Zusammenfassung
Gleich mehrfach rügt der Schweizer Presserat den Verlag Tamedia wegen verschleierter Werbung. Die Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» hatten bezahlte Werbebeiträge von Swisscom, Mazda, Proviande und Genève Invest publiziert, welche die Leserschaft für redaktionelle Artikel halten konnte. Gegen die Beiträge gingen drei Beschwerden ein, die der Presserat nun gutheisst. Denn der Journalistenkodex schreibt vor, den redaktionellen Teil strikt von der Werbung zu trennen.
Die ganz- und doppelseitigen Werbebeiträge waren journalistisch aufgemacht und fast deckungsgleich gestaltet wie redaktionelle Seiten. Solche Werbeformen, sogenanntes «Native Advertising», sind zwar nicht untersagt, sie müssen aber klar, eindeutig, genügend gross und deutlich sichtbar als Werbung deklariert sein. Das war bei allen Werbebeiträgen nicht der Fall. Die Lesenden wurden getäuscht, weil sie den nicht-journalistischen Charakter dieser Seiten nicht auf den ersten Blick erkennen konnten.
Der Presserat hatte Ende letzten Jahres einen Leitentscheid zu dieser Werbeform gefällt. Damals rügte er die «NZZ am Sonntag» für eine verkappte Werbeseite. Er stellt mit Genugtuung fest, dass das Bewusstsein in Bezug auf die Vermischung von redaktionellem Inhalt und Werbung bei Tamedia wächst. Der Qualitätsbeauftragte von Tamedia hat in seinem Qualitätsreport 2019 festgehalten, dass Verbesserungsbedarf u.a. bei der Deklaration von Native Ads besteht.
Résumé
Le Conseil suisse de la presse adresse plusieurs blâmes aux éditions Tamedia pour de la publicité déguisée. Les journaux «Tages-Anzeiger» et «SonntagsZeitung» ont en effet publié des contributions payées par Swisscom, Mazda, Proviande et Genève Invest que le lecteur pouvait prendre pour des articles rédactionnels. Le Conseil de la presse a accepté les trois plaintes qu’il avait reçues à leur sujet. Car le code de déontologie des journalistes prescrit une stricte séparation entre partie rédactionnelle et publicité.
Les contributions pleine page et double-page se présentaient sous une forme journalistique et avaient une mise en page quasi identique à celle des pages rédactionnelles. Ces formes de publicité, connues sous le terme de «native advertising», ne sont certes pas interdites, mais elles doivent être déclarées comme telles de manière claire, évidente, bien visible et en caractères suffisamment grands. Tel n’était pas le cas de toutes ces contributions. Les lecteurs ont été trompés, parce qu’ils ne pouvaient voir d’emblée le caractère non journalistique de ces textes.
Le Conseil de la presse avait adopté à la fin de l’année passée une décision de principe sur ce genre de publicité. Il avait à l’époque blâmé la «NZZ am Sonntag» pour une page de publicité camouflée. Il note avec satisfaction que la conscience du mélange du contenu éditorial et de la publicité se développe chez Tamedia. Dans son rapport de qualité 2019, le responsable de la qualité de Tamedia a déclaré qu’il y a place à l’amélioration, par exemple, dans la déclaration des publicités déguisées.
Riassunto
Il Consiglio svizzero della stampa ha accolto tre reclami contro «Tamedia», editrice dei giornali «Tages-Anzeiger» e «SonntagsZeitung» per ripetute infrazioni alla regola deontologica della separazione tra testo e pubblicità. Le aziende interessate a tale pubblicità dissimulata (nel senso che non è distinguibile dal testo redazionale) sono Swisscom, Mazda, Proviande e Genève Invest. Sul punto, il codice deontologico è chiaro: la distinzione tra testo e pubblicità dev’essere netta.
Pagine intere e doppie pagine si presentavano quasi uguali a pagine di testo. Il Consiglio della stampa ricorda che tipi di pubblicità come «Native Advertising» sono certamente lecite, ma debbono essere dichiarate «pubblicità» in modo chiaro, inequivocabile e con caratteri ben visibili: e ciò non era il caso nei tre esempi denunciati. Il lettore risultava fuorviato nella misura in cui i caratteri tipografici usati in tali pagine non erano riconoscibili a prima vista.
