Zusammenfassung
Das Newsportal «Linth24» hat verschiedentlich über Standortdiskussionen von Sportanlagen in Rapperswil berichtet, insbesondere über die Platzierung der Trainingshalle der «Rapperswil Jona Lakers». Gegen zwei dieser Texte hat der Stadtrat von Rapperswil Beschwerde erhoben. Er monierte, in dem einen Bericht über einen Gerichtsentscheid seien stark kommentierende Meinungsäusserungen enthalten gewesen, was für die Leserschaft aber nicht genügend erkennbar gewesen sei. Der zweite Text war klar als Kommentar gekennzeichnet. Dort kritisierte der Stadtrat, gegen ihn seien darin schwere Vorwürfe erhoben worden, ohne dass er habe Stellung nehmen können. Ausserdem habe der Autor, der Verleger von «Linth24», seine Interessenlage nicht transparent gemacht, da er in der fraglichen Angelegenheit selber in einem Komitee politisch aktiv sei.
Der Presserat unterstrich in diesem Zusammenhang zunächst die Wichtigkeit der Meinungs- und Kommentarfreiheit. Die kritische Kommentierung des Urteils im ersten Text habe im legitimen Bereich der Kommentarfreiheit gelegen. Jedoch seien die kommentierenden Elemente von der übrigen Berichterstattung zu wenig deutlich erkennbar getrennt gewesen. Im zweiten Text, dem Kommentar, sieht der Presserat bei den kritischen Bewertungen ebenfalls legitime persönliche Einschätzungen. Auch hat der Stadtrat zu den Vorwürfen nicht befragt werden müssen, weil sich die Kritik primär gegen das Gerichtsurteil richtete. Hingegen hätte der Autor seine eigene Interessenbindung in dieser Angelegenheit transparent machen müssen. Der Presserat hiess deshalb die Beschwerde des Stadtrates teilweise gut.
Résumé
Le portail d’information «Linth24» a rendu compte à plusieurs reprises des discussions concernant l’emplacement des installations sportives de Rapperswil, et notamment celui de la halle d’entraînement des «Rapperswil Jona Lakers». Le conseil de ville de Rapperswil a adressé une plainte au Conseil de la presse au sujet de deux de ces textes. L’un des deux contient à son avis des déclarations qui commentent une décision de justice et expriment une opinion sans être suffisamment signalées comme telles pour le lectorat. Le second texte est clairement un commentaire. Mais le conseil de ville critique le fait qu’il contienne des reproches graves et se plaint de ne pas avoir été entendu. Sans parler du fait que l’auteur, qui est le rédacteur en chef de «Linth24», n’a pas fait la transparence sur les intérêts qu’il représente, alors qu’il est politiquement actif dans un comité qui s’occupe de l’affaire en question.
Le Conseil de la presse commence par souligner, à ce propos, l’importance de la liberté d’expression. Le commentaire critique d’un jugement dans le premier texte se situe dans la zone légitime de la liberté d’expression. Les éléments qui représentent un commentaire sont toutefois trop peu signalés comme tels dans l’article. Dans le second texte, le commentaire, le Conseil de la presse considère aussi les appréciations critiques comme des avis personnels légitimes. Le conseil de ville n’avait pas à être entendu au sujet des reproches exprimés parce que les critiques visent en premier lieu la décision de justice. L’auteur aurait en revanche dû déclarer ses intérêts dans cette affaire. Le Conseil de la presse a donc partiellement accepté la plainte du conseil de ville.
Riassunto
Il portale di notizie «Linth24» ha informato in varie occasioni delle polemiche riguardo all’ubicazione degli impianti sportivi di Rapperswil e in particolare alla collocazione del padiglione per gli allenamenti dei «Rapperswil Jona Lakers».
