Zusammenfassung
Im März 2021 publizierte die «Basler Zeitung» einen Artikel, der sich kritisch mit den neuen Spitallisten auseinandersetzte. Dem baselstädtischen Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger wurde unter anderem vorgeworfen, dass er durch die Zusammenarbeit des Universitätsspitals mit dem Bethesda-Spital ein Spital «erfunden» habe, um die öffentlich-rechtlichen Spitäler gegenüber den privaten zu bevorzugen. Dem Universitätsspital Gellert würden dadurch lukrative orthopädische Eingriffe zugehalten. Bereits im Titel wird der Vorwurf der «Willkür» erhoben. Das Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt reichte in der Folge eine Beschwerde beim Presserat ein, es sei namentlich das Gebot der Wahrheitssuche verletzt.
Ob einer Gesundheitseinrichtung ein eigenständiger Platz auf der Spitalliste zusteht, kann und muss der Presserat nicht beurteilen. Er hat in dieser Sache jedoch sehr ausführlich und kontrovers diskutiert, ob die Wortwahl des Journalisten («Phantomspital», «Trick») zulässig sei, sieht dadurch die Wahrheitssuche aber nicht verletzt. Hingegen ist für den Presserat der schwere Vorwurf der «Willkür» nicht akzeptabel. Für einen solch gravierenden Vorwurf gegen eine Behörde oder ein Regierungsmitglied müssen eindeutige und konkrete Belege beigebracht werden, was hier nicht der Fall war. Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Résumé
En mars 2021 la «Basler Zeitung» publie un article examinant de manière critique les nouvelles listes d’hôpitaux des deux demi-cantons bâlois. L’article reproche notamment au Directeur de la Santé bâlois-ville, Lukas Engelberger, d’avoir «inventé» un hôpital en s’appuyant sur la collaboration de l’hôpital universitaire bâlois avec l’Hôpital Bethesda, dans le but d’avantager les hôpitaux publics par rapports aux privés. De cette manière des interventions orthopédiques lucratives seraient réservés à l’Hôpital universitaire. Dans le titre et à l’intérieur de l’article, le terme «arbitraire» pour qualifier le procédé des deux directeurs de la santé par rapport aux nouveaux listes est notamment utilisé. Suite à quoi, le Département de la Santé du canton de Bâle-Ville saisit le Conseil de la presse, alléguant que l’obligation de rechercher la vérité est violée à plusieurs reprises.
Le Conseil de la presse n’est pas en mesure de déterminer si une place autonome sur la liste des hôpitaux sied à un centre de soins. Il a par contre abondamment débattu du choix de différents termes dans l’article («Hôpital fantôme», «Ruse»), et juge que le devoir de rechercher la vérité n’est pas violé en la matière. En revanche, pour le Conseil de la presse, le terme «arbitraire» constitue un reproche grave et n’est donc pas acceptable en l’état. Pour pouvoir formuler un tel reproche à l’encontre d’une autorité ou d’un membre du gouvernement, il faut l’étayer par des preuves claires et concrètes, ce qui n’a pas été le cas. La plainte est donc acceptée.
Riassunto
Nel marzo 2021 il quotidiano «Basler Zeitung» si è occupato in modo critico della nuova lista degli ospedali pubblicata dal Dipartimento di sanità pubblica del Cantone di Basilea Città. Il direttore del dipartimento, Lukas Engelberger, vi era criticato, tra l’altro, per avere «trovato» (d’intesa con l’ospedale universitario Bethesda) un ospedale pubblico da favorire rispetto agli ospedali privati. All’ospedale universitario Gellert sarebbero pertanto riservati interventi ortopedici da cui trarre lucrosi profitti. Già nel titolo la pratica veniva dal giornale definita «abusiva». Il Dipartimento cantonale della sanità del Cantone di Basilea Città si è rivolto al Consiglio della stampa sostenendo contro il giornale l’accusa di mancato rispetto della verità.
Sulla classificazione degli ospedali in una determinata lista il Consiglio della stampa non ha, né può avere, osservazioni da fare. Espressioni come «ospedale fantasma», «trucchetto», sono in definitiva ritenute discutibili ma per sé non contrarie al rispetto della verità. «Abuso», invece, no: a sostegno di un termine così forte contro il rappresentante di un’autorità andavano addotti addebiti e prove concrete, ciò che dall’articolo non risulta. Il reclamo è pertanto accolto.