Il Consiglio della stampa ha pubblicato l’anno scorso una presa di posizione di fondo su questo tipo di pubblicità, pronunciandosi contro una pubblicazione della «NZZ am Sonntag». Ora prende atto con soddisfazione che anche presso Tamedia sta crescendo la consapevolezza della necessaria distinzione tra contenuti editoriali e pubblicità. Nel suo Quality Report 2019, il responsabile della qualità di Tamedia ha constatato che c’è ancora spazio per migliorare, ad esempio segnalando più chiaramente le forme miste (native advertising).
I. Sachverhalt
A. Beim Schweizer Presserat wurden bezüglich verschiedener Beiträge von Tamedia Commercial Publishing im «Tages-Anzeiger» sowie in der «SonntagsZeitung» Beschwerden eingereicht.
A.1. Am 30. August 2019 publizierte der «Tages-Anzeiger» (TA) auf Seite 23 einen Beitrag unter dem Titel «Mitten ins Ziel oder voll daneben?». Die Kolumne «Outside Paradeplatz #1» füllt fast die ganze Kommentarspalte am rechten Rand und trägt den Titel «Wie im Kino». In der Mitte dieser Kommentarspalte wird Mark van Huisseling mit Foto und einigen Angaben zur Person als Autor des Artikels eingeführt; am Fuss der Spalte ist unter dem Logo von Genève Invest in kleinem Druck festgehalten, dass der Beitrag von Tamedia Commercial Publishing in Zusammenarbeit mit Genève Invest erstellt wurde. Im Seitenkopf steht in gleicher Schriftart und -grösse wie im redaktionellen Teil, das heisst klein, links «Tamedia Commercial Publishing», mittig «Sponsored» und rechts halbfett «Anzeige von Genève Invest».
A.2. Am 30. August 2019 auf Seite 10, am 3. September 2019 auf Seite 13, am 7. September 2019 auf Seite 7 und am 9. September 2019 auf Seite 7 publizierte der «Tages-Anzeiger» vergleichbare Beiträge unter den Titeln «Dauernd auf Achse und immer online», «Gotthard ohne Stau und Stress», «Auf Drachenjagd mit Familie Putzer» und «Wo die Schweiz ein wenig anders tickt». Unter den Titeln stehen wie bei redaktionellen Seiten jeweils zwei Unterzeilen mit einem halbfetten Stichwort davor. Darauf folgen jeweils Serien von vier Fotografien, welche im Zusammenhang mit den jeweiligen Unterzeilen stehen. Auf mindestens einer der vier Fotografien ist ein rotes Auto zu sehen. Im Seitenkopf heisst es in gleicher Schriftart wie im redaktionellen Teil jeweils linker Hand «Tamedia Commercial Publishing», mittig «Sponsored» und rechter Hand in fetter Schrift «Anzeige von Mazda», wobei die Schriftgrösse durchgehend gleichbleibt. Die Artikel sind weder gezeichnet noch wird ein Autor aufgeführt. In der rechten Randspalte wird jeweils auf eine Tour oder die Möglichkeit einer Probefahrt hingewiesen, nachfolgend das kleine Logo von Mazda abgedruckt und darunter in kleiner Schrift festgehalten: «Dieser Beitrag wurde von Tamedia Commercial Publishing in Zusammenarbeit mit Mazda erstellt».
A.3. Am 8. September 2019 publizierte die «SonntagsZeitung» (SZ) auf Seite 16 einen Beitrag unter dem Titel «Mythen und Märchen auf dem Teller». Der Beitrag ist als Frage/Antworttext um eine mittig angeordnete Fotografie von einem Ei auf rotem Hintergrund aufgemacht. Schriftart und Format sind identisch mit Interviews oder anderen Frage/Antworttexten, welche die «SonntagsZeitung» regelmässig abdruckt. Im Seitenkopf heisst es linker Hand in gleicher Schrift wie im redaktionellen Teil fett «Anzeige von Proviande», mittig in normaler Schrift «Sponsored» und rechter Hand ebenfalls in normaler Schrift «Tamedia Commercial Publishing». Alle Bezeichnungen im Seitenkopf sind in gleichbleibender Schriftgrösse gedruckt. Der Artikel ist weder gezeichnet noch wird ein Autor aufgeführt. Rechts unten auf der Seite steht in einem Kästchen das Logo «Schweizer Fleisch». Darunter heisst es: «Dieser Beitrag ist eine Zusammenarbeit von Tamedia Commercial Publishing und Proviande».
