I. Sachverhalt
A. Am 28. März 2019 veröffentlichte die «Basler Zeitung» (BaZ) einen Artikel von Serkan Abrecht unter dem Titel «Widerstand gegen die Muslimkommission», Untertitel «Die Hicret-Moschee will mehr für ihre Mitglieder tun und distanziert sich vom Dachverband». Auf der Frontseite wies ein Anriss mit dem Titel «Streit unter Muslimen» auf den Hauptartikel hin. Beide Texte drehten sich darum, dass sich mittlerweile eine dritte Basler Moschee entschieden habe, aus dem Dachverband, der «Basler Muslimkommission» (BMK) auszutreten. Es wird aus einem Austritts-Schreiben zitiert, unterzeichnet von zwei Vorstandsmitgliedern der Hicret-Moschee, Ahmet Koca und dessen Sohn Abdulhamid Koca. Als Grund für den Austritt wird im Austrittsschreiben angegeben, dass sich die Hicret-Moschee nicht mehr vertreten fühle von der BMK. Man wolle sich verstärkt für Ausbildung und Integration engagieren und nicht nur religiöse Aspekte im Vordergrund sehen, erklärt Abdulhamid Koca im Gespräch mit dem Autor. Das sei insbesondere wichtig für Jugendliche und junge Erwachsene. Als Hintergrund des Streits gibt der Artikel an, dass die BMK einen Kurs vertrete, wie ihn die türkische AKP vorgebe, das habe schon früher zu Spannungen zwischen der Hicret-Moschee und der BMK geführt.
B. Am 7. Mai 2019 schrieb X., Vorstandsmitglied der BMK, dem Autor Serkan Abrecht einen Brief mit der Bitte um eine Richtigstellung im Blatt. Es treffe nicht mehr zu, dass die Hicret-Moschee aus dem Dachverband, der Basler Muslimkommission, ausgetreten sei. Er legte ein Schreiben von (Vater) Ahmet Koca bei, in welchem dieser «im Namen des ganzen Vorstandes» festhält, dass der Bericht der BaZ, wonach die Hicret-Moschee aus der BMK auszutreten wünsche, nicht der Wahrheit entspreche. Ein Vorstandsmitglied habe damals aus eigener Initiative gehandelt. Die Hicret-Moschee bleibe Mitglied der BMK und das seinerzeit eingereichte Austrittsschreiben sei nichtig.
Autor Abrecht antwortete X. gleichentags, er habe vernommen, dass die BMK Druck auf Personen der Moschee ausgeübt habe, den Austritt zu widerrufen, er möge doch dazu Stellung nehmen. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die BMK als auch der Stadtentwickler des Kantons seinerzeit vom Austritt «Kenntnis genommen» hatten, seien die Hintergründe zur neuen Entwicklung mindestens unklar. Eine Richtigstellung wäre «nicht richtig», solange die Hintergründe bei diesem Thema «nicht abschliessend geklärt» seien.
C. Am 27. Juni 2019 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein und machte eine Verletzung der zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») gehörenden Richtlinie 5.1 (Berichtigungspflicht) geltend. Mit seinem Schreiben vom 7. Mai habe er den Autor der Artikel – mit beigefügtem Beleg – darauf aufmerksam gemacht, dass die Hicret-Moschee schriftlich erklärt habe, sie sei nicht aus der BMK ausgetreten. Damit sei die Hauptaussage des Textes falsch. Der Autor habe ihn bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass eine Richtigstellung nicht möglich sei, bis die Hintergründe zum Thema geklärt seien. Seither habe er aber nichts mehr vom Autor gehört. Da aber der Journalist gemäss Richtlinie 5.1 verpflichtet sei, einen Sachverhalt von sich aus richtigzustellen, wenn dieser sich als falsch erweise, verstosse er mit seiner Weigerung gegen seine journalistische Pflicht.
D. Am 16. September 2019 nahm die Rechtsabteilung von Tamedia im Namen der «Basler Zeitung» zur Beschwerde Stellung. Sie verlangt vollumfängliche Abweisung. Es sei der BaZ nicht möglich, eine Richtigstellung zu drucken, wenn ein Sachverhalt überhaupt nicht geklärt sei. Und das sei er nicht, aus mehreren Gründen:
Der Hintergrund zum erstaunlichen Rückzug des Austritts sei von Beginn an nicht klar gewesen, der Autor habe aber Informationen gehabt, wonach dieser Rückzug auf Druck aus der BMK zurückzuführen gewesen sei.
