Zusammenfassung
Der Presserat hat eine Beschwerde gegen die «Neue Zürcher Zeitung» teilweise gutgeheissen. Im Artikel «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten» respektive online mit dem Titel «Sie ziehen durch Europa und lassen sich von der Polizei nicht beeindrucken» berichtet die Autorin über Fahrzeugeinbrüche von jungen Männern im Kanton Aargau. Diese Delikte würden in den meisten Fällen von Tätern aus Nordafrika verübt und seien ein Phänomen, das auch in anderen Kantonen zunehmen würden, berichtet die «NZZ». Die Täterschaft sei gut untereinander vernetzt, schreibt die«NZZ». Doch: «Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein.» Die «NZZ» macht dabei nicht kenntlich, auf welche Quelle sich diese Aussage stützt. Das verstösst gegen die Quellenbearbeitung.
Im vorliegenden Artikel hätte es die unbelegte Behauptung zu den Roma nicht gebraucht, um die Praktiken der nordafrikanischen Kleinkriminellen zu umschreiben. Mit der Aussage werden negative Vorurteile gegenüber Roma transportiert. Die Verhältnismässigkeit ist nicht gewahrt und das Diskriminierungsverbot wird verletzt. Selbst wenn Minderheiten nicht das eigentliche Thema in der Berichterstattung sind, sondern lediglich in einem Satz erwähnt werden, ruft der Presserat dazu auf, dessen Informationswert stets gegen die Gefahr einer Diskriminierung abzuwägen.
Résumé
Le Conseil suisse de la presse a partiellement admis une plainte à l’encontre de la « Neue Zürcher Zeitung ». L’autrice d’un article intitulé « Nordafrikaner haben wenig zu befürchten » (Les Nord-Africains ont peu à craindre) et « Sie ziehen durch Europa und lassen sich von der Polizei nicht beeindrucken » (Ils écument l’Europe et ne se laissent pas impressionner par la police) y évoque les cambriolages de voitures effectués par de jeunes hommes dans le canton d’Argovie. Elle impute la plupart de ces cambriolages à des personnes issues d’Afrique du Nord, un phénomène qui, selon ses propos, gagne en ampleur également dans d’autres cantons. Selon l’article, les auteurs entretiennent entre eux un réseau, mais ne semblent pas organisés en clans, contrairement aux Roms, actifs dans toute l’Europe et responsables de l’essentiel des cambriolages de domiciles (« Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein »). L’article de la « NZZ » n’indique pas la source de ces affirmations, ce qui est contraire aux règles de traitement des sources.
L’assertion non étayée concernant les Roms n’était pas nécessaire pour décrire les pratiques des petits criminels nord-africains. Elle véhicule des préjugés négatifs à l’encontre des Roms, sans égard pour le principe de proportionnalité et en dépit de l’interdiction de la discrimination. Même lorsque les minorités ne sont pas le thème principal d’une contribution médiatique, et même si elles sont évoquées dans une seule phrase, le Conseil suisse de la presse incite les journalistes à effectuer systématiquement une pesée des intérêts entre la valeur informationnelle des éléments évoqués et le risque de discrimination.
Riassunto
Il Consiglio della stampa ha accolto parzialmente un reclamo contro il quotidiano «Neue Zürcher Zeitung». Nell’articolo «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten» (I nordafricani hanno poco da temere) rispettivamente nella versione online intitolata «Sie ziehen durch Europa und lassen sich von der Polizei nicht beeindrucken» (attraversano l’Europa senza lasciarsi intimidire dalla polizia), l’autrice riferisce di furti d’auto commessi da giovani uomini nel Canton Argovia. Secondo quanto riportato da «NZZ», nella maggior parte dei casi questi delitti sarebbero commessi da autori provenienti dal Nord Africa e costituirebbero un fenomeno in aumento anche in altri cantoni. Gli autori dei reati sarebbero ben collegati tra loro. Tuttavia, «Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein» (a differenza dei rom, che si spostano in tutta Europa e sono responsabili della maggior parte dei furti negli appartamenti, i nordafricani non sembrano organizzati in veri e propri clan). «NZZ» non indica su quale fonte si basa tale affermazione e ciò viola le norme relative alla citazione delle fonti.