B.1. Am 9. September 2019 reichte X. eine Beschwerde gegen sämtliche vorstehend aufgeführten Beiträge von Tamedia ein. X. hielt fest, Richtlinie 10.1 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verlange eine deutliche Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung. Inserate seien gestalterisch von redaktionellen Inhalten «klar abzuheben». Dies erfüllten sämtliche Beiträge nicht, da die gleiche Schrift verwendet worden sei wie bei redaktionellen Texten und auch das Layout mit Titulatur, Lead inkl. Schlagwort, Bildlegende und Zitaten exakt einem normalen, redaktionellen Artikel entspreche. Der Hinweis der Tamedia, dass es sich um Werbung handle, sei mangelhaft, da dieser im Seitenkopf in kleinster Schrift erfolge. Zudem sei der Vermerk, dass der Beitrag von Tamedia in Zusammenarbeit mit Mazda / Proviande / Genève Invest erstellt worden sei, nicht einfach zu finden, da sich das Gefäss an einer Position befinde, wo ein Leser des «Tages-Anzeiger» ein herkömmliches Inserat oder eine Infografik erwarten könne. Besonders kritisiert X. in Bezug auf den Beitrag von Genève Invest (s. A.1.), dass diesen ein Autor verfasst habe, der ein bekannter Journalist ist, was dem Beitrag eine zusätzliche Glaubhaftigkeit verleihe. Bezüglich des Beitrags von Proviande (s. A.3.) hält der Beschwerdeführer fest, dass die fehlende Deklaration noch schwerer wiege, da es im Text keine Quellenangaben gebe, wie dies in einem redaktionellen Beitrag üblich sei. Vielmehr würden dem Leser die Aussagen im Text als unbestritten verkauft.
B.2. Am 16. September 2019 reichte Y. Beschwerde ein, ebenfalls gegen den in A.3. geschilderten, im Auftrag von Proviande verfassten Artikel in der «SonntagsZeitung». Auch Beschwerdeführer Y. moniert, dieser Beitrag verstosse gegen Richtlinie 10.1 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung). Da Zeitungsartikel nicht linear gelesen würden und die kleinen Überschriften, die den Artikel als Werbung deklarieren, leicht überlesen würden, sei die Leserschaft gezielt getäuscht worden. Es sei aber nicht nur die kaum vorhandene Abgrenzung zum redaktionellen Teil stossend, sondern auch die Informationen, welche der Artikel verbreite, da diese teilweise falsch seien. Zum Beispiel würde festgehalten, dass bei Personen, welche mehr rotes Fleisch essen als empfohlen, das Risiko eines frühen Todes um 25 Prozent reduziert sei. Diese Aussage sei nachweislich falsch. Mit der Publikation dieses Beitrages setze die «SonntagsZeitung» daher auch ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
C. Das Präsidium des Presserates entschied, die beiden Beschwerden zu vereinen und bat die Tamedia AG um eine Stellungnahme zu den beiden Beschwerden.
D.1. Am 23. Oktober 2019 nahm die Rechtskonsulentin der Tamedia für die «SonntagsZeitung» und den «Tages-Anzeiger» Stellung zu den Beschwerden. Sie schreibt, auf die Beschwerden habe der Presserat nur insoweit einzutreten, als Artikel 2 seines Geschäftsreglements festhalte, dass sich dessen Zuständigkeit auf den redaktionellen Teil der öffentlichen, auf die Aktualität bezogenen Medien erstrecke sowie auf die journalistischen Inhalte, die individuell publiziert würden. Daraus ergebe sich, dass die Prüfung kommerzieller Inhalte bzw. die inhaltliche Prüfung der Anzeigen nicht in die Zuständigkeit des Presserats falle.
