I. Sachverhalt
A. Am 7. April 2023 erschien auf «Blick» online, am 8. April 2023 in der Printausgabe auf der Frontseite ein Artikel mit dem Titel «Das sind die Klima-Kleber vom Gotthard». Die Zeitung nennt sieben Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sich an Karfreitag vor dem Gotthardtunnel auf der Autobahn festklebten mit Namen, Alter und Beruf und zeigt sie im Bild. Der dazugehörige Text ordnet den Vorfall ein, lässt zwei der AktivistInnen namentlich zu Wort kommen und erwähnt auch, wie die JournalistInnen zu den Informationen kamen: Die Organisation «Renovate Switzerland», der die AktivistInnen angehören, habe deren Namen und Berufe in einer Medienmitteilung veröffentlicht. Ein Nachweis, woher die Bilder stammen, fehlt hingegen.
B. Am 9. April 2023 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel im «Blick» ein. Er macht einen Verstoss gegen die Richtlinien 7.1 (Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend. Der Artikel stelle Privatpersonen an den Pranger und setze sie der Wut eines wesentlichen Teils der Schweizer Bevölkerung aus.
C. Am 30. Mai 2023 nahm der Legal Counsel von Ringier im Namen der «Blick»-Redaktion zur Beschwerde Stellung und beantragte deren Abweisung. Die Organisation «Renovate Switzerland» habe der Redaktion auf Anfrage hin sämtliche Fotos der beteiligten DemonstrantInnen zur Verfügung gestellt, mit vollständigem Namen und persönlichen Angaben. Dies belegt Ringier mit dem entsprechenden Mailwechsel. Weiter habe die Organisation eine Medienmitteilung mit den entsprechenden Angaben und den im «Blick» angeführten Zitaten zweier AktivistInnen verschickt. Die Öffentlichkeit sei von den Beteiligten also sehr gezielt gesucht worden und sie hätten in die Publikation der Namen und Bilder eingewilligt.
D. Am 15. August 2023 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 seines Geschäftsreglements vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.
E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 22. Dezember 2023 verabschiedet.
II. Erwägung
Die Ziffer 7 der «Erklärung» und die zugehörige Richtlinie 7.1 (Privatsphäre) verpflichten Journalistinnen und Journalisten, das Privatleben aller Personen zu respektieren. Im Privatleben dürfen ohne Einwilligung der Betroffenen überhaupt keine Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen gemacht werden, in der Öffentlichkeit nur dann, wenn die Personen auf dem Bild nicht besonders hervorgehoben werden. Mit deren Einwilligung sowie bei öffentlichen Auftritten ist es hingegen erlaubt, mit Bild und Ton zu berichten. Gemäss Richtlinie 7.2 (Identifizierung) zur «Erklärung» ist die Namensnennung oder eine identifizierende Berichterstattung unter anderem zulässig, wenn die betroffene Person im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Medienberichts öffentlich auftritt oder auf andere Weise in die Veröffentlichung einwilligt.
Die Redaktion von «Blick» belegt, dass die AktivistInnen selbst die Öffentlichkeit gesucht haben, indem sie sich in einer breit gestreuten Medienmitteilung mit Namen und weiteren Details identifiziert haben. Die Organisation hat dem Medium weiter die Bilder der AktivistInnen zugeschickt – und zwar in klarem Zusammenhang mit der Blockade am Gotthard. Das Kriterium der Einwilligung ist damit sowohl in Bezug auf die Privatsphäre wie auch in Bezug auf die Identifizierung gegeben. Die Richtlinien 7.1 (Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung) zur «Erklärung» sind nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.
2. Der «Blick» hat mit dem Beitrag «Das sind die Klima-Kleber vom Gotthard» vom 7. April 2023 beziehungsweise vom 8. April 2023 die Ziffer 7 (Privatsphäre / Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.