In detto articolo non sarebbe stato necessario ricorrere all’affermazione non comprovata sui rom per descrivere le pratiche di questi piccoli criminali di origine nordafricana. Questa affermazione veicola pregiudizi negativi nei confronti dei rom. Non è stato rispettato il principio di proporzionalità e è stato violato il divieto di discriminazione. Anche quando le minoranze non sono l’argomento principale della notizia, ma vengono solo menzionate in una frase, il Consiglio della stampa invita a soppesare sempre il valore informativo rispetto al rischio di discriminazione.
I. Sachverhalt
A. Am 11. März 2024 veröffentlichte die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) online einen Artikel mit dem Titel «Sie ziehen durch Europa und lassen sich von der Polizei nicht beeindrucken». Im Print lautete der Titel des praktisch identischen Artikels «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten». Die Autorin Katharina Fontana schildert darin Fahrzeugeinbrüche von jungen Männern, die in Aargauer Wohnquartieren versuchen, in nicht abgeschlossene Autos einzudringen, um Geld oder Wertgegenstände zu entwenden. Das sei eine Deliktform, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe, heisst es im Artikel. Rund ein Viertel der Fälle habe aufgeklärt werden können. In 80 bis 90 Prozent der Fälle würden die Täter aus Nordafrika stammen, vorwiegend aus Marokko und Algerien. Diese Fahrzeugeinbrüche würden auch in anderen Kantonen zunehmen – etwa im Thurgau, in Bern oder in St. Gallen, schreibt die «NZZ». Danach zitiert sie den Kommandanten der Kantonspolizei Aargau, Michael Leupold: «Wir hatten dieselbe Klientel mit demselben Deliktsverhalten schon 2011 und 2012 während des Arabischen Frühlings hier. Dazwischen ist das Phänomen fast verschwunden.» Weiter heisst es im Artikel, dass es sich bei den aufgegriffenen Straftätern fast ausschliesslich um junge Männer handle, die durch Europa mäandrierten, teilweise mit Alias-Namen und mehreren offenen Asyldossiers. Sie seien das Umherziehen gewohnt und wüssten, wie man sich mit Kleinkriminalität durchschlage. Auch seien sie untereinander gut vernetzt. «Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein», schreibt die Autorin. Strafrechtliche Mittel gegen sie würden nicht greifen, da es sich um Bagatelldelikte handle.
B. Am 14. März 2024 reichten die Beschwerdeführenden X. und Y. eine Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen zwei Passagen des «NZZ»-Artikels ein. So verletze der Satz «Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein» die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Entstellung von Tatsachen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») und insbesondere die dazugehörige Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) sowie Ziffer 8 (Missachtung der Menschenwürde) der «Erklärung» und insbesondere die Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde) sowie 8.2 (Diskriminierungsverbot). Die Passage suggeriere, dass die meisten Wohnungseinbrüche durch Roma verübt würden – insbesondere durch jene, die eine reisende Lebensweise führten. Das entstelle die Tatsache, dass die grosse Mehrheit der Roma in Europa ortsfest lebe. Die Passage entbehre jeder Substanz und stütze sich auf althergebrachte, stigmatisierende und diskriminierende Vorurteile. Dass zudem die reisenden und einbrechenden Roma «in eigentlichen Clans organisiert» seien, lasse zudem an organisiertes Verbrechen denken. Deshalb entstelle die Passage Tatsachen, stelle unwahre Behauptungen auf und enthalte menschenverachtende sowie diskriminierende Vorurteile.
Ebenfalls verletze die Print-Überschrift «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten» wie die Passage im Lead «In zahlreichen Kantonen nehmen Diebstähle zu – doch das Justizsystem schreckt die kleinkriminellen Marokkaner und Algerier nicht ab» die Richtlinien 3.1 (Quellenbearbeitung), 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot). Diese beiden Aussagen würden Menschen nordafrikanischer Herkunft pauschal als Verbrecher darstellen, was Tatsachen entstelle und die Menschenwürde verletze.