Il Consiglio comunale di Rapperswil ha presentato un reclamo contro due di questi comunicati. Si è lamentato del fatto che il resoconto sulla decisione del tribunale contenesse opinioni commentate con veemenza, ma non trasparenti a sufficienza per i lettori. Il secondo testo era manifestamente un commento. Il Consiglio comunale ha criticato le gravi accuse mossegli senza che gli venisse offerta la possibilità di una presa di posizione. Inoltre l’autore del pezzo, il caporedattore di «Linth24», non ha dichiarato in modo trasparente i propri interessi, essendo egli stesso politicamente attivo in un comitato che si occupa della questione in oggetto.
In questo contesto, il Consiglio della stampa ha innanzitutto sottolineato l’importanza della libertà di opinione e di commento. Nel primo testo l’opinione critica espressa riguardo alla sentenza rientrava nel legittimo ambito della libertà di commento. Tuttavia, gli aspetti commentati non erano differenziati in modo chiaro dal resto del resoconto. Anche per il secondo testo, il commento propriamente detto, il Consiglio della stampa ritiene legittime le considerazioni personali all’interno delle valutazioni critiche. Oltre a ciò, il CSS osserva che non esisteva l’obbligo di consultare il Consiglio comunale rispetto alle accuse, poiché le critiche erano rivolte principalmente alla decisione del tribunale. Per contro, l’autore del testo avrebbe dovuto essere trasparente riguardo ai propri interessi personali in questa vicenda. Il Consiglio della stampa ha quindi accolto parzialmente il reclamo del Consiglio comunale.
I. Sachverhalt
A. Am 15. November 2021 veröffentlichte das Online-Nachrichtenportal «Linth24» einen Artikel von Bruno Hug über ein Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts betreffend den Bau einer Trainingshalle des Eishockey-Clubs Rapperswil-Jona Lakers. Titel: «Grünfeld-Hallen: Gericht lässt dem Stadtrat alles durch». Das Verwaltungsgericht hatte eine Beschwerde abgewiesen gegen einen Beschluss der Bürgerversammlung, mit welchem ein Beitrag von 1,5 Millionen Franken für den Bau einer Trainingshalle der «Lakers» gesprochen worden war. Der Autor (und Verleger von «Linth24») Bruno Hug kritisiert diesen Entscheid im Artikel als «behördenfreundlich» und wiederholt in diesem Zusammenhang die Argumente der ProjektgegnerInnen gegen das Vorhaben: Der ausgewählte Standort Grünfeld sei unvereinbar mit der kommunalen Raumplanung, welche die Eissportarten an einem anderen Standort, nämlich im Lido, vorgesehen habe. Im Weiteren seien die vorgängigen Informationen an die Bürgerschaft ungenügend, wenn nicht sogar falsch gewesen. Insbesondere existiere der angebliche Empfänger der Millionenbeträge gar nicht. Ein «SC Rapperswil-Jona Lakers» existiere rechtlich nicht, das Geld gehe in Wahrheit an eine «Lakers Nachwuchs AG», welche gegebenenfalls jederzeit mitsamt der teuren Halle verkauft werden könne.
Der ganze Artikel präsentiert sich als Kritik an einem Gerichtsentscheid und am Vorgehen der Stadt: Stichworte zu den Bewertungen im Artikel: «Gericht lässt dem Stadtrat alles durch»; (…) «tolerierte das Gericht (…) den willkürlich gewählten Standort im Grünfeld»; «bei der Bürgerversammlungs-Vorlage lässt das Gericht schwerste Mängel durch»; «auch solche Murkse stören das Verwaltungsgericht nicht …».
Auf den Artikel folgt ein kurzer Abschnitt, der als «Kommentar von Bruno Hug» überschrieben ist und der zusammenfassend besagt: «In Rapperswil-Jona ist offenbar, wie im Wilden Westen, alles erlaubt.»
