Zusammenfassung
Anfang 2024 strahlte das Schweizer Fernsehen (SRF) unter dem Titel «Unterwegs mit Finanzberatern – Hauptsache Geld verdienen?» eine Folge der Dokuserie «Mona mittendrin» aus. Dagegen ging eine Beschwerde ein, die die Frage aufwarf, ob es sich nicht um einen reinen Werbebeitrag für die präsentierte Firma handle und SRF gegen den Journalismuskodex verstossen habe.
Nach Ansicht des Presserats wird das Konzept der Dokuserie problematisch, wenn es um kontroverse und komplexe kommerzielle Themen – wie eben zum Beispiel die Finanzberatung – geht, weil das Format im Wesentlichen ja der Unterhaltung dienen soll. Kritisch zu bewerten ist vor allem, dass in einem solchen Kontext der Name des betreffenden Unternehmens fünfmal erwähnt wird. Die Erwähnung des Firmennamens in dieser Häufigkeit war unnötig und entspricht auch nicht dem Konzept von «Mona mittendrin»: eine Sendung, die sich in erster Linie mit den Menschen und ihrem Alltag beschäftigt. Im Ergebnis hat die Sendung die «Erklärung» verletzt, weil sie die Firma zu oft nannte.
Obwohl die Reportage bisweilen sehr positiv und wohlwollend daherkommt, geht der Presserat jedoch nicht davon aus, dass es sich bei der Sendung insgesamt um Werbung handelt, weil kein Geld geflossen ist.
Résumé
Début 2024, SRF a diffusé un épisode de la série documentaire «Mona mittendrin» intitulé «Unterwegs mit Finanzberatern – Hauptsache Geld verdienen?» (Le quotidien des conseillers fiscaux: faire de l’argent avant tout?». Le Conseil suisse de la presse a été saisi d’une plainte et a dû trancher la question suivante: cette contribution n’était-elle pas tout bonnement de la publicité pour l’entreprise présentée et y a-t-il eu violation du code de déontologie?
Du point de vue du Conseil suisse de la presse, la conception-même d’une série documentaire pose problème lorsqu’elle a trait à des sujets commerciaux controversés et complexes tels que l’activité de conseil financier, dans la mesure où ce format est pour l’essentiel dédié au divertissement. Le point le plus critique est la citation à cinq reprises du nom de l’entreprise concernée. Une telle fréquence n’était pas nécessaire et ne correspond pas à la conception de «Mona mittendrin», une émission consacrée avant tout aux gens et à leur quotidien. Celle-ci a, en conséquence, violé la «Déclaration des devoirs et des droits du/de la journaliste» pour avoir nommé trop souvent l’entreprise.
Bien que le reportage soit à certains moments très positif et bienveillant envers l’entreprise, le Conseil suisse de la presse ne croit pas que l’émission dans son ensemble doive être considérée comme de la publicité, car il n’y a pas eu de flux financiers.
Riassunto
A inizio 2024 la Televisione svizzera (SRF) ha trasmesso un episodio della serie di documentari «Mona mittendrin» (Mona al centro) intitolato «Unterwegs mit Finanzberatern – Hauptsache Geld verdienen?» (Accompagnando i consulenti finanziari. L’importante è far soldi?). Al riguardo è stato presentato un reclamo in cui viene sollevata la questione che si tratti di un mero contributo pubblicitario a favore dell’azienda presentata e che SRF abbia quindi violato il codice giornalistico.
Secondo il Consiglio della stampa, il concetto di serie di documentari diviene problematico quando si tratta di temi commerciali controversi e complessi, come ad esempio la consulenza finanziaria, perché il loro formato è essenzialmente destinato all’intrattenimento. In modo specifico, in questo contesto è criticabile che il nome dell’azienda in questione venga menzionato cinque volte. Citare con tanta frequenza il nome dell’impresa è superfluo e non corrisponde all’idea che sta alla base di «Mona mittendrin», un programma che si occupa soprattutto della vita quotidiana delle persone. Di conseguenza, il programma ha violato la «Dichiarazione» perché ha citato troppo spesso l’azienda. Nonostante il reportage sia a tratti molto positivo e bendisposto, il Consiglio della stampa non ritiene che il programma nel suo complesso sia da considerarsi pubblicitario, perché non sono stati versati dei compensi.
