Nr. 27/2021
Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung

(X. c. «Schweizer Illustrierte»)

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Zusammenfassung

Redaktionelle Beiträge und Werbung müssen ohne Ausnahme strikt getrennt sein. Fliesst für Inhalte Geld in irgendeiner Form, muss das für Leserinnen und Leser erkennbar sein. Der Presserat erinnert jetzt an diese unabdingbare Norm, indem er eine Beschwerde gegen eine vierteilige Reportageserie der «Schweizer Illustrierten» (SI) gutgeheissen hat.

Zwischen April und Juni 2020 veröffentlichte die Zeitschrift im Rahmen der Aktion «Mehr Schweiz im Teller» vier Porträts vorbildlicher Bauernhöfe. Diese sollten die Bedeutung der einheimischen Lebensmittel in Pandemiezeiten aufzeigen. Aus den Beschwerdeunterlagen geht jedoch hervor, dass das Projekt von Agro- Marketing Suisse finanziert wurde und die Beiträge später als Publireportagen in anderen Publikationen des Ringier-Verlags erscheinen sollten. Der Hinweis, dass Geld floss, fehlte in allen vier SI-Beiträgen. Bei der ersten Reportage war zwar vermerkt, die Serie sei eine Zusammenarbeit mit den Schweizer Bauern, doch erst beim letzten Beitrag stand der explizite Vermerk «in Zusammenarbeit mit Agro-Marketing Suisse und dem Schweizer Bauernverband». Das reicht nicht, um der Leserschaft die Natur der bezahlten Inhalte transparent zu machen. Damit diese nicht in die Irre geführt wird, muss die Zusammenarbeit klar als kommerziell und bezahlt deklariert sein, und das bei jedem einzelnen Beitrag.

Résumé

Tous les articles rédactionnels doivent être strictement séparés des textes publicitaires, sans exception. Lorsque de l’argent est versé, sous quelque forme que ce soit, le lecteur doit le voir. Le Conseil de la presse rappelle cette règle intangible en acceptant une plainte contre la série de reportages réalisée par la «Schweizer Illustrierte».

Entre avril et juin 2020, le journal avait publié quatre portraits de fermiers suisses exemplaires dans le cadre de l’opération «Mehr Schweiz im Teller» (davantage de Suisse dans l’assiette). Ces portraits visaient à montrer l’importance des produits indigènes en ces temps de pandémie. Il ressort toutefois des documents accompagnant la plainte que le projet a été financé par Agro-Marketing Suisse et que les articles devaient paraître ultérieurement en tant que publireportages dans d’autres publications des éditions Ringier. Aucun des quatre portraits parus dans la «Schweizer Illustrierte» ne mentionnait qu’ils avaient été payés. Le premier des reportages indiquait certes que la série était le fruit d’une collaboration avec les paysans suisses, mais seul le dernier portait la mention explicite «in Zusammenarbeit mit Agro-Marketing Suisse und dem Schweizer Bauernverband» (en collaboration avec Agro-Marketing Suisse et l’Union suisse des paysans). Ça ne suffit pas pour rendre transparente aux yeux des lecteurs la nature des contenus achetés. Pour que ceux-ci ne soient pas induits en erreur, il faut que la collaboration soit clairement déclarée comme commerciale et ce, dans chaque article.

Riassunto

Contributi redazionali e pubblicità, senza eccezioni, devono essere tenuti rigorosamente separati. Nel momento in cui, in una qualsiasi forma, entra denaro per dei contenuti, i lettori e le lettrici devono poterlo riconoscere chiaramente. Il Consiglio della stampa ricorda questa indispensabile norma visto che ha accolto un reclamo contro un reportage in quattro puntate pubblicato sulla «Schweizer Illustrierte» (SI).

