Nr. 10/2024
Wahrheit / Identifikation

(X. c. «Der Glattfelder»)

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I. Sachverhalt

A. Am 17. Februar 2023 erscheint im «Der Glattfelder» online («derglattfelder.ch») ein Artikel, gezeichnet von Yvonne Russi. Der Bericht trägt den Titel «Storchenkamera droht bereits wieder das Aus». Darunter heisst es in kleinerer Schrift: «In eigener Sache». Der Text ist illustriert mit dem grossen Foto eines Storches in einem Nest, im Hintergrund sind Hausdächer zu sehen. Die Bildlegende lautet: «Storchenweibchen Judith in ihrem Nest. Werden wir zukünftig noch solche Bilder sehen?»

Der Artikel beginnt mit dem Satz: «Glattfelden ist um einen Skandal reicher.» Nach nur fünf Tagen werde eine Livestream-Kamera beim Storchennest auf einem Hochkamin wieder ausgeschaltet, mit der man zu Hause am Computer hätte verfolgen können, wie die Störche brüten, wie Babystörche schlüpfen, wie sie erste Flugversuche unternähmen. Was in «beinahe unzähligen Dörfern» problemlos machbar sei, gehe in Glattfelden aber nicht.

Dabei seien sich die beiden Initianten, von denen einer der Ehemann der Autorin sei, sehr bewusst, dass mit einer solchen Kamera eine Datenschutzproblematik verbunden sei. Deswegen sei mit Direktbetroffenen, die im Bildhintergrund erscheinen könnten, eine Regelung getroffen worden. Hingegen fühlten sich nun auch 50 Eigentümer von Wohnungen ausserhalb des Blickwinkels belästigt.

Ein «Herr R.» habe sich bei der Autorin und Ehefrau des einen Initianten als Vertreter von 50 Wohneigentümern gemeldet und vehement die Abschaltung der Kamera verlangt. Die Kamera sei schwenkbar, zudem sei der Bildwinkel vermutlich grösser als im Stream sichtbar. Er befürchte, dass die Kamera schwenken und per Zoom beispielsweise in Schlafzimmer schauen könnte. Sie, die Autorin Yvonne Russi, habe solche Absichten verneint, in diesem Zusammenhang erwähnt sie im Text, dass die Steuerung der Kamera aus ihrem, Russis Büro erfolge. Sie habe Herrn R. vorgeschlagen, sich mit den Betroffenen zusammenzusetzen, wofür dieser aber nicht «empfänglich» gewesen sei, sondern im Gegenteil mit rechtlichen Konsequenzen gedroht habe.

Es folgt dann im Artikel in Interviewform eine Reihe von Fragen an die beiden Initianten, an Russis Ehemann und dessen Kollege. Aus deren Antworten geht hervor, dass die Kamera in der Tat schwenkbar sei, dies, weil das Nest mit der Zeit an Höhe zunehme und die Tiere sonst aus dem Bildbereich geraten könnten. Man habe gewährleistet, dass den Datenschutz-Anforderungen entsprochen werde, indem man mit einer teilweisen Verschleierung von Teilen des Bildbereichs verhindere, dass Personen im Hintergrund erkannt werden könnten. Man werde von der Möglichkeit, die Kamera zu schwenken oder den Bildbereich zu entschleiern keinen Gebrauch machen. Aber um keinen Streit mit Nachbarn zu riskieren, habe man sich entschlossen, die Kamera noch am Tag der Veröffentlichung des Artikels abzuschalten. Man hoffe auf eine Einigung, sonst bleibe die Kamera ausgeschaltet. In diesem Fall würden die bereits eingegangenen Spendengelder für die Aktion an die Spender zurückbezahlt.