D.2. Soweit der Presserat auf die Beschwerden eintrete, beantragt die Beschwerdegegnerin deren Abweisung. Wie die beiden Beschwerdeführer erachte auch Tamedia die Trennung zwischen redaktionellem und kommerziellem Inhalt als essentiell, weshalb der Verlag eine strikte und transparente Trennung einhalte. Das Commercial Publishing Team bei Tamedia sei personell absolut unabhängig von allen Redaktionen, weshalb die Einflussnahme auf Redaktionen durch kommerzielle Auftraggeber gar nicht möglich sei. Zudem lege der Verlag grossen Wert darauf, transparent zu zeigen, bei welchen Beiträgen es sich um Inhaltswerbung handle. Dies erfolge auch durch die von den Beschwerdeführern offensichtlich erkannten optischen Unterschiede. Tamedia traue ihrer Leserschaft zu, zu erkennen, dass es sich bei einer «Anzeige» um einen kommerziellen Inhalt handle. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die Leserschaft wisse, dass Ausdrücke wie «Anzeige», «Sponsored» oder «Commercial Publishing» auf einen nicht-redaktionellen Teil hinweisen. Mark van Huisseling verfasse als freischaffender Journalist und Autor auch kommerzielle Inhalte, was der Webseite von dessen Unternehmung entnommen werden könne. Der Hinweis von Beschwerdeführer Y., dass sich die Hinweisbox an einer Stelle befinde, an welcher üblicherweise ein herkömmliches Inserat zu finden sei, werde nicht substantiiert und sei zudem unzutreffend. Den Vorwurf der Beschwerdeführer, die Leserschaft werde gezielt getäuscht, weise Tamedia zurück. Die kommerzielle Botschaft sei für die Leserschaft eindeutig erkennbar, insbesondere da der Auftraggeber wie auch Tamedia Commercial Publishing klar ausgewiesen würden. Beschwerdeführer X. habe zudem festgehalten, dass die Anzeige «Mythen und Märchen auf dem Teller» inhaltlich teilweise falsch sei, weshalb Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) der «Erklärung» verletzt und eine Berichtigung gemäss Richtlinie 5.1 angebracht gewesen wäre. Dazu sei bereits eingangs festgehalten worden, dass der Presserat nur für den redaktionellen Teil der Medien zuständig sei. Auf kommerzielle Inhalte sei der Journalistenkodex nicht anwendbar. Das Team, welches die kommerziellen Inhalte erstelle, arbeite aber grundsätzlich nach den Qualitätskriterien des Journalismus, wobei der Fokus bei kommerziellen Texten aber per se ein anderer sei als bei redaktionellen Beiträgen. Zudem sei auch im «Tages-Anzeiger» im redaktionellen Teil ein Bericht zum Thema Konsum von rohem Fleisch erschienen, welcher die Informationen in der monierten Anzeige von Proviande stützten. Auch zur Kritik an fehlenden Quellenangaben verweist Tamedia darauf, dass es sich gerade nicht um redaktionellen Inhalt handle, weshalb weniger strenge Anforderungen gälten. Zudem liege auch kein Verstoss gegen den Code of Conduct des Verbands Schweizer Medien vor.
E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Max Trossmann (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Marianne Biber, Jan Grüebler, Markus Locher, Simone Rau und Hilary von Arx an. Simone Rau trat von sich aus in den Ausstand.
F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerden an ihrer Sitzung vom 30. Januar 2020 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, der Presserat dürfe auf die Beschwerden insoweit nicht eintreten, als der Presserat für die Beurteilung von kommerziellen Inhalten nicht zuständig sei. Tatsächlich äussert sich der Presserat nicht zu kommerziellen Inhalten. In Bezug auf die verlangte inhaltliche Berichtigung stimmt die beurteilende Kammer der Beschwerdegegnerin folglich zu. Da es sich um einen kommerziellen und nicht um einen redaktionellen Inhalt handelt, prüft der Presserat weder die Vereinbarkeit des Inhalts mit der Wahrheitspflicht noch die Pflicht zur Berichtigung. Soweit sich die Beschwerden der Beschwerdeführer auf den Inhalt der Publikationen richten, tritt der Presserat mangels Zuständigkeit darauf nicht ein.
2. Soweit die Verletzung der Richtlinie 10.1 gerügt wird, welche im Interesse der Glaubwürdigkeit der Medien ein klares Abheben von redaktionellem Teil und Werbung, respektive bezahltem, von Dritten zur Verfügung gestelltem Inhalt verlangt, ist der Presserat für die Beurteilung der Beschwerden zuständig.
3.a) Beide Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin sind sich grundsätzlich einig, dass die Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung unabdingbar ist für die Glaubwürdigkeit der Medien (Richtlinie 10.1). Es stellt sich also die Frage, ob bei den verschiedenen beanstandeten Inhalten, wie in Richtlinie 10.1 gefordert, eine klare gestalterische Abhebung von den redaktionellen Beiträgen erfolgt ist. Und sofern dies nicht der Fall war, sie explizit als Werbung deklariert waren.