La rivista tra aprile e giugno 2020 in occasione dell’iniziativa «Più Svizzera nel piatto» ha pubblicato quattro ritratti di fattorie esemplari. L’intento era quello di sottolineare l’importanza dei prodotti nostrani in tempi di pandemia. Dalla documentazione del reclamo risulta però che il progetto è stato finanziato dall‘Agro- Marketing Suisse e i reportage sono stati pubblicati in altri prodotti dell’editore Ringier sottoforma di Publireportage/Publiredazionali. L’indicazione che i contenuti fossero a pagamento era mancante in ciascuno dei quattro ritratti. Nel caso del primo era indicato che si trattava di una collaborazione con i contadini svizzeri, soltanto nell’ultimo contributo veniva esplicitato chiaramente «in collaborazione con Agro-Marketing Suisse e l’Associazione dei contadini svizzeri». Non è però sufficiente ad indicare ai lettori e alle lettrici in modo trasparente la natura dei contenuti. Perché non vi siano malintesi la collaborazione di natura commerciale e a pagamento deve essere citata in modo chiaro come tale e questo in ogni singolo contributo.

I. Sachverhalt

A. Zwischen dem 24. April und dem 12. Juni 2020 veröffentlichte die «Schweizer Illustrierte» (SI) im Rahmen der Aktion «Mehr Schweiz im Teller» vier Beiträge. Zusammen mit dem ersten Beitrag wird diese Aktion im Editorial von Co-Chefredaktor Werner de Schepper als Zusammenarbeit mit den Schweizer Bauern vorgestellt: «Vielleicht ist das etwas, was von der Corona-Zeit bleibt, dass wir wieder wissen wollen, woher unser Essen herkommt, darum lanciert die ‹Schweizer Illustrierte› mit den Schweizer Bauern die Aktion Mehr Schweiz im Teller.» Die Aktion wird ausserdem mit einem Schreiben von Bundesrat Guy Parmelin eingeführt, in dem er die Resilienz der Landwirtschaft in der Pandemie unterstreicht: «Profitieren wir von unseren einheimischen Nahrungsmitteln und seien wir dankbar dafür», lautet sein Appell.

Die vier Artikel erscheinen in verschiedenen Ausgaben und tragen jeweils die rot unterlegte Überschrift «Mehr Schweiz im Teller». Am Ende der Artikel folgt das Logo von «Suisse Garantie» oder «Swissmilk green» sowie ein schwarz unterlegter Kasten, der den Titel «fakt» trägt. Die Artikelserie stammt von der ständigen SI-Mitarbeiterin Manuela Enggist, die Bilder vom SI-Fotografen Kurt Reichenbach. Enggist porträtiert insgesamt vier Bauernhöfe. Im Beitrag «Die Ruhe vor der Spargeln-Hochsaison» vom 24. April 2020 geht es um Gemüseanbau im Kanton Zürich; im «fakt»-Kasten» lautet die Überschrift «Schweizer Gemüse – es hat genug für alle!». Im Beitrag «Alles für die Kuh» vom 8. Mai 2020 geht es um einen Milchbetrieb am Bodensee, im «fakt»-Kasten heisst es in der Überschrift: «Swissmilk green – für nachhaltige Schweizer Milch». Im Beitrag «Sauwohl mit viel Freilauf» vom 22. Mai steht die Schweinezucht im Aargau im Zentrum, hier lautet die Überschrift des «fakt»-Kastens: «Unsere Lebensmittel: Auf die inneren Werte kommt es an!». Im letzten Beitrag «Im Bann der Beeren» vom 12. Juni geht es um Beerenanbau im Kanton Zug, Überschrift des «fakt»-Kastens: «Eine Aktion für die Bauern». Bei jedem Porträt wird mit Text und Fotos der Alltag auf den Höfen dargestellt, gewisse Zahlen genannt und die Schwierigkeiten in Pandemiezeiten dargestellt. In den «fakt»-Boxen werden Hinweise auf Hofläden und die Produktion in der Schweiz gemacht, Webseiten für zusätzliche Informationen angeführt und immer wieder darauf hingewiesen, dass Schweizer Bäuerinnen und Bauern genug Lebensmittel produzieren für alle.