B. Am 12. März 2023 reichte X., der im Artikel beschriebene reklamierende Nachbar, Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, der Artikel verletze die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), sowie die Richtlinien 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 4.5 (Interview), 5.2 (Leserbriefe und Online-Kommentare), 7.1 (Schutz der Privatsphäre), 7.2 (Identifizierung) und 10.1 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung). Die Verletzung der Wahrheitspflicht (Richtlinie 1.1) sieht der Beschwerdeführer in 16 Textstellen als gegeben und zwar unter anderem: in der Charakterisierung der Angelegenheit als «Skandal»; in der Behauptung, dass eine Storchenkamera in «beinahe unzähligen anderen Dörfern» machbar sei; weiter mit der Behauptung, dass Direktbetroffene informiert worden seien und einem Vertrag zugestimmt hätten; dass er, der Beschwerdeführer, sich als Vertreter von 50 Wohneigentümern bezeichnet habe; dass er weiter vehement die sofortige Abschaltung der Webcam gefordert habe; dass er unterstellt habe, die Betreiber hätten einen grösseren Bildausschnitt vor sich, als auf dem Stream ersichtlich sei; dass – entgegen der Darstellung im Artikel – sehr wohl Personen unten auf dem Spielplatz erkennbar gewesen seien; dass behauptet werde, man halte sich an die Gesetze und dass die Initianten die Kamera nicht, wie im Artikel angekündigt, am Veröffentlichungstag um 18 Uhr ausgeschaltet hätten. All diese Darstellungen seien wahrheitswidrig. Der Beschwerdeführer nennt noch weitere Punkte, auf die hier nicht weiter eingegangen wird (siehe unten bei Erwägung 1 am Schluss).

Die Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) sieht der Beschwerdeführer damit verletzt, dass er nicht angehört wurde und dass ihm nicht mitgeteilt wurde, dass seine privaten Gespräche mit der Autorin veröffentlicht würden.

Die Richtlinie 4.5 (Interview) sei verletzt, weil der Text des Artikels ohne seine Einwilligung veröffentlicht worden und auf sein Verlangen hin auch nicht mit allen dazugehörigen Leserbriefen, Kommentaren und weiteren Beiträgen gelöscht worden sei, obwohl die Reaktionen auf den falschen Behauptungen im Artikel basiert hätten. Damit sei auch die Richtlinie 5.2 (Leserbriefe, Online-Kommentare) verletzt.

Weiter verstosse gegen den Schutz der Privatsphäre (Richtlinie 7.1) und gegen die Regeln zur Identifizierung (Richtlinie 7.2), dass er, der Beschwerdeführer, zu erkennen sei, da im Beitrag seine Initiale R., seine Qualifikation als IT-Fachmann und der Strassennamen seines Wohnorts erwähnt worden sei. Er habe in der Folge Drohungen und Hassmails erhalten.

Schliesslich verstosse der Text gegen die Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung), weil mit der darin enthaltenen «enormen und persönlichen Hetze» Profit in Form von Spendengeldern gemacht worden sei.

C. Mit Beschwerdeantwort vom 7. Mai 2023 beantragt der Redaktionsleiter des «Der Glattfelder», Pascal Turin, die Beschwerde sei abzuweisen. Er stellt zunächst klar, dass der zweiwöchentlich gedruckte «Der Glattfelder» und die dazugehörige Website «derglattfelder.ch» nicht identisch seien mit der App «Glattfelden Info». Diese werde von der Firma «Mondstaub» der Autorin Yvonne Russi betrieben. Viele von deren Inhalten würden aufgrund eines Dienstleistungsvertrages «automatisch» auf «derglattfelder.ch» veröffentlicht. In der gedruckten Ausgabe des «Der Glattfelder» sei der inkriminierte Artikel aber nie erschienen und auf dessen Website seien nur zwei Leserbriefe publiziert worden, wovon ein anonymer wieder gelöscht worden sei. Auch seien keine weiteren Artikel in dieser Sache erschienen mit Ausnahme desjenigen, in welchem der Beschwerdeführer seine Sicht habe darstellen können. Schliesslich seien in dem vom Beschwerdeführer kritisierten ersten Artikel alle beanstandeten Passagen eliminiert worden. Im Übrigen habe sich der Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit nie direkt an die Redaktion des «Der Glattfelder» gewendet, gegen welchen er jetzt Beschwerde führe.

a) Zur Wahrheitswidrigkeit (Richtlinie 1.1 – Wahrheitssuche): Was die Bezeichnung der beschriebenen Angelegenheit als «Skandal» betrifft, so sei der Artikel mit der einleitenden Charakterisierung «in eigener Sache» deutlich gekennzeichnet, eine derartige persönliche Beurteilung eines Sachverhaltes aus der Perspektive einer betroffenen Autorin sei absolut zulässig und sicher keine «Hetze» gegen den Beschwerdeführer, wie dieser schreibe.