Am 21. März 2024 ging beim Schweizer Presserat eine weitere Beschwerde gegen den Artikel ein. Der Direktor der Rroma Foundation (Beschwerdeführer Z.) moniert denselben Satz wie die Beschwerdeführenden X. und Y., welcher die Roma mit einer reisenden Lebensweise sowie in Clan-Strukturen beschreibt und ihnen die meisten Wohnungseinbrüche zuordnet. Beschwerdeführer Z. sieht ebenfalls die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Tatsachen) und 8 (Diskriminierung) der «Erklärung» als verletzt an. Roma würden im Artikel als Kriminelle, als Fremde und Ausländer dargestellt. Auch würde das Stereotyp der «Fahrenden» aufgegriffen, obwohl Roma in ganz Europa als gewöhnliche Staatsbürger lebten. Die Aussage, die meisten Wohnungseinbrüche würden von Roma begangen, sei eine unbewiesene Behauptung, die auf keinerlei Fakten beruhe und somit eine hetzende und diffamierende Aussage. Ebenfalls unbelegt sei die Aussage, dass Roma sich in Clans organisierten. Mit diesem rassistischen Stereotyp würden unbewiesene Informationen verbreitet und verallgemeinernde sowie diskriminierende Aussagen gemacht.
C. Am 19. September 2024 nahm die «Neue Zürcher Zeitung» Stellung zu den beiden Beschwerden und plädierte für deren vollumfängliche Abweisung. Der Artikel beruhe im Wesentlichen auf einem Gespräch mit Michael Leupold, dem Polizeikommandanten des Kantons Aargau und früheren Direktor des Bundesamts für Justiz. Das würde im Lead ausgewiesen. Die «NZZ» argumentiert, dass eine wesentliche Aufgabe der Medien darin bestehe, die Öffentlichkeit über die Struktur und Organisation von Kriminalität zu informieren. Der Vergleich zwischen Nordafrikanern und Roma sei nicht dazu gedacht, eine Gruppe pauschal zu verurteilen, sondern Unterschiede in den kriminalistischen Strukturen aufzuzeigen. Die Erwähnung der Roma habe der sachdienlichen Information der Öffentlichkeit gedient. Es werde nicht pauschal behauptet, dass alle Roma kriminell seien, sondern spezifisch auf die Rolle bestimmter Gruppen innerhalb der Roma-Gemeinschaft hingewiesen, die der Polizei bekannt seien. Die Unterscheidung sei wichtig, um die Herausforderungen der Strafverfolgungsbehörden zu schildern. Die Aussage, dass die meisten Wohnungseinbrüche auf Roma-Clans zurückzuführen seien, stütze sich auf verschiedene Aussagen und Berichte von kantonalen Strafverfolgungsbehörden. Wiederholt seien bestimmte Gruppen von Rumänen, darunter auch Roma, bei Wohnungseinbrüchen involviert gewesen. Polizeikommandant Leupold habe explizit auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Wortwörtlich habe er gesagt, dass das Gros der Wohnungseinbrüche auf Roma aus Osteuropa zurückgehe, die clanmässig organisiert seien. Somit sei die journalistische Sorgfaltspflicht gedeckt, da der Inhalt auf glaubwürdigen und fundierten Quellen basiere.
Die «NZZ» argumentiert, dass es im Artikel um die Darstellung von kriminalistisch relevanten Sachverhalten gehe. Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2023 zeige, dass unter den Ausländern ohne Schweizer Wohnsitz die Rumänen die grösste Gruppe bilde, die Einbruch- oder Einschleichdiebstähle begangen hätten. Die Ethnie werde in der Statistik hingegen nicht erhoben. Gemäss «NZZ» sei es allgemein bekannt und unbestritten, dass viele Roma sowohl sesshaft als auch mobil lebten. Die entsprechende Aussage im Artikel beziehe sich auf eine spezifische Gruppe innerhalb der Roma, die als Fahrende bekannt seien und bei grenzüberschreitender Kleinkriminalität auffallen würden. Dass Roma in Clans organisiert seien, sei durch polizeiliche und kriminalistische Studien belegt. Auch Strafverfolgungsbehörden hätten dies öffentlich thematisiert. Die «NZZ» nennt dafür die Aussage einer Mediensprecherin der Kantonspolizei Freiburg, die 2023 von bettelnden Roma-Familienclans im Zusammenhang mit Kriminaltourismus sprach. Und auch der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr habe 2024 auf Roma-Clans mit kriminellen Absichten hingewiesen.
