I. Sachverhalt
A. Am 15. Februar 2021 veröffentlichte «Blick.ch» einen Artikel gezeichnet mit «rij» unter dem Titel «Djokovic beklagt sich: ‹Ungerecht, dass ich nicht wie Federer angesehen werde!›». Im Text wird darauf Bezug genommen, dass der serbische Tennisspieler Novak Djokovic im Spiel gegen Taylor Fritz im Turnier von Melbourne eine Auszeit beansprucht habe wegen einer angeblichen Verletzung und damit den Spielfluss seines starken Gegners gebrochen habe. Es sei – so der Artikel – «Kritik von aussen laut geworden», dass er seine Beschwerden womöglich simuliert habe, im nächsten Spiel sei jedenfalls von einer Verletzung nichts mehr zu sehen gewesen. Djokovic habe sich nun in einem Interview darüber beklagt, dass er von den Medien nur als Bedrohung für Federer und Nadal gesehen werde. Der Schweizer habe im Jahr zuvor genau das Gleiche getan, Unterbruch wegen einer Verletzung, habe darauf ebenfalls das Spiel gewonnen, nur sei Federer für den erfolgreichen Kampf gelobt worden. Das sei ungerecht. Es wird weiter der serbische Journalist Sasa Ozmo zitiert, welcher schreibe, Djokovic habe zwar langsam seinen Frieden mit der Berichterstattung über sich geschlossen, er könne aber nicht verhindern, dass ihn die unfaire Berichterstattung der Medien menschlich treffe. Über seine Verletzung wolle Djokovic aber weiterhin nicht reden, solange er noch aktiv im Turnier sei.
B. Am 16. Februar 2021 reichte X. Beschwerde gegen den Artikel beim Schweizer Presserat ein. Er macht einen Verstoss gegen die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) und Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend.
Zur Begründung argumentiert er, das Zitat in der Schlagzeile entspreche nicht der Wahrheit. Nirgends im Text tauche dieser Satz wieder auf. Es werde der serbische Journalist Sasa Ozmo zitiert, dieser habe aber ihm, dem Beschwerdeführer (BF), versichert, dass Djokovic Federer in diesem Kontext nie erwähnt habe. Das Zitat sei erfunden und damit ein Verstoss gegen Richtlinie 1.1.
Weiter sieht der BF den vorliegenden Text als Teil einer erfolgreichen Propagandaaktion des «Blick» gegen Djokovic, was sich an den Kommentaren nach dem Online-Artikel deutlich ablesen lasse. Die UserInnen reagierten vor allem auf das – erfundene – Zitat im Titel. Darin sieht der BF einen Verstoss gegen die Pflicht zur Trennung von Bericht und Kommentar.
C. Am 10. März 2021 nahm «Blick.ch» über seinen Anwalt zur Beschwerde Stellung. Der «Blick» (Beschwerdegegner, BG) beantragt Ablehnung der Beschwerde.
Er konzediert zwar, dass das Zitat im Titel im folgenden Text nicht mehr erscheine, macht aber geltend, dass sich Djokovic durchaus im beschriebenen Sinne geäussert habe. Insofern sei die Beschwerde unbegründet. Djokovic habe in der Tat darüber gesprochen, dass sein Sieg über Fritz nicht gewürdigt worden sei, während im vorigen Jahr Federer bei einem vergleichbaren Sachverhalt gelobt worden sei. Es gebe – so Djokovic in der Darstellung des BG – eine anhaltende Ungleichbehandlung zwischen der Art und Weise, wie Nadal oder Federer dargestellt würden, und ihm. Als Beleg verweist «Blick» auf einen Artikel von Sasa Ozmo auf der Website «tennismajors.com» sowie einen weiteren auf «news.com.au». Im ersten ist von Federer die Rede, aber nicht von Seiten Djokovics, sondern von Seiten «eines serbischen Journalisten», Djokovics Antworten beschränken sich darauf, dass er trotz aller Widrigkeiten seinen Weg weiter gehen werde. Im zweiten, mit dem Titel «Djokovic explains exactly why he’ll never be loved like Federer», ist – in dem vom BG beigelegten Ausschnitt – nur der Spieler Nick Kyrgios zitiert, welcher auf Instagram vermute, dass Djokovic simuliert habe.
D. Am 16. April 2021 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements von der Geschäftsführerin behandelt.
E. Die Geschäftsführerin hat am 10. Juni 2021 in Absprache mit dem Präsidium des Presserats folgendermassen Stellung genommen:
II. Erwägungen
1. Der Titel des Artikels nennt – gekennzeichnet mit Anführungszeichen – ein direktes wörtliches Zitat von Novak Djokovic. Dass Djokovic diesen Satz effektiv geäussert hat, wird im Artikel nirgends gesagt, geschweige denn belegt. Auch die von «Blick» beigebrachten beiden englischsprachigen Artikel enthalten keinen klaren Hinweis auf diesen so geäusserten Satz. Der zweite dieser Artikel, derjenige von «news.com.au», behauptet zwar im Titel am gleichen Tag wie «Blick.ch» ungefähr dasselbe wie der «Blick» («Djokovic erklärt genau weshalb er nie so geliebt werde wie Federer»). Darüber, was Djokovic effektiv gesagt haben soll, steht aber in dem vom BG unterbreiteten Text von «news.com.au» kein Wort. (Sucht man den fraglichen Artikel im Internet, so findet man eine Fortsetzung des Textes, in welchem Djokovic in indirekter Rede zitiert wird: Er habe gesagt, es sei ungerecht, wenn Federer nach seinem Sieg gegen Sandgren gelobt werde und er selber nach dem Spiel gegen Fritz nicht. Eine zitierbare wörtliche Äusserung enthält er aber nicht und die Quellenlage ist unklar.)
Dass Djokovic – so wie von «Blick.ch» behauptet – denken mag und das möglicherweise auch schon so oder ähnlich geäussert haben könnte, ändert nichts daran, dass dieses Zitat in der beschriebenen Form nicht belegt werden kann. Der Titel des Artikels von «Blick.ch» verstösst damit gegen die Richtlinie 1.1 der «Erklärung».
2. Die vom BF weiter angerufene Richtlinie 2.3, welche eine Trennung von Fakten und Kommentar verlangt, ist mit dem vorliegenden Artikel nicht tangiert. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung von «Blick.ch» eine Art Kampagne für Roger Federer und gegen Novak Djokovic, der vorliegende Artikel sei nur einer von vielen in dieser Richtung. Andere werden aber nicht belegt.
Der Presserat äussert sich ohnehin nicht zur realen oder vermuteten Informationspolitik der verschiedenen Medienhäuser, er analysiert einzelne journalistische Produkte und misst sie an den Vorgaben der «Erklärung».
Im vorliegenden Artikel ist eine mangelnde Trennung von Bericht und Kommentar nicht zu erkennen.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde teilweise gut.
2. «Blick» hat mit dem Artikel «Djokovic beklagt sich: ‹Ungerecht, dass ich nicht wie Federer angesehen werde!›» vom 25. Februar 2021 die Ziffer 1 (Wahrheitsgebot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, weil der Titel nicht der Wahrheit entspricht.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.