Die Behauptung, dass eine Storchenkamera in «beinahe unzähligen anderen Dörfern» problemlos machbar sei, treffe zu. Der Beschwerdegegner legt dazu Bilder von drei Storchennest-Webkameras bei, eine aus der Schweiz, zwei aus Deutschland.

Dass Direktbetroffene im Sichtbereich der Kamera informiert worden seien und einem entsprechenden Vertrag zugestimmt hätten, treffe – anders als vom Beschwerdeführer behauptet – sehr wohl zu. Das entsprechende Bestätigungsschreiben liege der Redaktion vor. Auch sei schon vorzeitig mit dem Beschwerdeführer als einem ausserhalb des Kamerabereichs wohnenden Eigentümer Kontakt aufgenommen worden.

Der Beschwerdeführer habe sich sehr wohl mehrfach als Vertreter von 50 Wohneigentümern zu Wort gemeldet, was er in der Beschwerde bestreite. Das belege ein der Beschwerdeantwort beigelegtes Schreiben des zweiten Mit-Initianten, in welchem dieser bezeuge, dass der Beschwerdeführer sich in den ersten Gesprächen klar als Sprachrohr der ganzen Siedlungsgemeinschaft ausgegeben habe. Erst später habe er präzisiert, dass er an der Delegiertenversammlung der Siedlung den Auftrag gefasst habe, «das Thema Storchencam abzuklären». Der Beschwerdeführer bestätige diesen Sachverhalt in der Beschwerde auch selber mit der Bemerkung «… und habe im Auftrag der Delegiertenversammlung angerufen».

Dass der Beschwerdeführer vehement die sofortige Abschaltung der Webcam gefordert habe, wie im Artikel beschrieben, treffe zu, ebenso, dass der Beschwerdeführer unterstellt habe, die Autorin habe einen grösseren Bildausschnitt vor sich, als auf dem Stream ersichtlich. Dazu sei festzuhalten, dass die Autorin die rechtliche Lage vor Aufschaltung der Kamera abgeklärt und sichergestellt habe, dass auf dem gezeigten Ausschnitt keine Personen erkennbar seien. Von der Liegenschaft, in welcher der Beschwerdeführer lebt, sei nur ein kleiner Teil des Vorgartens im Sichtwinkel der Kamera und die NutzerInnen der Webcam-Übertragung könnten diesen so eingestellten Kameraausschnitt nicht verändern.

b) Zum Recht auf Anhörung (Richtlinie 3.8): Der beanstandete Artikel ist nach Auffassung des «Der Glattfelder» allein aufgrund der Telefonanrufe des Beschwerdeführers bei der ihm als Journalistin bekannten Frau Russi verfasst worden. Der Beschwerdeführer habe sich damit selber Gehör verschafft. Hinzu komme, dass aufgrund einer Intervention des Beschwerdeführers noch am Tag der Veröffentlichung des Artikels ein zweiter nachgeschoben wurde, in welchem der Beschwerdeführer ausführlich zu Wort kam und den er selber autorisiert hat. Von «kein Gehör» könne nicht die Rede sein.

c) Zu Richtlinie 4.5 (Interview) und 5.2 (Leserbriefe und Online-Kommentare): Der Vorwurf, der Artikel sei ohne seine Einwilligung veröffentlicht worden, sei unerheblich, weil «Der Glattfelder» zur Publikation eines Artikels wie diesem keine Einwilligung des Beschwerdeführers brauche. Aus seinen Gesprächen mit der Autorin sei ihm klar gewesen, dass diese beabsichtige, das Thema journalistisch aufzubereiten. Direkte Zitate des Beschwerdeführers habe der Text nicht enthalten, daher sei auch dafür keine Einwilligung erforderlich gewesen. Dies im Gegensatz zum zweiten Artikel, der gleichentags nachgeschoben wurde. Dieser sei mit dem Beschwerdeführer ausführlich abgesprochen und mit entsprechenden Zitaten von ihm autorisiert worden.