Nicht diskriminierend sei auch die Erwähnung der Nordafrikaner, schreibt die «NZZ». Die Nennung sei notwendig, um die Öffentlichkeit über die aktuellen kriminalistischen Entwicklungen zu informieren. Es handle sich dabei um eine von den Polizeien gut dokumentierte Tatsache. Ein Fehlen solcher Angaben könne zu einer unvollständigen Berichterstattung führen, was der Wahrheitspflicht widerspreche. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Artikel pauschale Vorverurteilungen vermeide und zwischen kriminellen Gruppen und der allgemeinen Bevölkerung differenziere. Er basiere auf überprüfbaren Fakten, polizeilichen Erkenntnissen und Aussagen der Strafverfolgungsbehörden.
D. Das Präsidium des Presserats wies die Beschwerde der 3. Kammer zu. Ihr gehören Jan Grüebler (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Lena Berger, Dennis Bühler, Monika Dommann und Hilary von Arx an. Andri Rostetter trat von sich aus in den Ausstand.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 11. März und 4. Juli 2025 und auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Ziffer 1 der «Erklärung» hält fest, dass Journalistinnen und Journalisten sich an die Wahrheit halten und dafür alle zugänglichen Daten beachten. Die Beschwerdeführenden sehen dies im nachfolgenden Satz als verletzt an: «Im Unterschied zu den Roma, die sich in ganz Europa bewegen und auf deren Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, scheinen die Nordafrikaner nicht in eigentlichen Clans organisiert zu sein». Das suggeriere, dass die meisten Wohnungseinbrüche von Roma – insbesondere jenen mit reisender Lebensweise – verübt würden, was jeder Substanz entbehre. Ebenfalls unwahr sei, dass Roma in Clans organisiert seien. Die «NZZ» stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass die Erwähnung der Roma als sachliche Information diene, um die Öffentlichkeit über die kriminalistischen Zusammenhänge aufzuklären. Es würde nicht pauschal behauptet, dass alle Roma kriminell seien, es gehe um eine polizeilich auffällige Tätergruppe. Zwar erhebe die Kriminalstatistik nicht die Ethnie, aber aus Erfahrungswerten und Aussagen der Polizeibehörden zeige sich, dass bestimmte Gruppen von Roma häufiger in diesem Kontext auffällig würden. Auf welche Aussagen sich die «NZZ» hierbei stützt, wird in der Beschwerdeantwort nicht weiter erwähnt. Allerdings habe der Aargauer Polizeikommandant Michael Leupold wortwörtlich gesagt, dass das Gros der Wohnungseinbrüche auf Roma aus Osteuropa zurückgehe, die clanmässig organisiert seien. Diese Aussage sei auf Band vorhanden. Bezüglich der monierten Clan-Strukturen verweist die «NZZ» auf entsprechende Aussagen einer Polizeimediensprecherin sowie des Zürcher Sicherheitsdirektors.
Zu fragen ist somit, ob die Wahrheitssuche sorgfältig stattgefunden hat. Die Frage, auf wessen Konto die meisten Wohnungseinbrüche gehen, lässt sich gestützt auf die Beschwerden und die Beschwerdeantwort nicht eindeutig klären. Die «NZZ» macht geltend, Leupold habe die kritisierte Aussage wortwörtlich so gemacht. Wenn ein ausgewiesener Experte wie Leupold eine solche Aussage macht und sich entsprechend zitieren lässt, kann einer Journalistin nicht vorgeworfen werden, sich nicht von der Wahrheit leiten zu lassen. Allerdings geht aus dem Text nicht hervor, dass der Polizeikommandant dies so gesagt hat und auch veröffentlicht haben wollte. Im Artikel erscheinen die monierten Äusserungen als Tatsachen. Zu prüfen ist deshalb, ob die Tatsachenbehauptungen im Text den Richtlinien entsprechen. Der Presserat kann nicht beurteilen, wie der Sachverhalt wirklich ist, deshalb ist die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») nicht verletzt.
2. Alle Beschwerdeführenden argumentieren zudem, dass Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt sei. Diese besagt, dass Journalistinnen und Journalisten nur Informationen, Dokumente, Bilder oder Töne veröffentlichen, deren Quellen ihnen bekannt sind. Tatsachen dürfen nicht entstellt und keine wichtigen Informationen unterschlagen werden. Die Beschwerdeführenden A und B sehen insbesondere Richtlinie 3.1 als verletzt an. Diese betont die Wichtigkeit der Überprüfung der Quelle und deren Glaubwürdigkeit.