B. Am 28. November 2021 veröffentlichte «Linth24» einen Kommentar von Bruno Hug zur Politik des Stadtpräsidenten von Rapperswil-Jona, Martin Stöckling. Titel: «Stöcklings irrlichternde Stadt-Ver-planung». Anlass der Kritik war ein Projektierungskredit von 600’000 Franken für das Freibad Lido, über den die Bürgerversammlung vier Tage danach entscheiden sollte. Für Kommentator Hug war das problematisch, da die ganze Planung der Sportstätten immer noch nicht definiert sei. «Der Stadtrat hat noch keine Ahnung, wie er das Gebiet Lido gestalten will. Trotzdem schlägt er mit der Badi schon wieder (provisorische) Pflöcke ein, die alle weiteren Entwicklungen dieser wichtigen Sportstätte einschränken.» Im Zentrum seiner Kritik steht Stadtpräsident Stöcklings Vorgehen in Sachen Sportstätte-Planung, insbesondere was den Standort der Eishockeyhallen betrifft. Es gebe in Rapperswil-Jona zwei mögliche Standorte (Lido und Grünfeld), es gebe seit 20 Jahren auch ein Leitbild für deren Entwicklung (Eis- und Wassersport im Lido, Ballsport und Leichtathletik im Grünfeld), aber bei den letzten Diskussionen und Entscheidungen seien immer wieder auch neue Ideen auf den Tisch gekommen, insbesondere diejenige der Lakers-Trainingshalle im Grünfeld, welche zuvor schon in der Kritik des gleichen Autors gestanden hatte (s. oben, A). In diesem zweiten Text wird dem Stadtpräsidenten vorgeworfen, sich mit allen Mitteln (auch unfairen) durchsetzen zu wollen. Er verspreche zum Beispiel, auch das BWZ, also das Berufs- und Weiterbildungszentrum, und allenfalls auch eine Kantonsschule im Lido-Areal zu platzieren, anstatt es im Stadtzentrum neu zu bauen. Das Volk werde dazu aber leider nicht befragt. Mit der Option «BWZ und allenfalls auch noch Kantonsschule im Lido» gebe es aber keinen Platz mehr für die Eishalle, darum plädiere der Stadtpräsident für den Bau der Eishalle im Grünfeld. Stöckling habe sogar eine Volksinitiative über den BWZ-Standort unter Zuhilfenahme von Anwälten und Steuergeld verhindert. All dies unternehme er aus politischen Motiven: Die Wahlen stünden bevor, der Stadtpräsident versuche durch seine irrlichternden Versprechungen seine Wiederwahl zu sichern.
C. Am 14. Februar 2022 erhob der Stadtrat Rapperswil-Jona – über seine Anwälte – Beschwerde an den Presserat. Diese richtet sich gegen beide Artikel, welche «durch falsche Informationen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Rapperswil-Jona im politischen Meinungsbildungsprozess beeinflussen» wollten. Der Beschwerdeführer (BF) sieht die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») in mehreren Punkten verletzt, nämlich bei der Wahrheitssuche (Ziffer 1) der «Erklärung», bei der Trennung von Fakten und Kommentar (Richtlinie 2.3 zur «Erklärung»), beim Interessenkonflikt (Richtlinie 2.4 öffentliche Funktionen) und bei der Anhörung bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8).
Beim ersten Artikel «Grünfeld-Hallen …» sei die Aussage wahrheitswidrig, dass bei der Beschlussfassung seitens der Bürgerschaft schwerste Mängel vorgelegen hätten, insbesondere Unklarheit über die Empfänger der hohen Beträge: Das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich des Empfängers des Millionenkredits klargestellt, dass die Ausgaben eines Gemeinwesens in aller Regel an einen bestimmten Zweck gebunden seien, nicht an eine bestimmte Rechtsperson als Empfängerin. Ebenso wahrheitswidrig sei, dass der Stadtrat der Bürgerschaft etwas habe «vormachen» wollen, indem er die Betriebsgesellschaft der SC Rapperswil-Jona Lakers als Geldempfängerin bezeichnet habe und nicht die «Lakers Nachwuchs AG». Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) sei damit verletzt. Der Artikel verletze auch die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar). Er enthalte zahlreiche subjektive Wertungen des Autors («schwerste Mängel», «lasches oder irreführendes Vorgehen», «an der Nase herumgeführt» usw.). All dies sei aber nicht als Kommentar gekennzeichnet, im Gegenteil, der Artikel sei von einem als «Kommentar» bezeichneten Absatz gefolgt, was suggeriere, dass es zuvor um die Berichterstattung von Fakten gegangen sei. In zwei Passagen seien zudem schwere Vorwürfe erhoben worden, zu welchen die Stadt hätte angehört und zitiert werden müssen. Dies beim Vorwurf, der Stadtrat habe die Bürger betreffend die Empfänger der Gelder absichtlich falsch informiert, sowie beim Vorwurf, der Stadtrat habe das Stimmvolk durch irreführendes Vorgehen «an der Nase herumgeführt». Der Autor hätte den BF mit diesen Vorwürfen illegalen Verhaltens konfrontieren müssen.