Die Richtlinie über Leserbriefe und Online-Kommentare sei nicht verletzt. Da im Artikel keine Verletzung der Wahrheitspflicht vorliege, gebe es auch keine Leserbriefe oder Online-Kommentare, die sich, wie behauptet, auf falsche Fakten stützten. Zudem sei der Beschwerdeführer nirgends namentlich erwähnt worden.

d) Zu den Richtlinien 7.1, 7.2 (Persönlichkeitsverletzung, Identifikation): Hier liege keine Verletzung vor, man habe den Beschwerdeführer im Gegenteil bewusst mit «R.» anonymisiert. Der Strassenname habe genannt werden müssen, um den Sachverhalt verständlich zu machen. Und auf die Bezeichnung als IT-Fachmann habe der Beschwerdeführer mehrfach selber Wert gelegt. Diese Qualifizierung sei im vorliegenden Zusammenhang effektiv von Belang. Der Beschwerdeführer lasse sich aufgrund dieser Angaben nicht identifizieren.

e) Zu Richtlinie 10.1 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung): Auch hier liege kein Verstoss vor, weder die Lokalinfo AG als Herausgeberin des «Der Glattfelder» noch die Firma «Mondstaub» von Yvonne Russi habe einen Franken an der Berichterstattung über die Storchenkamera verdient. Es handle sich um redaktionelle Inhalte ohne Werbeteil.

D. Gestützt auf Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats behandelt das Präsidium des Presserats Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder die von untergeordneter Bedeutung erscheinen.

E. Am 17. April 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

F. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 27. Mai 2024 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Presserat tritt auf die Beschwerde ein. Er schickt seinen Erwägungen voraus, dass sein Geschäftsreglement abgesehen vom Einholen der Beschwerdeantwort keine weiteren Verfahrensschritte vorsieht, insbesondere nimmt er keine eigenen Beweiserhebungen vor. Wo Aussage gegen Aussage steht – und das ist in dieser Angelegenheit mehrfach der Fall – trifft er keinen Entscheid. Es wird auch nicht auf sämtliche vom Beschwerdeführer angesprochenen Aspekte einzeln eingegangen, das würde den Rahmen des Sinnvollen und Machbaren sprengen. Wenn etwa der Beschwerdeführer schreibt, er fühle sich durch eine Äusserung der Autorin Russi bedroht, nachdem diese schon unerlaubte Aufnahmen mit einer Drohne gemacht habe, während sie bestreiten lässt, je mit Drohnen hantiert zu haben, dann werden hier emotional Dinge ausgetragen, die zu beurteilen nicht Aufgabe des Presserates sein kann.

2. Zur Wahrheitspflicht (Richtlinie 1.1): Der einleitende, erste Satz des Artikels lautet: «Glattfelden ist um einen Skandal reicher». Was nachher in aller Ausführlichkeit folgt ist die Beschreibung eines Nachbarschaftsstreites, einer sehr emotional ausgetragenen kontroversen Diskussion. Der Begriff «Skandal» mag dabei etwas hoch gegriffen und nicht ganz zutreffend sein, dabei spielen aber durchaus grundsätzliche Aspekte wie der Datenschutz eine Rolle. Der Beitrag ist zudem mit dem Hinweis «in eigener Sache» versehen und subjektiv gehalten. Der Presserat spricht in derartigen Fällen unpräziser Formulierungen von journalistischen Ungenauigkeiten und nicht von einem eigentlichen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht.

Die weiteren insgesamt 15 vom Beschwerdeführer monierten Verstösse gegen die Wahrheitspflicht sieht der Presserat ebenfalls als nicht gegeben. Zu den wichtigeren Punkten in diesem Zusammenhang:

