Nr. 24/2020
Wahrheit / Quellenbearbeitung / Richtigstellung

(Reiniger c. «Basler Zeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Am 1. Juni 2019 erschien in der «Basler Zeitung» (BaZ) ein Artikel von Daniel Wahl unter dem Titel «Amtsleiter schenkt sich neue Zentrale» (im Original ohne Anführungszeichen, kein Zitat). Darin wird berichtet, im Basellandschaftlichen Amt für Militär und Bevölkerungsschutz (AMB) sei ein neuer Führungs-, Einsatz- und Lageraum eingerichtet worden. Dieser sei mit verschiedenen Videowänden, Sitzungsmobiliar und Computern ausgerüstet, er habe 250’000 Franken gekostet. Das Problem sei: Die Bereitstellung dieses Raums sei in keinem Budget vorgesehen gewesen. Die kantonale Baudirektion, welche für Projekte dieser Art sonst zuständig sei, habe davon nur «gerüchteweise» gehört. Auch bei der Feuerwehr und Kennern des Krisenstabes sei das Projekt umstritten. «Da hat sich einer auf Kosten der Steuerzahler ein neues Spielzeug geschenkt», heisse es bei Blaulichtorganisationen. Es gehe hier, so der Artikel weiter, um den Dienststellenleiter und Chef des Krisenstabes Patrik Reiniger. Dieser habe schon früher, aus Anlass des «Chienbäse-Umzuges», als Leiter des Krisenstabs ohne gesetzliche Grundlage den Zivilschutz als Pikett-Kapazität aufgeboten und entlöhnt. Der neue Raum sei eine redundante Zweit-Einrichtung zur eigentlichen Führungsanlage «Gitterli» in Liestal. Dort existiere bereits ein Krisenzentrum, das immer weiter ausgebaut worden sei. Dienststellenleiter Reiniger aber begründe seinen zweiten Raum damit, dass man so nicht bei jedem Waldbrand oder bei jedem gesuchten Kind in den Gitterli-Bunker hinuntersteigen müsse. Bei einer Überschwemmung, bei einem Chemieunfall könne er die Verantwortlichen jederzeit an seinem Tisch zusammenrufen. Ehemalige «Krisenstäbler» hingegen hielten dies für übermütig [sic] schreibt der Autor weiter, früher habe man in solchen Fällen die Lage mit einigen Laptops an einem Schreibtisch beurteilt. Unklar sei schliesslich auch die Finanzierung des Projekts. Die Baudirektion sei darüber nicht im Bilde. Der Verantwortliche, Patrik Reiniger, sage dazu, für die Finanzierung habe es im Budget 2018 einen Posten «materielle Verbesserung der Führung» gegeben, daraus habe man das Geld entnommen. Die Baudirektion müsse erst ab 300’000 Franken eingeschaltet werden. Diese, so der Artikel weiter, habe den Ausbau des Führungszentrums «Gitterli» verantwortet und warte da immer noch auf 195’000 Franken an Bundesbeteiligung. Der Bund habe aber schon im Jahr 2017 181’000 Franken an das AMB ausbezahlt, was dem Baudepartement offenbar entgangen sei. Insider aus der Verwaltung vermuteten deswegen, dass dieses Bundesgeld für diesen zweiten Führungsraum verwendet worden sei. Reiniger aber bestreite dies, es sei dafür kein Bundesgeld geflossen. Im Übrigen stütze sich Reiniger für den Ausbau des Raumes auf einen Regierungsbeschluss vom 4. Dezember 2018, in diesem sei aber dem Vernehmen nach von diesem Führungsraum nicht die Rede.

B. Am 6. Juni 2019 erhob Patrik Reiniger (Beschwerdeführer, BF) Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen die Berichterstattung der BaZ, diese habe mit diesem Artikel, respektive mit der Weigerung, eine Richtigstellung dazu zu veröffentlichen, gegen die Ziffern 1, 3 und 5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verstossen. Die Behauptung, wonach er eigenmächtig das Lage- und Führungszentrums eingerichtet und dafür Mittel des Bundes zweckentfremdet habe, sei nachweislich falsch. Ebenso sei falsch, dass er im Rahmen des «Chienbäse-Umzuges» ohne gesetzliche Grundlagen gehandelt habe. Die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen seien dem Journalisten rechtzeitig zugestellt worden. Nach dem Erscheinen des Artikels sei der Chefredaktion der BaZ eine Richtigstellung zugesandt worden, welche diese aber nicht veröffentlicht habe. Diese Weigerung verstosse gegen die Ziffern 1 (Wahrheitsgebot), 3 (Quellenbearbeitung) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung».