Was den zweiten Artikel «Stöcklings irrlichternde Stad-Ver-planung» betrifft, beinhalte dieser – immer laut Beschwerdeführer – bewusste Desinformationen, welche durch «Angstmacherei» gegenüber dem Stimmvolk geprägt seien. Es gebe viele Ungenauigkeiten, aber speziell mit drei Aussagen sei die Pflicht zur Wahrheitssuche (Ziffer 1 der «Erklärung») verletzt. Nämlich damit,
– … dass der Stadtpräsident an sich und an sein Interesse und nicht an die Stadt denke. Das sei eine abwegige Darstellung, welche die Stimmbürger irreführe;
– … dass die Stadt für einen ergebnislosen Mitspracheprozess hinsichtlich der Sportstättenplanung 80’000Franken ausgegeben habe, wobei das Geld effektiv für weit mehr verwendet worden sei und dies auch nicht «ohne Ergebnis»;
– … dass das Volk sich nicht zur Initiative habe äussern dürfen, welche das BWZ in der Stadt behalten wolle, statt es mit einer Kantonsschule ins Lido zu verlegen. In Tat und Wahrheit habe das Verwaltungsgericht St. Gallen die Volksinitiative «BWZ im Stadtzentrum» für ungültig erklärt und zwar ausdrücklich, weil der Verkauf des Geländes an den Kanton 2016 sehr wohl vom Volk beschlossen worden sei. Die fragliche neue Initiative sei nicht «hintertrieben» worden, sondern sie hätte diesem Volksentscheid widersprochen und den damals beschlossenen Vertrag verletzt.
Der Beschwerdeführer sieht weiter eine Verletzung der Richtlinie 2.4 (öffentliche Funktionen, Interessenkonflikte), weil der Autor Hug im Text nicht erkennen liess, dass er selber Mitglied des Initiativkomitees «BWZ in Stadtzentrum» war, und dass er dadurch ein eigenes Interesse in Frage des BWZ-Standorts vertritt.
Schliesslich sei auch die Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) verletzt: Der Autor werfe dem Stadtpräsidenten illegales Verhalten vor, wenn er schreibe, dass dieser nur seine eigenen politischen Interessen verfolge, was für die Stadt gefährlich sei. Da schwinge der Vorwurf der Korruption mit, weil «dem Leser vorgegaukelt wird, dass es grundsätzlich keine sachlichen Gründe gebe für die betreffenden Projekte». Lauf Beschwerdeführer wäre eine Anhörung wegen des Vorwurfs von «ungetreuer Amtsführung» erforderlich gewesen.
