I. Sachverhalt
A. Am 3. Oktober 2018 publizierten die «Schaffhauser Nachrichten» (SN) einen grossen Artikel von Christa Kamm-Sager über einen Ausstieg aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas. Der Titel des Protokolls: «Ich habe viele Höllen durchlebt». Dazu stellte die Journalistin eine Box mit allgemeineren Informationen aus einer Medienmitteilung und dem Jahresbericht 2017 von Infosekta, der Fachstelle für Sektenfragen; der kontextuelle Kasten trug den Titel «Fachstelle: Viele Anfragen zu Zeugen Jehovas». Die Box beginnt so: «2400 Personen suchten im Jahr 2017 Hilfe bei der Fachstelle für Sektenfragen.» Die meisten Anfragen beträfen seit Jahren die Zeugen Jehovas. Ein grosses Thema sei der sexuelle Missbrauch von Kindern im geschlossenen System der Zeugen Jehovas: «In mehreren Ländern laufen Gerichtsverfahren wegen sexueller Übergriffe gegen Mitglieder der christlich-fundamentalistischen Gemeinschaft.»
B. Am 27. Dezember 2018 reichte X. Beschwerde gegen die Box beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, es stimme nicht, dass im Jahr 2017 2400 Personen Hilfe bei Infosekta gesucht hätten; die Zahl bezeichne nicht Personen, sondern Anfragen und zwar sowohl Erstkontakte wie Folgekontakte. X. bemängelt auch, die Aussage, am meisten Anfragen kämen zu den Zeugen Jehovas, sei missverständlich. Denn von den 965 Erstkontakten bezögen sich nur 70% (= 678 Erstkontakte) auf konkrete Gruppen. Und von diesen 70% der Erstkontakte beziehen sich wiederum 71% auf «Restliche Gruppen» und nur 16% auf die Zeugen Jehovas. Der Beschwerdeführer sieht damit Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzt, wonach keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen werden dürfen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen entstellt werden dürfen.
X. moniert auch eine Verletzung von Ziffer 8 (Menschenwürde/Diskriminierung). Diese Rüge zielt auf die allgemeinen Behauptungen über den sexuellen Missbrauch von Kindern in der Box. Mit der Aussage, sexueller Missbrauch sei «ein grosses Thema», erwecke man den Eindruck, es gäbe bei den Zeugen Jehovas eine Vielzahl von Missbrauchsfällen auch in der Schweiz, obwohl der Jahresbericht nur von Gerichtsfällen in mehreren Ländern spricht. Die Aussage sei der gezielte Versuch einer Diffamierung der Zeugen Jehovas in der Schweiz.
C. Am 26. Februar 2019 beantragte der Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten», Robin Blanck, Abweisung der Beschwerde. Er konzediert, die Aussage, 2017 hätten 2400 Personen Hilfe bei der Fachstelle für Sektenfragen gesucht, sei «nicht ganz korrekt». Man hätte von «2400 Beratungen» oder «Kontakten» sprechen müssen und nicht von «2400 Personen». Die «unpräzise Aussage» hätte aber mit dem Verlangen nach einer Richtigstellung aus der Welt geschaffen werden können. Zum zweiten Punkt der Beschwerde, dass die meisten Anfragen die Zeugen Jehovas beträfen, erklärt Blanck, diese Aussage sei exakt der Medienmitteilung von Infosekta entnommen. In Bezug auf den sexuellen Missbrauch machen die SN geltend, dies sei vom Jahresbericht gedeckt: «Die grossen psychischen Belastungen sind auch Thema in den Gesprächen mit den PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen: Sie behandeln ehemalige Zeugen Jehovas mit Angststörungen, Suizidversuchen oder Erfahrungen sexuellen Missbrauchs, in manchen Fällen sind die Klienten minderjährig.» Schliesslich sagt Blanck, im kritisierten Zweitstoff finde sich kein Hinweis, wonach in der Schweiz viele Gerichtsverfahren wegen Missbrauchs gegen die Zeugen Jehovas liefen.
D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Max Trossmann (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Marianne Biber, Jan Grüebler, Markus Locher und Simone Rau an.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 4. Juli 2019 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde fasst eine kleine Box von 25 Zeilen zu einem fast seitengrossen, unbestrittenen Artikel ins Auge. Der erste Vorwurf richtet sich gegen den Eingangssatz: «2400 Personen suchten im Jahr 2017 Hilfe bei der Fachstelle für Sektenfragen.» Der Satz ist zumindest unpräzis, wie auch der Chefredaktor der SN einräumt. Denn die Journalistin verwechselte, dass es sich um die Zahl der Beratungskontakte handelte, nicht gleichzusetzen mit der Zahl der beratenen Personen. Dies geht klar aus dem Jahresbericht 2017 von Infosekta hervor wie auch aus der Medienmitteilung dazu. Der Presserat taxiert die unpräzise Stelle nach Diskussion als journalistische Ungenauigkeit und sieht davon ab, Ziffer 3 der «Erklärung» als verletzt zu betrachten, weil die Formulierung die Tatsachen nicht so weit entstellt, dass ein völlig falscher Eindruck entsteht. Trotzdem wäre es den «Schaffhauser Nachrichten» gut angestanden, sie hätten den Fehler gegenüber ihrer Leserschaft korrigiert, nachdem sie durch die Beschwerde davon erfahren hatten.
2. Den zweiten Vorwurf richtet der Beschwerdeführer gegen die Aussage, wonach die meisten Anfragen die Zeugen Jehovas beträfen. Das sei missverständlich, weil es Jehovas Zeugen entgegen den effektiven Zahlen ins Zentrum rücke. Sowohl der Jahresbericht 2017 von Infosekta wie auch zweimal die entsprechende Medienmitteilung enthalten aber genau diese Aussage. Der Presserat hält dafür, dass diese Aussage ohne weitere Präzisierung etwas pauschal ist und manche Lesenden sie überinterpretieren konnten. Die Autorin hätte daher gut daran getan, nicht einfach die etwas pauschale Formulierung der Medienmitteilung von Infosekta zu übernehmen. Sondern die Aussage mit den Zahlen des Jahresberichts präziser zu formulieren und zu relativieren. Dann wäre klar gewesen, dass zwar 111 der Anfragen zu konkreten Gruppen (16%) auf die Zeugen Jehovas entfielen, aber deren 483 (71%) auf «Restliche Gruppen». Auch dann wäre herausgekommen, dass die Zeugen Jehovas die mit Abstand grösste Einzelgruppe vor Scientology mit 6% (39 Anfragen) waren. Auch in dieser zweiten Ungenauigkeit sieht der Presserat aber keine schwerwiegende Entstellung von Tatsachen, die eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» nach sich zöge.
3. Der Presserat erkennt auch keine Verletzung von Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung». Sexueller Missbrauch wird in den Gesprächen mit PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen laut Infosekta-Bericht thematisiert. Und die Autorin der Box schreibt, dass in mehreren Ländern Gerichtsverfahren laufen. Damit erweckt sie nicht den Eindruck, dass diese Gerichtsfälle in der Schweiz laufen und diffamiert die Zeugen Jehovas der Schweiz nicht.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die «Schaffhauser Nachrichten» haben mit dem Info-Kasten «Fachstelle: Viele Anfragen zu Zeugen Jehovas» vom 3. Oktober 2018 die Ziffern 3 (Entstellen von Tatsachen) und 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.