I. Sachverhalt
A. Am 3. Januar 2024 wurde auf SRF 1 eine Folge der Doku-Serie «Mona mittendrin» mit dem Titel «Unterwegs mit Finanzberatern – Hauptsache Geld verdienen?» ausgestrahlt. Auf dem Präsentationsblatt wird die Serie unter der Rubrik «Dokus & Reportagen» aufgeführt und mit folgenden Worten beschrieben: «In der Doku-Serie ‹Mona mittendrin› wird Mona Vetsch ins kalte Wasser geworfen. Sie hat jeweils keine Ahnung, wo sie die nächsten Tage verbringen wird.» In einem Format, das irgendwo zwischen Information und Unterhaltung angesiedelt ist, findet sich die Journalistin «überraschend» und «unvorbereitet» in einer jeweils anderen Realität wieder, wo sie sich drei Tage lang aufhält und mit ihren ProtagonistInnen Gespräche führt. Auch in der fraglichen Episode tauchen die Elemente «Überraschung» und «Spiel» («Rätsel») gleich zu Beginn auf: Mona erhält von einem «Passanten» eine geheimnisvolle Schachtel mit einem Füller und einer unbekannten Adresse, die sie aufsuchen soll. Es folgen drei Tage in Gesellschaft dreier FinanzberaterInnen von Swiss Life Select: Christoph Munsch, um die 45, ein Profi mit 25 Jahren Erfahrung im Unternehmen, Julia Heinzer, 28, Newcomerin, seit anderthalb Jahren im Geschäft und Noah Strebel, 22, Neuling bei Swiss Life Select. Der Dokumentarfilm zeigt Momente aus ihrem Berufsleben (Treffen mit Kunden und Kollegen, das monatliche Treffen am regionalen Hauptsitz des Unternehmens bei Basel, bei dem die besten MitarbeiterInnen ausgezeichnet werden), aber auch Momente aus ihrem Privat- und Familienleben. Die ProtagonistInnen sprechen über ihre Arbeitserfahrungen, aber auch über sich selbst, ihre Geschichten, ihre Interessen und Hobbies und ihre Wünsche. Beginnend mit dem Titel («Hauptsache Geld verdienen?») und im Rahmen der Gespräche mit den BeraterInnen und deren KundInnen wirft die Journalistin auch kritische Fragen in Bezug auf den Beruf und die Kategorie der Finanzberater im Allgemeinen auf («Sind Finanzberater Glücksschmiede oder eher Angstmacher? Fakt ist: mit dem Worst Case zu argumentieren, gehört fix dazu»; «Schweizerinnen und Schweizer gehören zu den Bestversicherten der Welt»; «der Grossteil dieser Branche muss schlussendlich Geld verdienen»; «Julia lebt wie alle Finanzberatenden bei Swiss Life Select von Vertragsabschlüssen»; (zu Christoph) «Du musst nicht rechtfertigen, dass du viel Geld verdienst …»). Insgesamt vermittelt der Dokumentarfilm mit seiner leichten, manchmal scherzhaften Note jedoch ein zweifellos positives, sympathisches und zuverlässiges Bild der Protagonisten. Während der Reportage, die insgesamt rund 36 Minuten dauert, wird der Name «Swiss Life Select» von der Journalistin fünfmal erwähnt (Minute 6.23: «Der Christoph ist Finanzberater bei Swiss Life Select. Er begleitet Menschen zum Teil über Jahrzehnte»; Minute 8.03: «Wir fahren nach Birsfelden, zum Büro von Swiss Life Select Region Basel»; Minute 14.16: «Einen fixen Lohn gibt es bei Swiss Life Select nicht»; Minute 21.22: «Als Finanzberaterin bei Swiss Life Select muss man sich an den Dresscode halten»; Minute 23.34: «Julia lebt wie alle Finanzberatenden bei Swiss Life Select von Vertragsabschlüssen»).
B. Am 16. Januar 2024 reichte X. beim Presserat eine Beschwerde gegen die Folge von «Mona mittendrin» vom 3. Januar 2024 ein. Seiner Ansicht nach hat der Bericht Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung), 10.2 (Sponsoring, Pressereisen, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung), 10.3 (Lifestyle-Berichte; Nennung von Marken und Produkten) und Richtlinie 10.4 (Public Relations) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (im Folgenden: «Erklärung») missachtet. Der Beschwerdeführer fragt, ob es sich dabei nicht um eine – «sehr gut bezahlte (an Mona Vetsch? An SRF?)» – reine Werbeinitiative zugunsten von Swiss Life handle. Er fragt weiter, ob es ein Zufall sei, dass die Sendung genau zum Zeitpunkt der Einführung der Offenlegungspflicht von Provisionen bei Abschluss von Lebensversicherungen (gemäss dem am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen, revidierten Versicherungsaufsichtsgesetz/VAG) ausgestrahlt wurde und warum den Zuschauern solche wichtigen Informationen vorenthalten wurden.
C. Am 29. Mai 2024 nahm SRF zur Beschwerde Stellung und postulierte deren Abweisung. Die Redaktion wies zunächst darauf hin, dass weder Mona Vetsch noch SRF für die Sendung eine Vergütung (von Dritten) erhalten hätten. Im Übrigen habe es sich gar nicht um eine Werbeinitiative gehandelt, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit den Aktivitäten bestimmter Akteure der Finanzbranche. Der Bericht hätte insbesondere gezeigt, dass das Image der Branche nicht gut sei und dass die Finanzberater oft kritisiert würden. Die Zuschauenden seien zudem mit kritischen Aspekten des Berufsstandes konfrontiert worden, wie z. B. der undurchsichtigen Gewinnbeteiligung der BeraterInnen. Der Name des betreffenden Unternehmens sei «so zurückhaltend wie möglich erwähnt» worden, während sein Logo nur einmal in einer Totalen und im Kleingedruckten erschienen sei.