– Bei der Behauptung, Storchenkameras seien «in beinahe unzähligen anderen Dörfern machbar» steht Aussage gegen Aussage, die vom Beschwerdegegner vorgelegten Bilder beziehen sich nur in einem Fall auf die Situation in der Schweiz, der Presserat kann gestützt auf die vorliegenden Unterlagen nicht entscheiden.
– Die Behauptung, Direktbetroffene seien im Voraus über das Projekt «Storchenkamera» informiert worden, ist aufgrund der dem Presserat vorliegenden Unterlagen nicht falsch: Diese Beschreibung bezieht sich gemäss Darstellung der Redaktion auf die Betroffenen im Sichtfeld der Kamera, die frühzeitig informiert worden seien, nicht auf die vom Beschwerdeführer vertretenen jenseits des beabsichtigten Sichtfeldes, wie der Beschwerdeführer dies kritisiert. Auf jeden Fall steht hier Aussage gegen Aussage.
– Die Beschreibung im Artikel, wonach der Beschwerdeführer sich als Vertreter aller Eigentümer der Überbauung an der Spinnereistrasse ausgegeben habe, was er bestreitet, ist nicht falsch. Auch nach des Beschwerdeführers eigenen Angaben wurde er von der – wie er es beschreibt – «Delegiertenversammlung der gesamten Überbauung» beauftragt, sich um das Thema Storchenkamera zu kümmern, «Informationen einzuholen und erste Abklärungen zu machen». Wenn er sich bei den Initianten der Storchenkamera so meldet, wird er als legitimer Vertreter der besagten Überbauung wahrgenommen. Dass er – wie er selber sagt – nicht von sämtlichen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit einem genau umschriebenen Auftrag rechtlich verbindlich mandatiert wurde, macht diesbezüglich keinen Unterschied.
– Die Passage, welche von 50 Eigentümern spricht, welche sich angesichts der Kamera «unwohl oder belästigt» fühlten, geht insofern wohl zu weit, ist ungenau, vom Beschwerdeführer selber bestätigt ist aber, dass er – wie erwähnt – von der «Delegiertenversammlung der gesamten Überbauung» beauftragt war, der Sache nachzugehen. Auch hier ist allenfalls eine Ungenauigkeit, aber kein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht festzustellen.
– Dass der Beschwerdeführer die Abschaltung der Webcam gefordert hat, bestreitet er selber nicht, ob dies «vehement» erfolgt ist, wie der Artikel behauptet, oder nur als Anregung, dass es «am besten wäre, die Kamera abzuschalten», wie der Beschwerdeführer sich erinnert, muss dabei offenbleiben: Aussage gegen Aussage.
– Auch ist zutreffend, dass der Beschwerdeführer den Initianten und der Autorin unterstellte, dass sie schliesslich selber einen grösseren Bildausschnitt würden sehen können, als sie den Nutzern auf dem Stream sichtbar machen würden. (Dem Beschwerdeführer wurde vor der Aufschaltung des Streams ein Testbild/-Stream gezeigt, auf welchem ein Teil seiner Wohnung sichtbar war und bei welchem es möglich war, auf ein Objekt, etwa das Dachfenster mit dem Durchgang zur Dusche hinzuzoomen). Das ändert aber nichts an der von der Autorin getroffenen Feststellung, dass er ihr «unterstellt» habe, das könne künftig so missbräuchlich gehandhabt werden, wovon sie und die beiden Initianten wiederum versichert habe, das werde nicht geschehen.
– Der Satz im Artikel, die Autorin Russi selber «sei überzeugt, dass dieser Forderung nachgekommen werde» (Beschränkung des Sichtfeldes so, dass niemandes Privatsphäre beeinträchtigt werde) und dass die Gesetze auch seitens der beiden Initianten eingehalten würden, wird nicht dadurch falsch, dass der Beschwerdeführer in einer ersten Phase noch Menschen auf dem Bildschirm hatte erkennen können.

Es finden sich insgesamt keine Belege dafür, dass die Richtlinie 1.1, die Verpflichtung, sich an die Wahrheit zu halten, im fraglichen Artikel verletzt wurde. Was der Presserat hingegen feststellt, sind Ungenauigkeiten und eine fragwürdige Rollenverteilung. Die Autorin Russi schreibt über einen Konflikt im Rahmen von Aktivitäten ihres Ehemannes und von dessen Mitinitiant. Sie selber identifiziert sich erklärtermassen voll mit deren Seite im Konflikt und mit deren Projekt bis hin zum Umstand, dass die fragliche Kamera aus ihrem, der Autorin eigenem Büro, bedient wird. Damit, dass dies mit der einleitenden Bemerkung «in eigener Sache» thematisiert wird, ist die Rolle der Autorin zwar grob angesprochen. Aber es wäre medienethisch angezeigt, dass ein solcher Konflikt von einer aussenstehenden, dritten Person beschrieben würde und nicht von einer derart stark direkt Involvierten.