D. Am 24. Mai 2022 nahm Bruno Hug, der Autor und Verleger von «Linth24», zur Beschwerde Stellung. Er stellt fest, der Stadtrat wolle mit dieser Beschwerde «eine kritische Medien-Stimme zum Schweigen bringen» und beantragt, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Seine Berichte und Kommentare basierten auf zuverlässigen Informationen, auf Aktenstudium und Fachwissen. Was die Trennung von Fakten und Kommentar anbelangt (Richtlinie 2.3), schreibt der Beschwerdegegner (BG), dass selbst beim ersten Bericht (der nicht explizit als Kommentar gekennzeichnet war, der Presserat) sein Name schon im Lead genannt worden sei. Da er der Verleger sei und jeweils nur grundlegende Themen kommentiere, erkenne die Leserschaft, dass es hier um einen Kommentar gehe, um eine persönliche Bewertung. Das Portal «Linth24» habe zum Thema Stadtplanung und Grünfeld-Standort so oft und regelmässig geschrieben, dass es klar sei, dass hier kommentiert werde. Dass dieser kommentierende erste Bericht am Schluss noch einen expliziten Abschnitt, überschrieben mit «Kommentar», enthalten habe, heisse nur, dass er (der Autor) den Fall noch von einer anderen Seite betrachten wollte.
Aussagen wie «schwerste Mängel» seien persönliche Wertungen. Es sei die Pflicht eines Journalisten, Mängel wie diejenigen einer Eishalle-Abstimmung zu zeigen, auch wenn das Gericht die Abstimmung nicht annulliert habe. Die kritische Beurteilung eines Gerichtsurteils müsse einem Journalisten möglich sein. Eine Stellungnahme (Richtlinie 3.8) sei bei einem kommentierenden Bericht nicht erforderlich. Beim zweiten Artikel werde mit «Kommentar von Bruno Hug» gleich klargemacht, dass es sich um eine «persönliche Wertung» bezüglich der Stadtplanung handle. Und was seine Mitgliedschaft im BWZ-Komitee anbelangt (Richtlinie 2.4 öffentliche Funktionen), schreibt der BG, dass seine Position schon in «unzähligen» Berichten genannt worden sei, dass sie dadurch hinlänglich bekannt sei.
Was den Wahrheitsgehalt seiner Artikel betreffe (Ziffer 1, Richtlinie 1.1), schreibt der BG: «Die von uns beschriebenen Fakten sind fundiert, enthalten eine persönliche Bewertung und halten der Prüfung in allen Belangen stand.»
E. Die Beschwerde wurde am 20. Juni 2022 und auf dem Korrespondenzweg von der 1. Kammer behandelt, die sich wie folgt zusammensetzt: Susan Boos, Präsidentin, Luca Allidi, Dennis Bühler, Ursin Cadisch, Michael Herzka, Francesca Luvini und Casper Selg.
II. Erwägungen
1. Zum ersten Artikel: Es ist dem Beschwerdegegner zunächst zuzustimmen, wenn er sagt, dass JournalistInnen in der Lage und berechtigt sein müssen, Behörden, Institutionen, Firmen kritisch zu begleiten, ohne deswegen belangt werden zu können. Die Kommentarfreiheit ist selbstverständlich gewährleistet und sie ist sehr wichtig (Ziffer 2 der «Erklärung»). Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass Kommentare für die Leserschaft als solche deutlich erkennbar sind (Richtlinie 2.3: «Journalistinnen und Journalisten achten darauf, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann»).