D. Am 11. Dezember 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde von der 1. Kammer behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Luca Allidi, Catherine Boss, Ursin Cadisch, Stefano Guerra, Michael Herzka und Casper Selg.
E. Die 1. Kammer des Presserats hat die vorliegende Beschwerde an ihrer Sitzung vom 6. Januar 2025 sowie auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägung
Am 13. März 2024 hat die Ombudsstelle SRF ihren Schlussbericht in gleicher Sache veröffentlicht. Der Bericht wurde nicht an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weitergezogen. Gemäss Art. 11 des Geschäftsreglements tritt der Presserat auf eine Beschwerde nicht ein, wenn ein Parallelverfahren (insbesondere bei Gerichten oder bei der UBI) eingeleitet wurde oder vorgesehen ist. Die Ombudsstelle SRF ist eine Schlichtungsinstanz, die gemäss Art. 93 Abs. 2 RTVG weder Entscheid- noch Weisungsbefugnis hat. Nach Ansicht des Presserats hindert ein Bericht der Ombudsstelle SRF den Rat nicht, auf die vorliegende Beschwerde einzutreten.
Ziffer 10 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie jede Form von kommerzieller Werbung vermeiden und keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten akzeptieren. Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil/Programm und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Journalistinnen und Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen (Richtlinie 10.1 Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung, vgl. Stellungnahme 47/2022, die die bisherige Praxis des Presserats zu diesem Thema zusammenfasst. [NB. Richtlinie 10.1 wurde per 1. Januar 2025 revidiert.]).
Gemäss Richtlinie 10.3 (Nennung von Marken und Produkten) ist bei der Auswahl der redaktionellen Themen in Bereichen wie «Lifestyle» oder «Ratgeber» die Freiheit der Redaktion zu gewährleisten. Die berufsethischen Regeln erfassen auch Berichte, die Konsumgüter und Dienstleistungen vorstellen. Die unkritische oder hochlobende Präsentation von Konsumgegenständen, die häufiger als nötige Nennung von Produkte- oder Dienstleistungsmarken und die blosse Wiedergabe von Werbeslogans im redaktionellen Text gefährden die Glaubwürdigkeit des Mediums und der Journalistinnen und Journalisten.
Die Journalistin Mona Vetsch hat in ihrer Reportage einige kritische Aspekte im Zusammenhang mit der Tätigkeit und der Berufsgruppe der FinanzberaterInnen thematisiert. Zunächst bringt sie zu Beginn des Beitrags (Minute 2.53) deutlich ihr Misstrauen gegenüber den Praktiken zum Ausdruck («Ich starte skeptisch. Von völlig intransparent bis ‹Die wollen einem einfach etwas andrehen› habe ich über Finanzberater schon alles gehört»). Es stimmt aber auch, dass die Reportage in ihrer Gesamtheit mit ihrer lockeren und ungezwungenen Art (alle sprechen sich mit Vornamen an und duzen sich) einige Elemente von «Sympathy washing» aufweist.
Problematisch ist nach Ansicht des Presserats das Konzept der Reportage dort, wo diese den Anspruch erhebt, kommerzielle und finanzielle Themen von einer gewissen Komplexität in einem Format zu behandeln, das im Wesentlichen der Unterhaltung dient. Kritisch zu bewerten ist vor allem, dass in einem solchen Kontext der Name des betreffenden Unternehmens fünfmal erwähnt wird. Entgegen der Ansicht von SRF («Der Name der Firma wurde so zurückhaltend wie möglich erwähnt») war die Erwähnung des Firmennamens in dieser Häufigkeit für die Zwecke der Reportage unnötig. Dies entspricht auch nicht dem angegebenen Format von «Mona mittendrin». Eine Sendung, die sich, wie SRF selbst ausführt, in erster Linie mit den Menschen und ihrem Alltag beschäftigt («Bei ‹Mona mittendrin› stehen die Menschen im Zentrum»). Im Ergebnis liegt somit eine Verletzung von Ziffer 10 bzw. Richtlinie 10.3 (Nennung von Marken und Produkten) zur «Erklärung» vor.
Der Beschwerdeführer fragt, ob es sich nicht um eine bezahlte Werbeinitiative handelt. Die Redaktion erklärt dazu, dass weder Mona Vetsch noch SRF für die Sendung eine Vergütung (von Dritten) erhalten hätten. Ungeachtet dessen, dass die Reportage bisweilen sehr positiv und wohlwollend daherkommt, ist gemäss Praxis des Presserats nicht von Werbung auszugehen, weil kein Geld geflossen bzw. keine geldwerte Leistung zur Verfügung gestellt worden ist. Eine Verletzung von Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) liegt nicht vor.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. SRF hat mit der Sendung «Mona mittendrin» mit dem Titel «Unterwegs mit Finanzberatern – Hauptsache Geld verdienen?» vom 3. Januar 2024 die Ziffer 10 (Nennung von Marken und Produkten) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.