3. Zu Richtlinie 3.8 (Anhören bei schweren Vorwürfen): Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei zu schweren Vorwürfen gegen ihn nicht befragt worden, er habe keine Zustimmung zur Veröffentlichung dieses Artikels gegeben und er sei nicht informiert worden, dass sein Gespräch mit der Autorin veröffentlicht werde. Was das Recht betrifft, angehört zu werden, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall schon die dafür erforderliche Schwere der Vorwürfe nicht gegeben ist. Die Richtlinie 3.8 verlangt nur eine Anhörung, wenn jemandem «gravierendes Fehlverhalten» vorgeworfen wird oder ein Verhalten, «das sonstwie geeignet ist, jemandes Ruf schwerwiegend zu schädigen». Diese Schwelle erreichen die vom «Der Glattfelder» beschriebenen Vorwürfe, die sich an den Beschwerdeführer richten, nicht. Zudem erhielt dieser noch gleichentags Gelegenheit, sich zur fraglichen Thematik zu äussern. Diese Passagen hat der Beschwerdeführer der Journalistin Russi gegenüber selber autorisiert. Was die Themenwahl der Zeitung («Streit um eine Storchenkamera») angeht, bedarf sie keiner Zustimmung von externen Personen. Die Richtlinie 3.8 wurde nicht verletzt.

4. Zu den Richtlinien 4.5, 5.2 (Interview, Leserbriefe und Online-Kommentare): Das Gesuch um Löschung des Artikels und der darauf basierenden Leserkommentare ist dem «Der Glattfelder» gegenüber nach dessen Darstellung nie gestellt worden. Und nur darüber kann der Presserat befinden. Allfällige Fehler der Website von «Mondstaub» müssten diesem gegenüber geltend gemacht werden. Der Presserat kann Lösungen und dergleichen ohnehin nicht anordnen. Er hätte auch keinen Grund dazu. Nach den oben stehenden Erläuterungen enthält der Artikel allenfalls Ungenauigkeiten, aber keine wahrheitswidrigen Behauptungen, auf die in Leserbriefen hätte Bezug genommen werden können. Zudem hat die Redaktion nach der Reklamation des Beschwerdeführers beanstandete Passagen im Artikel von sich aus gelöscht. Der Text enthielt keine Zitate des Beschwerdeführers, welche dieser hätte autorisieren müssen. Hinzu kommt auch in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer noch am selben Tag ausführlich zu Wort kam. Was die Leserkommentare betrifft, geht es um zwei: Der eine wurde von der Redaktion gelöscht, der andere beruht, wie erwähnt, nicht auf einem Artikel mit falschen Tatsachenbehauptungen und stellt lediglich fest, dass eine Bewohnerin der fraglichen Siedlung die Storchenkamera begrüsst. Die Richtlinien 4.5 und 5.2 wurden nicht verletzt.

5. Zu den Richtlinien 7.1, 7.2 (Persönlichkeitsschutz, Identifikation): Der Beschwerdeführer sieht seine Privatsphäre verletzt, weil er ohne Grund identifiziert worden sei. Wenn der Schutz der Privatsphäre überwiegt, hält Richtlinie 7.2 u.a. fest, dass JournalistInnen weder Namen noch andere Angaben veröffentlichen, welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, welche ausschliesslich durch die Medien informieren werden. In Kauf zu nehmen ist dabei gestützt auf Richtlinie 7.2, dass Familie, soziales und berufliches Umfeld diese Person identifizieren können. Dass dies darüber hinaus mit einer geschickten Internetsuche ebenfalls möglich ist, wie der Beschwerdeführer geltend macht, kann für den Presserat nicht massgebend sein (vgl. Stellungnahme 42/2017). Mit der Nennung von Initialen, Beruf und Strasse wurde die Privatsphäre des Beschwerdeführers nicht verletzt. Ziffer 7 der «Erklärung» ist damit nicht verletzt.

6. Zu Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung): Diese Bestimmung fordert, dass Medien ihren NutzerInnen gegenüber klar deutlich machen müssen, welche Inhalte von Auftraggebern bezahlt wurden und welche nicht. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, der «Glattfelder» habe gegen Bezahlung Werbung als redaktionelle Inhalte kaschiert. Die Richtlinie 10.1 wurde nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. «Der Glattfelder» hat mit dem Artikel «Storchenkamera droht bereits wieder das Aus» die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen), 4 (Interview), 5 (Leserbriefe), 7 (Schutz der Privatsphäre / Identifizierung) und 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.