2. Im Fall des ersten Artikels ist zum Thema Trennung von Fakten und Kommentar (Richtlinie 2.3) festzustellen, dass er eine Mischung von berichtenden und kommentierenden Elementen enthält. Bei einigen Bewertungen ist klar, dass es sich um die Meinung des Autors handeln muss, Beispiel: «Dass mit solch laschem oder gar irreführendem Vorgehen das Stimmvolk jederzeit an der Nase herumgeführt werden kann, scheint den Richtern egal zu sein.» In anderen Fällen kann der Durchschnittsleser, die Durchschnittsleserin, auf die der Presserat abzustellen pflegt, aber nicht erkennen, ob eine inhaltliche Feststellung sachlich berichtet oder kommentiert wird. Beispiel im Titel: «Grünfeld-Hallen: Gericht lässt dem Stadtrat alles durch», im Lead: «Das Verwaltungsgericht versenkt die Einsprache gegen die Lakers-Halle im Grünfeld. Offenbar ist dem Stadtrat alles erlaubt. Wo die Halle gebaut wird, ist offen.» Nachdem anschliessend in reiner Berichterstattung die kritische Reaktion des Vertreters der Einsprecher, die vor Gericht gingen, zitiert wurde, folgt der Zwischentitel: «Gericht deckt Stadtrat» und der Text: «Auch bei der Bürgerversammlungs-Vorlage lässt das Gericht dem Stadtrat schwerste Mängel durch.» Oder: «Die ‹Absichtserklärung› zum Deal zwischen Stadt und Lakers wurde, husch-husch, gerade einmal drei Tage vor der Bürgerversammlung hingezaubert. Und den Bürgern erst noch verschwiegen.» Hier ist unklar, ob über ein Gerichtsurteil lediglich berichtet oder aber ob dieses auch kommentiert wird, hier gehen Berichterstattung und Kommentierung in einer Weise ineinander über, welche für die Leserschaft nicht mehr überblickbar erscheint. Die klar erkennbare Trennung von Fakten und Kommentar ist nicht gegeben.
Der Autor weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sein Name zu Beginn des Artikels erwähnt sei, wodurch es für die interessierte Leserschaft klar werde, dass der Text als Kommentar zu verstehen sei. Andernfalls stünde sein Name am Ende des Textes. Das gelte gleich wie etwa in der «Neuen Zürcher Zeitung» am Samstag, wo der Kommentar auf der Frontseite auch bewusst mit dem Namen des Autors zu Beginn des Textes signalisiert sei.
Dazu ist festzuhalten, dass dieser Unterschied für eine durchschnittliche Leserschaft, nur aufgrund der Platzierung des Namens zu Beginn oder am Ende des Textes, nicht evident wird. Auch ist der Samstags-Leitartikel auf der Front der NZZ nicht mit dem Layout eines Online-Portals zu vergleichen. Der Leitartikel der NZZ ist mit seinem kursiven Lead deutlich abgehoben, zudem findet sich der vorangestellte Name des Autors, der Autorin nicht nur beim Leitartikel, sondern bei fast jedem, auch nicht kommentierenden Text der NZZ.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass am Schluss des Artikels eine Passage steht, die ausdrücklich mit Kommentar überschrieben ist, woraus sich für die Leserschaft ergibt, dass zuvor nicht auch ein Kommentar gestanden haben kann. Es wird vielmehr der Eindruck erweckt von einer Auslegeordnung, gefolgt von einer Einordnung. Die Auslegeordnung bemüht sich aber nicht darum, wesentliche Elemente des zu besprechenden Verwaltungsgerichts-Urteils und seiner Begründungen – vor der kritischen Kommentierung – darzulegen.
Die laut Richtlinie 2.3 geforderte Trennung von Bericht und Kommentar ist nicht in genügendem Masse gegeben. Ziffer 2 der «Erklärung» ist somit mit dem ersten Artikel verletzt.
3. Der Beschwerdeführer macht geltend, der erste Artikel verletze auch die Wahrheitspflicht (Ziffer 1, Richtlinie 1.1), weil behauptet werde, dass bei der Beschlussfassung seitens der Bürgerschaft schwerste Mängel vorgelegen hätten. Das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich des Empfängers des Millionenkredites vielmehr klargestellt, dass die Ausgaben eines Gemeinwesens in aller Regel an einen bestimmten Zweck gebunden seien, nicht an eine bestimmte Rechtsperson als Empfängerin. Ebenso wahrheitswidrig sei, dass der Stadtrat der Bürgerschaft etwas habe «vormachen» wollen, indem er die Betriebsgesellschaft der SC Rapperswil-Jona Lakers als Geldempfängerin bezeichnet habe und nicht die «Lakers Nachwuchs AG».