b) Allen beanstandeten kommerziellen Inhalten ist gemeinsam, dass sie in Schrift, Layout und Gestaltung weitgehend identisch mit den redaktionellen Seiten des «Tages-Anzeiger» bzw. der «SonntagsZeitung» sind. Schriftart und Schriftgrösse sind die gleichen wie für alle übrigen Seiten der beiden Zeitungen. Links im Seitenkopf, wo üblicherweise bei rechtsliegenden Seiten die Bezeichnung der Zeitung sowie das Datum steht, heisst es im «Tages-Anzeiger» in gleicher Schriftgrösse wie im redaktionellen Teil «Tamedia Commercial Publishing». In der Mitte, wo im TA jeweils nichts festgehalten ist, steht «Sponsored» und rechts, wo der TA üblicherweise in deutlich grösserer Schrift die Seitenzahl platziert, dass es sich um eine «Anzeige» des jeweiligen Werbenden handelt (Genève Invest/Mazda). Auf der linksliegenden Werbung von Proviande in der «SonntagsZeitung» ist die Abfolge so: links Anzeige von Proviande, in der Mitte, wo die SZ sonst den Bundtitel in deutlich grösserer Schrift führt, steht in Normalschrift Sponsored, rechts steht ebenso klein Tamedia Commercial Publishing. Seitenzahlen fehlen sowohl im TA wie der SZ bei diesen Werbeseiten vollständig. Die Schriftgrösse im Seitenkopf bleibt bei beiden Zeitungen gleich gross respektive klein, einzig die Bezeichnung «Anzeige von …» ist immer halbfett gedruckt. Am Ende des kommerziellen Inhalts, auf der Seite unten rechts, wird jeweils das Logo des Werbenden abgedruckt und festgehalten, dass der Beitrag von Tamedia Commercial Publishing in Zusammenarbeit mit dem Werbenden erstellt wurde. Dennoch schlossen beide Beschwerdeführer offenbar vorerst auf einen redaktionellen Inhalt. Für den Leser und die Leserin der beiden Zeitungen ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, dass es sich um bezahlte Werbung handelt. Es fragt sich aber, ob die Nennungen im Seitenkopf sowie am Ende der Seite dem Erfordernis einer expliziten Deklaration als Werbung genügen, also Richtlinie 10.1 Genüge getan wurde. Dazu sind die Beispiele getrennt zu betrachten.
4.a) Die für Genève Invest geschaltete Anzeige unterscheidet sich von den übrigen vom Beschwerdeführer X. beanstandeten Inhalten dadurch, dass der Journalist Mark van Huisseling den kommerziellen Inhalt verfasst hat. Bei Mark van Huisseling (MvH) handelt es sich um einen bekannten, langjährigen, ja renommierten Journalisten, der einem grösseren Teil der LeserInnen der Zeitung bekannt sein dürfte. Der Beitrag wurde von ihm gezeichnet und das Gefäss daneben ist eine persönliche Kolumne von MvH. Damit ist die Seite journalistischen Inhalten zum Verwechseln ähnlich. Eminent gewählt ist auch der Name «Outside Paradeplatz» der Kolumne – eine Anspielung auf das journalistische Onlinemedium «Inside Paradeplatz». All diese Faktoren sind geeignet, dem Inhalt beim Leser eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Erschwerend kommt hinzu, dass Text, Schriftgrösse und Layout sich nur in minimen Details vom redaktionellen Teil unterscheiden. Einziges Hervorhebungsmerkmal ist die graublaue Hinterlegung desjenigen Kästchens, welches nähere Angaben über Genève Invest enthält. Dies sticht aber nicht ins Auge, da die Farbe mit der für die Infografik gewählten übereinstimmt. Der bezahlte Inhalt ist in der Beurteilung des Presserats nicht eindeutig als solcher erkennbar. Es wird nicht ein Layout-Element verwendet, das sich vom redaktionellen Inhalt abhebt.
b) Richtlinie 10.1 verlangt, dass Werbung, wenn sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar ist, «explizit als Werbung deklariert werden muss». Dies ist vorliegend zwar im Ansatz geschehen, indem einerseits der Begriff «Sponsored» angeführt wird, andererseits oben rechts im Seitenkopf in kleiner, fetter Schrift steht, dass es sich um eine Anzeige von Genève Invest handelt. Da die Schriftgrösse aber kleiner ist als diejenige z.B. der Seitenzahlen, betont der Presserat einmal mehr, dass es nicht genügt, wenn irgendwo am Rand in kleiner Schrift die Begriffe «Werbung» oder «Anzeige» abgedruckt werden (siehe Leitentscheid 67/2019). Die Begriffe sind so hervorzuheben, dass sie ein durchschnittlicher Leser auf den ersten Blick erkennt. Auch dass am Fuss der Kommentarspalte ein kleines Logo des Werbenden abgedruckt ist und in noch kleinerer Schrift steht, den Inhalt habe Tamedia Commercial Publishing gemeinsam mit dem Werbenden verfasst, führt nicht dazu, dass der durchschnittliche Leser auf den ersten Blick erkennt, dass es sich um Werbung handelt. Der «Tages-Anzeiger» hat mit dem Beitrag von Genève Invest die Richtlinie 10.1 zur «Erklärung» verletzt.