Die Beschwerdeführenden X. und Y. sind der Ansicht, dass der «NZZ»-Artikel Tatsachen entstellt, da darin den Roma mit reisender Lebensweise die meisten Wohnungseinbrüche zugeschrieben werden. Zudem lasse die Aussage, dass Roma in Clans organisiert seien, an organisiertes Verbrechen denken. Die Beschwerdeführenden X. und Y. monieren zudem, dass die Print-Überschrift «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten» sowie der Lead «In zahlreichen Kantonen nehmen Diebstähle zu – doch das Justizsystem schreckt die kleinkriminellen Marokkaner und Algerier nicht ab» ebenfalls Tatsachen entstelle. Dies, weil alle Menschen aus diesen Herkunftsländern pauschal als Verbrecher dargestellt würden.
Die «NZZ» argumentiert hingegen, dass der Artikel auf Aussagen des Aargauer Polizeikommandanten Michael Leupold basiere. Zudem hätten Polizeikommandanten und Staatsanwälte wiederholt festgestellt, dass bestimmte Gruppen von Rumänen, darunter auch Roma, in kriminelle Aktivitäten wie Wohnungseinbrüche involviert gewesen seien. Die journalistische Sorgfaltspflicht sei gedeckt, da der Artikel sich auf glaubwürdige und fundierte Quellen stütze. Von Roma-Familienclans bezüglich des Kriminaltourismus hätten zudem weitere Experten öffentlich gesprochen – unter anderem eine Mediensprecherin der Kantonspolizei Fribourg oder der Zürcher Sicherheitsdirektor. Dies untermauere die journalistische Aussage im Artikel und bestätige deren Wahrheitsgehalt. In Bezug auf die Nordafrikaner würden sich die Aussagen auf konkrete polizeilich erhobene Daten und Erfahrungen stützen. Dass bestimmte Tätergruppen aus Nordafrika wiederholt in kleinkriminelle Aktivitäten verwickelt seien, sei eine polizeilich dokumentierte Tatsache.
Im vorliegenden Artikel stützt sich die Autorin laut «NZZ» auf eine zentrale Auskunftsperson: den Aargauer Polizeikommandanten Michael Leupold. Gemäss der Autorin hat dieser den beanstandeten Satz sinngemäss geäussert. Im Lead der Online-Version des Artikels heisst es denn auch: «Kleinkriminelle aus Nordafrika sorgen in der Schweiz derzeit für Ärger und Verunsicherung. Der Aargauer Polizeikommandant Michael Leupold zur Sisyphusarbeit der Polizei, zum Gewaltpotenzial der Täter und dazu, was die Schweiz besser machen könnte.» Neben dem Abschnitt der beanstandeten Passage ist online zudem ein Porträtfoto von Michael Leupold zu sehen. Allerdings ist auch im Onlinetext keiner der umstrittenen Sätze paraphrasiert oder zitiert, womit klar erkennbar würde, dass die Äusserungen von Leupold stammen.
Im Printartikel fehlt jedoch in Titel, Lead und den ersten Abschnitten jeglicher Hinweis, dass der Artikel auf einem Gespräch mit dem Polizeikommandanten beruht. Es werden Tatsachen festgehalten. Erst nach einem langen ersten Abschnitt ist erstmals von Leupold die Rede. Dass die durchschnittliche Leserschaft daraus ableitet, dass der ganze Einstieg eine Einschätzung des nur spät und knapp zitierten Kommandanten sein könnte, ist unrealistisch. Bei einer derart starken Pauschalisierung, die im Indikativ formuliert wurde, wäre es aber die Aufgabe der Autorin gewesen, in der Onlineversion wie im Printtext mindestens die Quelle anzugeben und die Aussage einzubetten. In diesem Zusammenhang wäre es auch wichtig gewesen, die Leserschaft darauf hinzuweisen, dass die polizeiliche Kriminalstatistik die Ethnien nicht erhebt und sich die Aussage des Polizeikommandanten auf seine Erfahrungswerte stützt. Daher ist Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) verletzt.