I. Sachverhalt
A. Unter dem Titel «Willkür auf dem Gesundheitsamt» erschien in der Printausgabe der «Basler Zeitung» (BaZ) sowie auf «bazonline.ch» vom 4. März 2021 ein von Joël Hoffmann verfasster Artikel zu den geplanten neuen Spitallisten. «Brisante Dokumente», so der Untertitel, würden zeigen, dass die Gesundheitsdirektoren beider Basel «forsch» gegen Privatspitäler vorgingen und über die Leistungsverträge die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen bevorzugten. «Bereits bekannt» sei, dass der baselstädtische Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger ein Spital «erfunden» habe, um eine «juristisch unsaubere Kooperation» zu legalisieren; der Journalist nennt es in der Folge «Phantomspital». Es geht dabei um eine aus seiner Sicht unzulässige Zusammenarbeit des Unispitals mit dem privaten Bethesda-Spital. Dieser «Trick» erlaube es der Regierung von Basel-Stadt, dem Unispital lukrative orthopädische Eingriffe zuzuhalten. Den Privatspitälern würden die Behörden von Basel-Stadt und Baselland mit der neuen Spitalliste die Bewilligung zu solchen Operationen entziehen, «obwohl sie alle staatlichen Anforderungen erfüllen» würden und auch kostengünstiger seien als das Unispital. Die beiden Behörden würden die Recherche der BaZ bestätigen, bestritten aber den Vorwurf der Willkür. In ihrer Stellungnahme verstrickten sie sich jedoch in Widersprüche, schreibt der Journalist.
B. Am 2. Juni reichte Rechtsanwältin Rena Zulauf im Namen des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt eine Beschwerde gegen die «Basler Zeitung» ein. Darin macht sie eine Verletzung der Wahrheitspflicht gemäss Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalistinnen» sowie von Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) geltend. Die Beschwerde geht zunächst auf die Vorgeschichte ein, namentlich auf einen bereits am 6. Februar in der «Basler Zeitung» veröffentlichten Artikel, in dem fälschlicherweise die These der «Scheinklinik» vertreten worden sei. Allerdings wurde zu diesem Artikel keine Beschwerde eingereicht. In der Hauptsache geht es dann um den Vorwurf der «Willkür» bei der Erstellung der Spitalliste bzw. der Bevorzugung der öffentlich-rechtlichen Spitäler bei der Vergabe von Leistungsaufträgen. Die Beschwerdeführerin legt E-Mail-Korrespondenz zwischen den Kommunikationsverantwortlichen der beiden Gesundheitsdirektionen und der «Basler Zeitung» bei, in denen die erhobenen Vorwürfe ihrer Meinung nach widerlegt wurden, dies aber im Artikel nicht berücksichtigt worden sei. Die Beschwerde kommt zum Schluss, dass bezüglich der willkürlichen Bevorzugung öffentlich-rechtlicher Spitäler «faktenfreie Unterstellungen» gemacht würden.
Ergänzend weist die Beschwerdeführerin auf einen «Einspruch» hin, mit dem die beiden Regierungsräte zum Vorwurf der Willkür hätten Stellung nehmen wollen, der aber nicht veröffentlicht wurde.
C. Namens der Redaktion der «Basler Zeitung» nahm der Rechtsdienst der TX Group (Beschwerdegegnerin, BG) am 3. September 2021 Stellung zur Beschwerde. Diese sei abzuweisen. Die Beschwerdeführerin habe ausreichend Gelegenheit gehabt, im Vorfeld der Publikation ihre Sichtweise einzubringen und ihre Position sei im Artikel zur Sprache gekommen. Für die Publikation eines «Einspruchs» habe jedoch kein Anlass bestanden, es sei auch kein formelles Ersuchen um eine Gegendarstellung eingegangen.
Mit einer ausführlichen Darlegung der juristischen Fragen rund um die Spitalstandorte und Kooperationen sowie der damit verbundenen Leistungsaufträge möchte die BG belegen, dass der Begriff «Phantomspital» gerechtfertigt sei. Auf der Spitalliste werde eine Einrichtung «neu» als «Universitätsspital Gellert» bezeichnet. Da diese jedoch «nur auf dem Papier existiere», sei es «vertretbar» den Begriff «Phantomspital» zu verwenden.