Der Beschwerde beigelegt ist die erwähnte «Richtigstellung» zuhanden der BaZ. Darin bestätigt der Generalsekretär der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft, die Darstellung im Artikel der BaZ sei in allen wichtigen Punkten falsch. Die vom Bund ausbezahlten Beträge seien allesamt nur für das «Gitterli» verwendet worden, der Ausbau des Lagezentrums sei in Absprache mit der zentralen Beschaffungsstelle des Kantons und mit dem Controlling der Sicherheitsdirektion erfolgt, Basis seien die Budgets von 2017 und 2018 gewesen. Es sei reglementarisch geregelt, dass der Dienststellenleiter für einmalige Ausgaben von 100’000 bis 300’000 Franken zeichnungsberechtigt sei. Auch die Darstellung zum Chienbäseumzug wird bestritten unter Anführung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.

C. Am 4. September 2019 beantwortete der Rechtsdienst von Tamedia die Beschwerde namens der «Basler Zeitung» (Beschwerdegegnerin: BG) mit dem Antrag auf Nichteintreten, allenfalls auf vollumfängliche Abweisung. Der Antrag auf Nichteintreten wird damit begründet, dass der BF gegenüber dem Presserat eine spätere Klage gegen die BaZ nicht ausgeschlossen habe, womit er die Voraussetzung für das Eintreten auf eine Beschwerde beim Presserat gemäss Art. 11 Abs. 1 des Geschäftsreglements nicht erfülle.

Für den Fall des Eintretens auf die Beschwerde verlangt die BaZ eine vollumfängliche Ablehnung mit der Begründung, die Argumente des Beschwerdegegners seien im Artikel ausführlich zur Sprache gekommen, in Form von verschiedenen Zitaten, die alle von ihm autorisiert worden seien. In dieser Beziehung habe der Autor gründlich gearbeitet, aber ebenso gründlich habe er auch andere Quellen zu Rate gezogen, es könne nicht sein, was der BF mit der Richtigstellung beabsichtigt habe, nämlich dass ein weiterer Artikel nur mit seiner Sichtweise als der einzig richtigen veröffentlicht werde.

Im Einzelnen:
Wenn der BF geltend mache, der Einsatz- und Lageraum sei ordentlich budgetiert worden, dann treffe das nicht zu. Dieser erscheine in keinem Budget. Der Vorgänger des BF habe der BaZ gegenüber ausgesagt, es gebe weder den betreffenden Passus «materielle Führung» noch eine Viertelmillion «Luft» im betreffenden Budget. Der Artikel enthalte im Übrigen gar keine Vorwürfe in dieser Beziehung, sondern er stelle lediglich die Frage, ob die Budgetierung des Raumes korrekt gewesen sei. Ebenso stehe nirgendwo im Artikel, es seien Bundesgelder für dieses Projekt zweckentfremdet worden, es werde nur gefragt, ob das nicht doch der Fall gewesen sein könnte. Die Zweifel in diesem Punkt habe die Sicherheitsdirektion in keinem Gespräch ausräumen können, deshalb habe man beide Standpunkte abgebildet. Insgesamt sei das Thema gründlich recherchiert, verschiedene Quellen befragt worden, die Essenz sei, dass der Sachverhalt nach allen Gesprächen immer noch unklar sei. Von einem Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung» könne keine Rede sein. Solange aber der Sachverhalt nicht klar sei, könne auch keine Berichtigung veröffentlicht werden. Entsprechend liege auch kein Verstoss gegen die Berichtigungspflicht vor. Schliesslich treffe auch die Kritik des BF nicht zu, wonach die Umstände beim Thema «Chienbäse-Umzug» falsch dargestellt worden seien. Was die Pikett-Anordnung für den Zivilschutz angehe, habe keine gesetzliche Grundlage dafür gefunden werden können, weder im vom BF zugesandten Link noch auf Rückfrage beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Auch hier sei keine journalistische Sorgfaltspflicht verletzt worden.

D. Der Presserat teilte den Parteien am 17. September 2019 mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 20. April 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht. Nachdem der BF bei Einreichung der Beschwerde noch offengelassen hatte, ob er ein gerichtliches Verfahren anstrebe, hat er inzwischen (am 26. März 2020) mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sei. Deswegen kann auf die Beschwerde eingetreten werden.