Zu ergänzen ist: Hinsichtlich des Print-Titels und des Leads, welcher gemäss den Beschwerdeführenden X. und Y. Menschen aus Marokko und Algerien pauschal als Verbrecher darstellt, ist festzustellen, dass es im Print-Lead heisst: «kleinkriminelle Marokkaner und Algerier». Somit werden nicht pauschal alle Marokkaner und Algerier als Verbrecher dargestellt, Richtlinie 3.1 ist in diesem Punkt nicht verletzt.
3. Ziffer 8 der «Erklärung» verlangt die Respektierung der Menschenwürde (Richtlinie 8.1) und betont den Verzicht auf diskriminierende Anspielungen unter anderem hinsichtlich ethnischer Zugehörigkeit (Richtlinie 8.2). Alle Beschwerdeführenden sind der Ansicht, dass im «NZZ»-Artikel stigmatisierende und diskriminierende Vorurteile gegenüber Roma enthalten sind. Dies, weil suggeriert werde, dass die meisten Wohnungseinbrüche durch Roma verübt würden. Zudem bediene sich der Artikel des Stereotyps der «Fahrenden». Richtig sei hingegen, dass Roma als gewöhnliche Staatsbürger in allen europäischen Ländern leben. Der Presserat behandelt den Vorwurf der Diskriminierung nicht unter der Richtlinie 8.1 (Menschenwürde), sondern unter der Richtlinie 8.2 (Diskriminierung).
Die «NZZ» hält in ihrer Beschwerdeantwort fest, dass der Vergleich zwischen Nordafrikanern und Roma nicht dazu gedacht gewesen sei, eine Gruppe pauschal zu verurteilen, sondern um Unterschiede in den kriminalistischen Strukturen aufzuzeigen. Es werde im Artikel nicht behauptet, dass alle Roma kriminell seien, sondern es würde auf die Rolle bestimmter Gruppen innerhalb der Roma-Gemeinschaft hingewiesen, die in der polizeilichen Praxis auffällig geworden seien. Es sei allgemein bekannt und unbestritten, dass viele Roma in ganz Europa sowohl sesshaft als auch mobil leben würden. Auch hierbei beziehe sich die Aussage im Artikel auf eine spezifische Gruppe innerhalb der Roma, die als Fahrende bekannt sind und überproportional häufig bei grenzüberschreitender Kleinkriminalität auffallen würden. Es handle sich somit nicht um eine pauschale Verurteilung aller Roma, sondern um eine Darstellung von kriminalistisch relevanten Sachverhalten.
Bereits in der Vergangenheit hat der Presserat festgehalten, dass Roma zu denjenigen Minderheiten gehören, über die Medien oft stereotyp berichten und somit Alltagsrassismus transportieren. Sie sind besonders diskriminierungsgefährdet, wie verschiedene Rügen des Presserats zeigen (u.a. die Stellungnahmen 59/2023, 20/2024 oder 5/2025). Es wäre daher wünschenswert gewesen, die «NZZ» hätte in der Berichterstattung gleichermassen differenziert über Roma geschrieben, wie sie dies in ihrer Beschwerdeantwort tat. Es ist legitim, dass Medien über Kriminalität und Tätergruppen berichten. Es ist aber wichtig, dass sie das korrekt machen. Sie wägen dabei «den Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung ab und wahren die Verhältnismässigkeit» (Richtlinie 8.2 Diskriminierungsverbot).
Insbesondere wenn Minderheiten nicht das eigentliche Thema in der Berichterstattung sind, sondern lediglich in einem Satz erwähnt werden, ruft der Presserat dazu auf, stets dessen Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung abzuwägen. Im vorliegenden Artikel hätte es den völlig verkürzten und Tatsachen entstellenden Verweis auf Roma gar nicht gebraucht, um die Praktiken der nordafrikanischen Kleinkriminellen zu umschreiben. Die Verhältnismässigkeit ist somit nicht gewahrt. Vielmehr wurden mit der Aussage negative Werturteile transportiert. Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) ist verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Die «Neue Zürcher Zeitung» hat mit dem Artikel «Nordafrikaner haben wenig zu befürchten» und dem entsprechenden Online-Artikel die Ziffern 3 (Quellen) und 8 (Diskriminierungsverbot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.