I. Sachverhalt
A. Am 20. August 2019 veröffentlichte das Onlinemagazin «seniorweb.ch» den Artikel «Granma – Posaunen aus Havanna». Der Redaktor Linus Baur rezensiert darin das gleichnamige Theaterstück, das die Revolution in Kuba thematisiert und am Zürcher Theaterspektakel aufgeführt wurde.
B. Am 2. September 2019 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel des Onlinemagazins «seniorweb.ch» ein. Es handle sich um ein fast wortgleiches Plagiat seiner Rezension, die er bereits nach der Uraufführung des Theaterstücks am 21. März 2019 auf seinem Blog veröffentlicht habe. Linus Baur habe nur einen kurzen Vorspann ergänzt, marginale Änderungen vorgenommen und den letzten Satz abgeändert.
C. Am 20. Oktober 2019 nahm Linus Baur, Leiter Redaktion von «seniorweb.ch» und Verfasser des umstrittenen Artikels, zur Beschwerde Stellung. Die vom Beschwerdeführer kritisierte Übernahme seiner Rezension treffe zu seinem Bedauern in der dargestellten Form zu. Am Veröffentlichungstag seines Beitrags sei er unter Zeitdruck gestanden und mit Reisevorbereitungen und anderen Erledigungen beschäftigt gewesen. Am nächsten Tag sei er für mehrere Tage ins Ausland gereist. Um die Schreibarbeit abzukürzen, habe er sich mit der übernommenen Darstellung beholfen. Leider könne er sich nicht mehr erinnern, von welcher Theater-Webseite er den Text übernommen habe. Aber sicher sei er gewesen, dass die gefundene Version keine Autorenbezeichnung aufgewiesen habe. Er habe sich damals wohl in der falschen Hoffnung gewogen, dass es sich um keine autorengeschützte Fassung handle. Die Übernahme der Rezension sei ein dummer Fehler gewesen, den er heute bereue. Dafür wolle er sich bei X. in aller Form entschuldigen. Die Aufforderung von X., den Beitrag vom Netz zu nehmen, habe er sofort befolgt. Auch sei er bereit, mit dem Beschwerdeführer über eine allfällige Entschädigung zu verhandeln.
Linus Baur erklärt weiter, dass die unentgeltlich arbeitende Redaktion sich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten um journalistisch korrekte Arbeit bemühe, aber ein Fehler nie ganz ausgeschlossen werden könne. Die Beschwerde von X. sei ihm ein bleibendes Lehrstück, das er für alle Zukunft beherzigen werde.
D. Am 1. November 2019 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 4. Mai 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägung
Die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») gehörende Richtlinie 4.7 hält folgendes fest: Wer ein Plagiat begeht, d.h. wer Informationen, Präzisierungen, Kommentare, Analysen und sämtliche anderen Informationsformen von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangabe in identischer und anlehnender Weise übernimmt, handelt unlauter gegenüber seinesgleichen. Die Artikel von Linus Baur und X. sind in wesentlichen Teilen identisch verfasst, sodass von einem Plagiat auszugehen ist. Linus Baur hat zugegeben, die Rezension zu weiten Teilen übernommen zu haben. Er hat sich dafür ausdrücklich entschuldigt und anerboten – falls erwünscht – über eine Entschädigung zu diskutieren. Dies ist ihm zugute zu halten. Auch, dass der Redaktionsleiter den Beitrag nach Aufforderung sofort von der Webseite «seniorweb.ch» gelöscht und sich äusserst reumütig gezeigt hat. Da das Onlineportal aber ein Plagiat veröffentlichte, hat es damit Ziffer 4 der «Erklärung» verletzt.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde gut.
2. Das Onlinemagazin «seniorweb.ch» hat mit dem Artikel «Granma – Posaunen aus Havanna» vom 20. August 2019 die Ziffer 4 (Plagiat) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.