Bei der vorletzten Publikation gibt es ein zusätzliches, weiss unterlegtes Info-Kästchen mit Informationen über Hofläden und Produktion von Fleisch in der Schweiz und Links zu mehreren Webseiten; dieser Kasten ist ohne Logo. Bei der letzten Publikation wird im Kästchen erklärt, wie die Aktion «Mehr Schweiz im Teller» entstanden ist: als eine «Aktion für die Bauern» «von Verlag und Redaktion der Schweizer Illustrierten in Zusammenarbeit mit Agro-Marketing Suisse und dem Schweizer Bauernverband». Es folgt ein Interview mit dem Agro-Marketing-Chef, in dem er erklärt, Ziel der Werbekampagne sei es, das Interesse an der Arbeit der Schweizer Bauern während der Corona-Zeit zu wecken. Er sagt auch, man zahle dafür, damit die Texte in anderen Medien als deklarierte Publireportagen erscheinen würden.

B. Am 20. Juni 2020 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er sieht in den vier Artikeln der SI eine Verletzung des Journalistenkodex, weil sie nicht klar als Native Advertising gekennzeichnet seien. Er macht geltend, die Beiträge der Aktion «Mehr Schweiz im Teller» seien vom Schweizer Bauernverband bezahlt, dieser Hinweis finde sich jedoch nirgends. Layout und Gestaltung seien identisch mit anderen redaktionellen Teilen, Hinweise auf Publireportagen fehlten, die Grenzen zwischen Werbung und Journalismus würden vermischt und die Leserschaft in die Irre geführt. Der Beschwerdeführer zitiert in diesem Zusammenhang, was in der «Bauernzeitung» vom 15. Mai 2020 über die Aktion «Mehr Schweiz im Teller» steht: dass es sich um eine laufende Zusammenarbeit zwischen Ringier-Medien und der Landwirtschaft handle. In einem der Beschwerde beigelegten internen Papier des Bauernverbandes steht, dass dieses Projekt als Folge der Pandemie entstanden ist, um die Bedeutung und Anerkennung einheimischer Produkte zu unterstreichen. Gemäss diesem Dokument habe Agro-Marketing Suisse das Ringier-Projekt mit 300’000 Franken finanziert. Es solle keine klassische Anzeigenkampagne sein – vielmehr solle durch redaktionelle Beiträge oder Publireportagen die Wichtigkeit einheimischer Produkte aufgezeigt werden.

Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung»), speziell von Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), weil die Leserschaft durch «schönfärberische» Artikel und ohne kritische Fragen getäuscht werde; Ziffer 2 (Freiheit und Unabhängigkeit der Information) sieht er verletzt, weil durch Verwischung der Grenzen zwischen bezahlter Berichterstattung und redaktionellem Inhalt die Unabhängigkeit der Journalisten in Frage gestellt werde; Ziffer 3 (Quellenarbeit), weil der Auftraggeber der Publireportagen verschleiert werde; Ziffer 10 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung), weil die Artikelserie die kommerziellen und politischen Hintergründe verschleiere (im Parlament laufe zur Zeit die Diskussion über die Pestizidinitiative, die Wasserinitiative und die Agrarpolitik 22+, NdR).

C. Am 30. September 2020 nahm die «Schweizer Illustrierte» Stellung zur Beschwerde. Die Artikelserie sei eine publizistische Initiative, die nach einem Interview mit Bundesrat Guy Parmelin entstanden sei. Dies sei vermerkt worden als eine Aktion von Verlag und Redaktion der «Schweizer Illustrierten» in Zusammenarbeit mit Agro-Marketing Suisse und dem Schweizer Bauernverband. Der Bauernverband habe der Redaktion bei der Suche der Bauernhöfe geholfen. Agro-Marketing Suisse habe dann später gewünscht, dass die Serie auch in anderen Ringier-Medien als klar deklarierte Publireportagen veröffentlicht werde.