2. Der BF macht in seiner Eingabe geltend, mit der Verweigerung einer Richtigstellung verletze die BaZ die Ziffern 1, 3 und 5 der «Erklärung». Ob die Pflicht zur Richtigstellung, also Ziffer 5 der «Erklärung» wirklich verletzt ist, entscheidet sich daran, ob der veröffentlichte Artikel sich «als inhaltlich falsch» erweist und damit die Ziffern 1 und/oder 3 der «Erklärung» verletzt hat.

3. Zu Ziffer 1 und 3 der «Erklärung»: Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Schilderungen, wonach er den Lage- und Führungsraum eigenmächtig eingerichtet und dafür Mittel des Bundes zweckentfremdet habe, nachweisbar falsch seien. Auch die Darstellung, wonach er während des Chienbäse-Umzugs Anordnungen ohne gesetzliche Grundlagen getroffen habe, sei falsch. Als Beleg für die Unrichtigkeit der Vorwürfe legt der BF das von ihm angesprochene Gesuch um Richtigstellung bei, ein Schreiben vom 5. Juni 2019 an den Chefredaktor der BaZ, Marcel Rohr, welches vom Generalsekretär der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft verfasst wurde. Dieses Schreiben der ihm direkt vorgesetzten Stelle bestätigt die Darstellungen des BF: Das Lagezentrum sei nicht eigenmächtig erstellt worden, es habe kein Bundesgeld dafür gegeben, keine Gesetzesüberschreitung am «Chienbäse-Umzug». Für Letzteres werden die für den Sachverhalt anwendbaren Gesetzesbestimmungen zitiert. All diese Informationen seien dem Autor Wahl bei seinen Recherchen ausführlich dargelegt worden.

Die BaZ bestreitet diese Darstellung mit der Begründung, es gebe zu all diesen Punkten Stimmen, die das Gegenteil aussagten, nämlich: Im Budget sei das Lagezentrum nie ordentlich aufgeführt gewesen, noch wäre überhaupt das Geld dazu vorhanden gewesen. Zur Bundessubvention wird geltend gemacht, man habe an keiner Stelle behauptet, das Geld sei zweckentfremdet worden, man habe angesichts der unklaren Umstände um das neue Zentrum nur die Frage gestellt, ob das so sei. Und zum Thema «Chienbäse», gesetzliche Grundlage für die Kosten der Pikettstellung des Zivilschutzes, habe man dem Autor seitens des BF seinerzeit einfach einen Verweis auf die kantonale Gesetzessammlung übermittelt, mehr nicht. Dennoch habe der Autor weiter recherchiert, ohne Ergebnis hinsichtlich einer ausreichenden gesetzlichen Basis für das Handeln des BF. Zu allen Themen sei der BF aber mit seiner Position zu Wort gekommen, es sei nichts unterschlagen worden. Der Autor sei der Wahrheitspflicht seriös nachgekommen.

Der Presserat sieht in den wesentlichen Punkten Aussagen gegen Aussagen. Ob der fragliche Posten im Budget ordnungsgemäss aufgeführt war, lässt sich mit der vorhandenen Aktenlage (auf die der Presserat abstellen muss) nicht beurteilen. Es sind keine Belege vorhanden. Ebenso wenig für die Frage, welche Gelder wie geflossen sind. Und ob der Autor aufgrund der vom BF seinerzeit angeführten gesetzlichen Basis beim Thema «Chienbäse-Umzug» richtig geurteilt hat, ist aufgrund der Aktenlage auch nicht klar eruierbar. Ein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»), ein Unterschlagen wichtiger Informationen (Ziffer 3) ist infolgedessen nicht nachgewiesen.

4. Wenn davon auszugehen ist, dass kein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht nachgewiesen ist, dass also keine «Unwahrheit» im Sinne von Ziffer 5 der «Erklärung» vorliegt, war die BaZ auch nicht zu einer Richtigstellung verpflichtet. Dies gilt umso mehr, als die Position des BF zu allen fraglichen Punkten in autorisierten Zitaten im Artikel enthalten war. Ziffer 5 der «Erklärung» ist nicht verletzt.

Wenn die BaZ aber davon ausgeht, dass sie im Artikel gar nicht Stellung bezogen, sondern nur zu bestimmten Themen Fragen aufgeworfen habe, dann sei angefügt, dass der Titel in diesem Fall anders hätte lauten müssen. Dieser allein erfüllt aber die Anforderung an einen Verstoss gegen die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 3 (Quellenbearbeitung) nicht. Vor allem aber hat der Beschwerdeführer dies auch gar nicht moniert, er hat nur die unterbliebene Richtigstellung in Frage gestellt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «Basler Zeitung» hat mit dem Artikel «Amtsleiter schenkt sich neue Zentrale» vom 1. Juni 2019 die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Quellenbearbeitung) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.