Bezüglich des Vorwurfs der «Willkür» schreibt die Beschwerdegegnerin, dass sich dies nicht auf den Entwurf der Spitalliste selbst beziehe, sondern auf «amtliche Dokumente» welche einen willkürlichen Entzug von Bewilligungen zeigen würden. Um welche Dokumente es sich handelt und aus welcher Quelle diese stammen, wird – wie auch im Artikel – nicht näher ausgeführt. Als Beleg werden nicht näher bezeichnete «Tabellen der Behörden zur Ergolz Klinik» beigelegt, auf welchen der Entzug von Leistungsaufträgen sichtbar sei, obwohl alle notwendigen Kriterien erfüllt würden. Im Weiteren legt die Beschwerdegegnerin eine Beschwerde eben dieses Spitals an das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Juni 2021 bei.
D. Die Beschwerdeführerin nimmt am 14. Oktober 2021 zu den Ausführungen der Beschwerdegegnerin in drei Punkten Stellung.
E. Das Präsidium des Presserates weist die Beschwerde der 1. Kammer zu, bestehend aus Susan Boos (Präsidentin), Luca Allidi, Dennis Bühler, Ursin Cadisch, Michael Herzka, Francesca Luvini und Casper Selg.
F. Die 1. Kammer hat die Beschwerde in ihrer Sitzung vom 30. November 2021 und auf dem Korrespondenzweg behandelt.
II. Erwägung
In der Sache geht es zum einen um die Frage, wann eine in Kooperation beziehungsweise als Teil einer übergeordneten Einheit geführte Gesundheitseinrichtung ein eigenständiges Spital im Sinne des Krankenversicherungsgesetztes KVG ist und damit einen eigenen Platz auf einer Spitalliste beanspruchen kann. Ob mit Begriffen wie «Phantomspital» oder «Trick» ein nicht belegtes, aber allenfalls rechtlich relevantes Fehlverhalten des Regierungsrates behauptet wird, hat der Presserat kontrovers diskutiert. Eine Mehrheit der Kammermitglieder sieht durch diese Formulierungen die Pflicht zur Wahrheitssuche nicht verletzt.
Schwerer wiegt der Vorwurf der «Willkür», der prominent im Titel als auch im Text erhoben wird. Der Schutz vor willkürlichem Handeln staatlicher Behörden ist ein hohes Gut, wie die Beschwerdeführerin mit Verweis auf die Bundesverfassung betont. Die Präambel der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verweist auf das Prinzip der Fairness bei der Interpretation von Informationen. Die Anschuldigung, dass bestimmte Betriebe willkürlich bevorzugt werden, muss daher gut belegt sein. Es bleibt unklar, welche «brisanten Dokumente der Gesundheitsbehörde» den Vorwurf stützen. Die dem Presserat vorliegenden Tabellen ohne genaue Quellenangabe sind dafür nicht ausreichend. Ebenso wenig kann die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte, drei Monate nach der Publikation des Artikels eingereichte Beschwerde eines Spitals an das Bundesverwaltungsgericht den Vorwurf der Willkür belegen.
Die Bewilligungspolitik kann in einer Berichterstattung zu den Spitallisten kontrovers und pointiert dargestellt werden, ebenso ist es legitim, behördliche Entscheide in Frage zu stellen. In der vorliegenden Form und ohne konkrete Belege ist der apodiktische Begriff «Willkür» jedoch nicht akzeptabel. Dies gilt insbesondere für den Titel.
Bezüglich der von der BG beigelegten 30-seitigen gerichtlichen Beschwerde der Ergolz Klinik ist festzuhalten, dass der Presserat nicht darauf eingeht, unter anderem, weil sie erst Monate nach Erscheinen des Artikels verfasst wurde. Ebenso wurde die Replik der Beschwerdeführerin nicht in die Erwägungen einbezogen; gemäss Artikel 12 Absatz 2 des Geschäftsreglements besteht kein Anspruch auf einen zweiten Schriftenwechsel.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Die «Basler Zeitung» und «bazonline.ch» haben mit dem Artikel «Willkür auf dem Gesundheitsamt» vom 4. März 2021 Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalistinnen» verletzt.