D. Nach einer Aufforderung des Presseratspräsidiums nimmt die SI am 7. Dezember 2020 erneut Stellung und ergänzt die Informationen über die Art der Zusammenarbeit mit dem Bauernverband. Dieser habe eine Reihe von Bauernhöfen vorgeschlagen, die eigentliche Auswahl habe aber bei der Redaktion gelegen. Die vier Porträts seien dann durch eine erfahrene Journalistin und einen erfahrenen Fotografen nach rein journalistischen Kriterien verfasst worden. Weder Bauernverband noch Agro-Marketing Suisse hätten inhaltliche Änderungen vorgenommen. Die porträtierten Bauern hätten – wie üblich – den Text vor der Publikation anschauen können. Anschliessend wird nochmals erwähnt, dass die Aktion als Zusammenarbeit mit dem Schweizer Bauernverband (SBV) und Agro-Marketing Suisse (AMS) entstanden ist, und dass bei jedem einzelnen Bericht in einer farblich hervorgehobenen Box festgehalten werde, dass Mehr Schweiz im Teller eine Aktion von Verlag und Redaktion der SI in Zusammenarbeit mit AMS und SBV sei, dass immer das Logo von AMS «Suisse Garantie» platziert worden sei und dass am Ende ein Interview mit dem AMS-Chef publiziert worden sei, in dem all dies noch einmal klar gesagt werde.

E. Am 22. Dezember 2020 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde von der 1. Kammer des Presserats behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Luca Allidi, Dennis Bühler, Ursin Cadisch, Michael Herzka, Francesca Luvini und Casper Selg.

F. Die 1. Kammer hat die vorliegende Stellungnahme an ihrer Sitzung vom 2. Februar 2021 sowie auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägung

Grundsätzlich handelt es sich bei den vier Beiträgen um Porträts von als vorbildlich dargestellten Höfen in Zeiten der Pandemie. Die Serie will die Bedeutung der einheimischen Lebensmittel in Krisenzeiten zeigen, was durchaus legitim ist.

Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Beiträge seien vom Schweizer Bauernverband bezahlt worden. Für den Presserat handelt es sich hier um den Hauptpunkt der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verletzungen der «Erklärung». Er konzentriert sich deshalb auf den wesentlichen Punkt der Beschwerde, in diesem Fall auf die gerügte Ziffer 10 der «Erklärung».

Ziffer 10 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie jede Form von kommerzieller Werbung vermeiden und keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten akzeptieren. Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Journalistinnen und Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen.

Die vier Reportagen werden als Serie und Aktion «Mehr Schweiz im Teller» dargestellt, die als Folge eines Interviews mit Bundesrat Parmelin entstanden ist. Die Serie wird im ersten Teil als Zusammenarbeit mit den Schweizer Bauern präsentiert und erst im letzten Teil explizit als Zusammenarbeit mit dem Schweizer Bauernverband, in den anderen zwei Publikationen fehlt dieser Hinweis.

Die Art der Zusammenarbeit wird nicht näher erklärt: Ist es eine kommerzielle Zusammenarbeit? Ist es Werbung? Aus den Akten, die dem Presserat vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt worden sind – speziell aus dem PR-Konzept des Bauernverbands – geht hervor, dass das Projekt von Agro-Marketing Suisse mit 300’000 Franken finanziert worden ist. Das wird in der Beschwerdeantwort nicht bestritten. Es ist somit davon auszugehen, dass Geld geflossen ist.

Zudem wird explizit erklärt, dass die Artikel als Publireportagen in anderen Ringier-Medien weiterverwendet werden sollen, was darauf schliessen lässt, dass es sich auch bei den Beiträgen in der SI um Publireportagen handelte, also um bezahlten Inhalt bzw. um Werbung.

Die vier Porträts waren nicht als Werbung deklariert: «In Zusammenarbeit» reicht nicht für eine klare Abgrenzung zwischen redaktionellem Teil und Werbung; das wurde vom Presserat in der Vergangenheit bereits mehrmals festgestellt, siehe insbesondere Stellungnahme 4/2019, in welcher der Presserat festhielt, dass die Geschäftsbeziehung verschleiernde Wortgebilde «In Kooperation mit …», welche das Vertrauen der Leserschaft in den Journalismus zu untergraben vermögen, grundsätzlich ersetzt werden sollen durch den unmissverständlichen Begriff «Werbung». Vorliegend fehlt eine solche Deklaration, weshalb die Leserschaft über die Natur der Beiträge in die Irre geführt wird. Ziffer 10 der «Erklärung» wurde somit verletzt.

III. Feststellungen

1. Der Presserat heisst die Beschwerde im wesentlichen Punkt gut.

2. Die «Schweizer Illustrierte» hat mit der vierteiligen Serie «Mehr Schweiz im Teller» gegen die Ziffer 10 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.