Dazu ist festzuhalten, dass der Autor in beiden Fällen eine Bewertung eines richterlichen Urteils vornimmt. Im ersten Fall bewertet er die Beurteilung des Gerichts hinsichtlich der ungenauen Bezeichnung der zu bezuschussenden AG als unsachgemäss «womit künftig irreführende Angaben gegenüber der Bürgerschaft (…) ausgebügelt werden dürfen». Dasselbe gilt für die weitere Bewertung, wonach der Stadtrat der Bürgerschaft mit seiner Lösung etwas habe «vormachen» wollen. Beides sind kommentierende journalistische Bewertungen von Entscheiden, die Richtlinie 1.1 ist damit nicht verletzt. Dies gilt auch, wenn gerügt werden muss, dass hier zwischen Kommentar und Fakten nicht deutlich genug getrennt wurde.
4. Auch die Anhörung bei schweren Vorwürfen (RL 3.8) sieht der Presserat im ersten Artikel nicht als verletzt. «Linth24» kritisiert zwar den Entscheid des Verwaltungsgerichts und damit implizit auch ein früheres Verhalten der Stadtregierung scharf. Kritik, auch entschiedene Kritik an Gerichtsentscheiden oder an Regierungshandeln muss im Rahmen von kommentierenden Bemerkungen wie eingangs erwähnt (Erwägung 1) zulässig sein. Zwar kritisiert der Autor den Gerichtsentscheid mit der Bemerkung, dieser erlaube es, «mit solch laschem oder gar irreführendem Vorgehen das Stimmvolk jederzeit an der Nase» herumzuführen, was der Stadtrat Rapperswil-Jona als Vorwurf eines illegalen Verhaltens seinerseits taxiert, zu welchem er hätte angehört werden müssen. Dies träfe zu, wenn es sich um einen Faktenbericht über das Verhalten der Stadtregierung gehandelt hätte. Hier aber geht es primär um das Handeln des Gerichts und dies in der Form einer klar kommentierenden Bemerkung. Diese Kritik und die damit verbundene Interpretation muss zulässig sein. Auch hier gilt dies, selbst wenn gleichzeitig gerügt werden muss, dass zwischen Kommentar und Fakten nicht deutlich genug getrennt wurde. Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) ist nicht verletzt.
Bezogen auf den zweiten Artikel, den (klar deklarierten) Kommentar «Stöcklings irrlichternde Stadt-Ver-planung» macht der Beschwerdeführer zunächst drei Verstösse gegen die Wahrheitspflicht (Richtlinie 1.1) geltend:
– Die Bemerkung in der Bildlegende, wonach Stadtpräsident Stöckling bei der Planung des Lido-Geländes mehr an sich als an die Stadt zu denken scheine. Dieser Satz behauptet nichts, was unwahr wäre, wie das für eine Verletzung der Wahrheitspflicht erforderlich wäre, sondern er stellt eine persönliche Vermutung auf («scheint … zu denken»). Das muss in einem Kommentar zulässig sein.
– Die Bemerkung, wonach für einen Volks-Mitspracheprozess 80’000 Franken über die Sportstättenplanung ausgegeben worden seien, von dem aber weit und breit kein Ergebnis vorliege. Gemäss den dem Presserat vorliegenden Unterlagen ist diese Behauptung in dieser Form falsch. Offenbar sind die 80’000 Franken für eine ganze Reihe von Aufgaben vorgesehen gewesen, die Volksbefragung machte laut BF rund ein Viertel davon aus. Selbst wenn es mehr gewesen sein sollte: Hier wurde dem Kommentar ein falsches Faktum unterlegt.
– Die Bemerkung, wonach der Stadtpräsident – anstatt das Volk zum Standort zu befragen – Anwälte und ein Gericht bemühe, um eine Volksinitiative zur Klärung dieser Frage zu hintertreiben. Der BF kritisiert zweierlei: Zum einen werde der falsche Eindruck erweckt, die Stadt wolle dem Volk kein Gehör schenken. Richtig sei aber, dass das Volk 2016 über den Verkauf des Lido an den Kanton und die damit verbundenen Projekte (BWZ, Kantonsschule) sehr wohl habe abstimmen können. Und zweitens werde mit «hintertrieben» etwas Falsches suggeriert. Wahr sei, dass das Verwaltungsgericht die Initiative für ungültig erklärt habe, weil aufgrund des Verkaufs des Lido an den Kanton nur dieser, nicht aber die mit der Initiative angesprochene Stadt über die Bebauung des Areals entscheiden könne.
