletschers dort diene nicht dazu, die einsturzgefährdete Bergstation zu retten, sondern dazu, den Zugang der Skifahrer auf den Gletscher zu gewährleisten. Er habe das «Wochenblatt» mehrfach auf die Fehler im Bericht hingewiesen, die Autorin habe ihm in der Antwort bedeutet, dass man das nicht so genau nehmen müsse, schliesslich sei der Artikel keine wissenschaftliche Publikation. Auch die zitierten Experten habe er darauf hingewiesen, dass ihr Verhalten unverantwortlich sei, dass sie wesentlich präzisere Angaben zu machen hätten. Der BF legt der Beschwerde seine Schriftwechsel mit der Redaktorin, dem Chefredaktor, den beiden Experten und einer weiteren Person beim SLF bei.
C. Am 13. Januar 2020 beantragte der Chefredaktor des «Urner Wochenblatt», Markus Arnold, Abweisung der Beschwerde, sofern überhaupt darauf eingetreten werde. Er erklärt, der fragliche Artikel sei publiziert worden, nachdem das SLF eine Permafrostkarte online gestellt habe. Redaktorin Hipp habe daraufhin zwei Experten über die Entwicklung beim Permafrost und über die Konsequenzen im Kanton Uri befragt, deren Antworten direkt oder indirekt zusammengefasst und das Ganze den beiden zum Gegenlesen unterbreitet. Es seien keine Beanstandungen eingegangen, es habe auch sonst keinen Anlass gegeben, an den Aussagen zu zweifeln, woraus sich allenfalls ein Grund für eine Nachrecherche ergeben hätte.
Im Einzelnen stellt er fest, die Bergstation Gemsstock stehe, anders als vom BF behauptet, sehr wohl auf Permafrost, zum Beleg dafür wird ein Ausschnitt aus der Permafrostkarte beigelegt. Die Gletscherabdeckung am Gemsstock diene sehr wohl auch dem Schutz der Bergstation, dafür verweist er auf frühere Aussagen von Experten.
Die Autorin des Artikels habe dem BF nicht geantwortet, «dass man es damit nicht genau nehmen müsse», sondern sie habe ihn auf den Unterschied hingewiesen zwischen einem Zeitungsartikel und einer wissenschaftlichen Arbeit.
Und das «Wochenblatt» habe dem BF zweimal innerhalb eines Monats Gelegenheit gegeben, seine Meinung im Blatt kundzutun. Einmal sogar mit einem unüblich langen Leserbrief von gegen 7000 Zeichen.
D. Der Presserat teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 26. Juni 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Ziffer 1 der «Erklärung» verpflichtet die Journalistinnen und Journalisten, sich an die Wahrheit zu halten. Der Beschwerdeführer nennt zwar nicht die Textstellen, die seiner Ansicht nach die Wahrheitspflicht verletzten, er erwähnt aber zunächst, dass sprachlich «katastrophierende Bilder» verwendet würden, dass dramatisiert werde und macht dafür ein einziges Beispiel. Dieses spricht von «Gebäuden, denen der Boden unter den Fundamenten wegbricht». Dieses Bild ist mit seinem Plural angesichts der Lage im Kanton Uri zwar übertrieben, der Artikel erwähnt aber schon davor, dass dies nur für ein Gebäude gelte und zitiert danach die Meinung des Experten, dass im Kanton nur ein einziges Haus gefährdet sei. Damit liegt eine Ungenauigkeit vor, aber klar kein vollumfänglicher Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Weitere möglicherweise «katastrophierende Bilder» kann der Presserat im Text nicht erkennen.
2. Der BF geht im Weiteren davon aus, dass es wahrheitswidrig sei, wenn gesagt werde, die Abdeckung des Gletschers am Gemsstock diene dazu, die Bergstation dort oben zu sichern. Diese stehe erstens gar nicht auf Permafrost und die Abdeckung des Gletschers diene nur dazu, den Zugang der Skifahrer auf den Gletscher zu erhalten. Dazu ist festzustellen, dass im Artikel nicht gesagt wird, die Abdeckung des Gletschers diene nur der Sicherung des Gebäudes. Es wird gesagt, sie diene der Pistensicherung und dem Schutz des Gebäudes. Und hinsichtlich der Aussage, wonach die Bergstation gar nicht im Permafrost stehe, ist angesichts der vom BG unterbreiteten Permafrostkarte festzuhalten, dass hier Aussage gegen Aussage steht. Ähnliches gilt für den Temperaturverlauf in einer Bohrung im Gemsstock: Der Presserat kann und soll nicht beurteilen, welche Einschätzung wissenschaftlich richtig ist. Betrachtet man aber die Daten für das Bohrloch Gemsstock, zu denen das SLF in dem vom Beschwerdeführer eingereichten Mailwechsel den Link erwähnte, so erscheint die Aussage, dass dort eine Steigerung der Temperatur zu verzeichnen sei, allerdings bei erheblichen Schwankungen (über 10 Jahre), als durchaus plausibel.
In jedem Fall aber ist es so, dass das «Wochenblatt» mit diesen Informationen zwei Experten zitiert. Es geht um Einschätzungen in der Form von Interviews. Die Redaktion ist unter dem Titel der Wahrheitssuche verantwortlich für die sorgfältige Auswahl der InterviewpartnerInnen und dafür, dass diese richtig zitiert werden. Beides stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Beide Gesprächspartner spielen im Übrigen die Gefahr des Auftauens des Permafrostes überhaupt nicht hoch, sondern sie relativieren sie in weiten Teilen. Die Ziffer 1 der «Erklärung» wurde mit diesem Artikel nicht verletzt.
Im Weiteren nennt der BF eine Verletzung der Ziffer 3 der «Erklärung». Diese verlangt, dass sorgfältig mit Quellen umgegangen wird und dass wichtige Elemente nicht ausgelassen werden. Die Qualität der beiden Quellen, der beiden Auskunftspersonen, stellt der BF nicht in Frage und er behauptet nicht, wichtige Aussagen seien ausgelassen. Der BF ist einfach der Auffassung, die beiden Experten hätten seines Erachtens nicht recht. Das bildet aber per se keinen Verstoss gegen die «Erklärung».
3. Was eine Berichtigungspflicht gemäss Ziffer 5 der «Erklärung» betrifft, so wurde eben festgestellt, dass die Kritik des BF zum Teil nicht zutrifft und dass in anderen Bereichen (Bohrloch und Position Bergstation im Permafrost) Aussage gegen Aussage steht. Der Presserat kann hier kein Urteil treffen und sich entsprechend auch nicht über die Notwendigkeit einer Berichtigung äussern. Fest steht aber, dass der BF zweimal innerhalb eines Monats Gelegenheit erhielt, seine Sicht der Dinge zum Thema Klimawandel/Permafrost im «Urner Wochenblatt» zum Ausdruck zu bringen, in einem Fall sogar ungewöhnlich ausführlich. Seiner Sicht der Dinge wurde also breit Platz eingeräumt. Ziffer 5 der «Erklärung» ist nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das «Urner Wochenblatt» hat mit dem Artikel «Das Eis im Innern der Urner Berge» vom 25. September 2019 die Ziffern 1, 3 und 5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.