Im Übrigen unterstreicht der Presserat, dass der von Tamedia verwendete Begriff «Sponsored» für diese Art Werbung überhaupt nicht zutreffend ist, weil diese Werbeform nichts mit Sponsoring, wie es definiert ist, zu tun hat (vergleiche die Stellungnahmen 67/2019 und 5/2020).
5. Auch die für Mazda geschalteten Anzeigen weisen dieselbe Textformatierung, dieselbe Schriftgrösse und Schriftart auf wie im redaktionellen Teil. Die Hinweise im Seitenkopf sind wie bereits unter 4.b) dargelegt in kleiner Schrift gehalten. Auch die gewählten Fotografien lassen weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick auf eine Motorfahrzeugwerbung schliessen, sondern ein durchschnittlicher Leser sieht sie im Zusammenhang mit der in den Unterzeilen angezogenen Geschichte. Die Hinweise und Angebote im Kästchen mit dem Foto eines Mazda und dem Firmenlogo, durch eine Spaltenlinie klar abgetrennt, könnten irgendein Werbeinserat darstellen, das in keinem Zusammenhang mit dem nebenstehenden Haupttext steht. Insofern wird auch hier kein Layout-Element verwendet, das sich vom redaktionellen Inhalt abhebt und auf den ersten Blick darauf schliessen lässt, dass es sich um Werbung handelt. In Bezug auf die explizite Deklaration als Werbung, welche Richtlinie 10.1 verlangt, sei auf die Ausführungen unter 4.b) verwiesen. Auch die für Mazda im «Tages-Anzeiger» publizierten kommerziellen Beiträge verletzen Richtlinie 10.1.
6. Der Inhalt für Proviande ist identisch aufgebaut wie jedes Interview oder jeder Frage/Antworttext in der «SonntagsZeitung». Schriftart, Layout und Schreibstil sind gleich wie im redaktionellen Teil und der Text ist um ein Foto gruppiert. Nicht gleich wie im redaktionellen Teil ist der Seitenkopf, wo in der Mitte wie auch rechts aussen mit deutlich kleinerer Schrift als im redaktionellen Teil üblich operiert wird. Dadurch fällt einem durchschnittlichen Leser nicht sofort auf, dass es sich um eine Anzeige handelt. Wie bereits unter 4.b) festgehalten, vermag die Verwendung des Wortes Anzeige nicht zu genügen, wenn der Begriff lediglich in kleiner Schrift abgedruckt wird, die einfach übersehen werden kann. Insofern ist der kommerzielle Inhalt auch in diesem Fall nicht auf den ersten Blick als solcher erkennbar. Auch dass am Ende des Textes ein kleines Logo von Proviande abgedruckt wird und darunter steht, der Beitrag sei eine Zusammenarbeit von Tamedia Commercial Publishing und Proviande, genügt den Anforderungen von Richtlinie 10.1 nicht. Der Presserat anerkennt, dass die Tamedia ihre kommerziellen Inhalte mittlerweile etwas besser kennzeichnet. Doch mit der ungenügend deklarierten Werbung von Proviande in der SZ hat sie die Richtlinie 10.1 verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerden werden gutgeheissen, soweit der Presserat auf sie eintritt.
2. Der «Tages-Anzeiger» hat mit dem Werbe-Beitrag «Mitten ins Ziel oder voll daneben?» vom 30. August 2019 von Genève Invest die Ziffer 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. Der «Tages-Anzeiger» hat mit vier Werbe-Beiträgen von Mazda am 30. August, 3., 7. und 9. September 2019 die gleiche Ziffer 10 der «Erklärung» verletzt, indem die Leserschaft auch diese Werbung nicht sofort als solche erkennen konnte und diese ungenügend als solche deklariert war.
4. Die «SonntagsZeitung» hat mit dem Werbe-Beitrag «Mythen und Märchen auf dem Teller» vom 8. September 2019 von Proviande die Ziffer 10 der «Erklärung» verletzt.
5. Soweit Beschwerdeführer Y. die Beurteilung oder Berichtigung des kommerziellen Inhaltes verlangt, tritt der Presserat mangels Zuständigkeit auf die Beschwerde nicht ein.