Dass der Stadtpräsident eine Volksabstimmung «hintertrieben» habe, entspricht einer scharfen Kritik. Die muss möglich sein, aber sie muss durch Fakten gestützt sein. Hier hatte das Gericht eben entschieden, dass eine Abstimmung zur besagten Initiative rechtlich nicht zulässig gewesen wäre. Und der Text erwähnt nicht, dass das Volk zu einer zentralen Frage in diesem Zusammenhang bereits befragt worden ist. Das Auslassen dieser im Zusammenhang mit der scharfen Kritik relevanten Informationen entspricht einem Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Die Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung» wurde in diesem Kommentar verletzt.
Öffentliche Funktionen (Richtlinie 2.4): Der Autor und Beschwerdegegner ist Mitglied des Komitees, das die fragliche Initiative lanciert hat. Er engagiert sich selber aktiv gegen den Bau von BWZ und Kantonsschule auf dem Gebiet Lido. Die Richtlinie 2.4 (öffentliche Funktionen) verlangt: «Die Ausübung des Berufs der Journalistin, des Journalisten ist grundsätzlich nicht mit der Ausübung einer öffentlichen Funktion vereinbar. Wird eine politische Tätigkeit aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise wahrgenommen, ist auf eine strikte Trennung der Funktionen zu achten. Zudem muss die politische Funktion dem Publikum zur Kenntnis gebracht werden. Interessenkonflikte schaden dem Ansehen der Medien und der Würde des Berufs. Dieselben Regeln gelten auch für private Tätigkeiten, die sich mit der Informationstätigkeit überschneiden könnten.» Daraus ergibt sich, dass die Funktion des Autors bezogen auf das zur Diskussion stehende Thema hätte deklariert werden müssen (etwa so: «Der Autor Bruno Hug ist Mitglied des Initiativkomitees für den Ausbau des BWZ im Stadtzentrum», oder «(…) gegen den Bau des BWZ im Lido»). Die Richtlinie 2.4 (öffentliche Funktionen) ist aufgrund dieser Unterlassung verletzt.
Anhörung bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8): Der BF beklagt schwere Vorwürfe in diesem Kommentar, welche den Vorwurf von Korruption mitschwingen liessen. Der Kommentar kritisiert den Stadtpräsidenten in der Tat deutlich. Korruption wird aber nicht geltend gemacht. Es wird gesagt, Stadtpräsident Stöckling gehe es – wie es scheine – nicht um das Wohl der Stadt, sondern er kämpfe angesichts verschiedenster, im Einzelnen aufgeführter Fehlleistungen um sein politisches Überleben. Er versuche dieses mit einem Stillstand in Sachen Eishalle und Lido zu sichern. Das ist eine sehr kritische Beurteilung eines Amtsinhabers und von dessen Politik. Dagegen ist nichts einzuwenden. Anders wäre dies in der Tat, wenn von Korruption, von Bestechlichkeit die Rede wäre, wenn also der Deliktsvorwurf einer ungetreuen Amtsführung erhoben worden wäre. Das ist nicht der Fall. Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) ist mit dem zweiten Text, dem Kommentar, nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. «Linth24» hat mit den zwei Texten «Grünfeld-Hallen: Gericht lässt dem Stadtrat alles durch» vom 15. November 2021 und «Stöcklings irrlichternde Stadt-Ver-planung» vom 28. November 2021 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 2 (Trennung von Fakten und Kommentar, öffentliche Funktionen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. In den übrigen Teilen wird die Beschwerde abgewiesen.