Nr. 12/2024
Wahrheit / Trennung von Fakten und Kommentar

(X. c. Schweizer Radio und Fernsehen SRF)

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I. Sachverhalt

A. Am 13. Juni 2023 erschien auf dem Instagram-Kanal «srfnews» ein Bild von demonstrierenden Frauen und dem Titel «Gleichstellung auch für non-binäre Personen – Wird die Gleichstellung der Frau geschwächt?» In der Bildlegende war zu lesen, dass Basel-Stadt in einem neuen Gleichstellungsgesetz auf die Begriffe «Mann» und «Frau» verzichten wolle, um non-binären Menschen gerecht zu werden. Dieser Instagram-Post basierte auf einem Beitrag in der TV-Sendung «10 vor 10» vom 12. Juni 2023 mit dem Titel «Drittes Geschlecht». Darin wurde beschrieben, dass Basel-Stadt in besagtem Gesetzesentwurf den Begriff «Geschlecht» sehr ausführlich definiert: «Mann» und «Frau» würden in dieser Definition nicht mehr vorkommen. Auch in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF vom 27. Mai 2023 war diese Frage besprochen worden. Dort behauptete die St. Galler Ständerätin Esther Friedli ebenfalls, dass die Begriffe «Männer» und «Frauen» durch die Begriffe «Menschen» und «Personen» ersetzt würden und führte dies als Beispiel für negative politische Auswüchse an. Dies brachte Moderator Oliver Washington dazu, diese Aussage am nächsten Tag auf Twitter zu korrigieren: Unter dem Schlagwort «Korrigendum zur Samstagsrundschau» schrieb er: «Das stimmt nicht».

B. Am 13. Juni 2023 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Instagram-Post von «srfnews» ein. Er macht einen Verstoss gegen die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend. Die Behauptung, die Begriffe «Mann» und «Frau» würden im Entwurf des Basler Gleichstellungsgesetzes nicht erwähnt, sei falsch. Zum Beleg reichte der Beschwerdeführer einen Ausdruck des Gesetzes ein. Unter Artikel 1 ist dort zu lesen: «Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Verwirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung in allen Lebensbereichen zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, namentlich von Frauen und Männern oder unter Berufung auf Transidentität, Intergeschlechtlichkeit, Homo- oder Bisexualität, zu bekämpfen.» Weiter macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) geltend. Diese begründet er damit, dass diese Behauptung das Narrativ der SVP und vereinzelter Exponentinnen des Kollektivs «Justitia ruft» sei. Der Beschwerdeführer wirft SRF vor, zu diesem Narrativ werde zu wenig recherchiert und falsch berichtet.

C. Am 25. Juli 2023 nahm SRF zur Beschwerde Stellung. Die Redaktion habe den Instagram-Post und das Vorbringen des Beschwerdeführers überprüft und sei zum Schluss gekommen, der Beitrag sei inhaltlich zu wenig präzis gewesen: Die Begriffe «Mann» und «Frau» kämen im Gesetzesentwurf weiterhin vor, aber nicht mehr in der Begriffsdefinition von «Geschlecht». Nach einer internen Diskussion sei der Post am 14. Juni 2023 gelöscht worden. Die Redaktion bedaure den Fehler, der Fall sei im Team besprochen und dessen Mitglieder dafür sensibilisiert worden, damit diese fehlerhaften Formulierungen nicht mehr passieren würden. Sie weist aber den Vorwurf, zu wenig recherchiert und Falschinformationen verbreitet zu haben zurück. Der «10 vor 10»-Beitrag sei korrekt gewesen, der Fehler sei bei der Überführung auf Instagram passiert.

D. Gestützt auf Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats behandelt das Präsidium des Presserats Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder die von untergeordneter Bedeutung erscheinen.

E. Am 24. Oktober 2023 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium des Presserats behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, und Ursina Wey, Geschäftsführerin. Jan Grüebler, Vizepräsident, befindet sich im Ausstand.

F. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 27. Mai 2024 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

 

II. Erwägungen

1. Die Ziffer 1 der «Erklärung» und die zugehörige Richtlinie 1.1 verpflichten Journalistinnen und Journalisten, nach der Wahrheit zu suchen und sich an diese zu halten. Wenn im Instagram-Beitrag von SRF behauptet wird, die Begriffe «Mann» und «Frau» stünden nicht mehr im Entwurf zum Basler Gleichstellungsgesetz, so ist diese Aussage falsch. Es handelt sich um mehr als nur eine Ungenauigkeit, sondern um die Kernaussage im ganzen Instagram-Post, welche nicht korrekt ist. Dies hat SRF selbst bemerkt und den Beitrag zeitnah gelöscht. Ziffer 1 der «Erklärung» ist somit verletzt.

2. Der Beschwerdeführer macht weiter einen Verstoss gegen die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) geltend, ohne jedoch näher auszuführen, worin dieser besteht. Ein solcher Verstoss ist im Beitrag nicht ersichtlich. Die Richtlinie 2.3 ist nicht verletzt.

 

III. Feststellungen

1. Der Presserat heisst die Beschwerde teilweise gut.

2. SRF hat mit dem Beitrag «Gleichstellung auch für non-binäre Personen – Wird die Gleichstellung der Frau geschwächt?» vom 13. Juni 2023 gegen Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.