Im Lauf der späteren Recherchen hätten mehrere Mitglieder der Hicret-Moschee den Druck seitens der BMK bestätigt. Auch der Basler Stadtentwickler, der von der Hicret-Moschee teilweise in die Vorgänge einbezogen worden sei, gehe von Druck seitens der BMK als Ursache für den Rückzieher aus.
Zwei weitere, namentlich genannte Vorstandsmitglieder der Hicret-Moschee neben Abdulhamid Koca hätten im späteren Verlauf der Recherchen die Richtigkeit der im Artikel angeführten Fakten bestätigt, insbesondere auch der später festgestellten Tatsache, dass der Austritt nicht wie behauptet eine Einzelaktion des jungen Koca gewesen sei. Diese Bestätigung der beiden weiteren Vorstandsmitglieder legt die BaZ schriftlich bei.
Es wird im Weiteren im Detail darauf hingewiesen, dass die Rollen fast sämtlicher Beteiligter, inklusive des Beschwerdeführers, unklar seien. Die behaupteten und die offiziell angeführten Funktionen stimmten nicht überein.
Aus all diesen Gründen sei die Faktenlage in dieser Angelegenheit, wenn nicht ganz anders als vom Beschwerdeführer behauptet, so doch mindestens sehr unklar. Jedenfalls könne von einem «Fehler» in der Sachverhaltsdarstellung der BaZ, der von sich aus und unverzüglich berichtigt werden müsse, nicht die Rede sein. Dies umso weniger, als inzwischen, am 29. August 2019, auch der Präsident der Basler Muslimkommission, Islam Selim Karatekin, zu allen Vorwürfen im BaZ-Interview habe Stellung nehmen können.
E. Der Presserat teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 20. April 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht und erfüllt die formalen Anforderungen. Der Presserat tritt auf sie ein.
2. Bei der Frage, ob die «Basler Zeitung» mit dem Unterlassen einer Richtigstellung Richtlinie 5.1 verletzt habe, ist darauf abzustellen, ob erstens ein Fehler unterlaufen ist, welcher vom betreffenden Medium unverzüglich und von sich aus durch – zweitens – eine richtige Darstellung ersetzt werden muss.
Es trifft zu, wie der Beschwerdeführer feststellt, dass mit dem Rückzugsschreiben ein Element aufgetaucht ist, welches dem Artikel widerspricht. Aber der Presserat stimmt der Redaktion zu, dass weitgehend unklar geblieben ist, was in diesem Zusammenhang stimmt und was nicht.
Es ist erstens schon offen geblieben, wer eigentlich in welchem Verein welche Rolle spielt und wer welchem Schritt wirklich zugestimmt hat. Damit ist unklar, welche Erklärungen rechtswirksam waren und welche nicht. Das betrifft den Austritt der Hicret-Moschee aus der Basler Muslimkommission selber, die Rückzugserklärung vom Austritt, wie auch die Rolle des Beschwerdeführers, der für die BMK spricht.
Zweitens ist angesichts der Umstände nicht klar, ob die vorgelegte Rückzugserklärung aus freien Stücken erfolgte oder nicht. Es gibt Erklärungen von mehreren Zeugen, welche besagen, das sei nicht der Fall gewesen. Wenn aber der Rückzug unter Druck erfolgt sein sollte, wäre eine Richtigstellung, wonach der Austritt doch nicht erfolgt sei, für sich allein irreführend. All dies gilt umso mehr, als von der BaZ auch ein aussenstehender Kenner der Szene, der Basler Stadtentwickler, zitiert wird, dem die Vorgänge erstaunlich erscheinen: Der ist «überrascht» über den Vorgang, auch er geht davon aus, dass der Rückzug unter Druck der BMK erfolgt sei und spricht von einer unerwünschten «monopolistischen» Stellung der BMK.
3. Insgesamt konnte die BaZ nicht davon ausgehen, dass sie mit der geforderten Richtigstellung eine klar falsche Sachverhaltsdarstellung durch eine klar richtige ersetzen würde. Ihr Verhalten war infolgedessen im Sinne von Richtlinie 5.1 korrekt. Dies gilt zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung des Presserates umso mehr, als die BaZ inzwischen dem Präsidenten der BMK, Islam Karatekin, Gelegenheit gegeben hat, zu den verschiedensten Fragen über seine Kommission Stellung zu nehmen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die «Basler Zeitung» hat damit, dass sie zu den Artikeln «Widerstand gegen die Muslimkommission» und «Streit unter Muslimen» vom 28. März 2019 keine Richtigstellung veröffentlicht hat, die Ziffer 5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.