I. Sachverhalt
A. Am 22. Februar 2019 veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» (TA) einen Artikel von Rafaela Roth und Martin Sturzenegger unter dem Titel «Plagiat und Mobbing: Neue Vorwürfe erschüttern die ETH». Darin wird erklärt, dass neben den bereits bekannten Führungsproblemen in der Forschungsanstalt jetzt ein neuer Fall zu verzeichnen sei. Ein «Professor H.» und seine Lebenspartnerin «Professorin V.» hätten im zweitgrössten Forschungsbereich der ETH, bei der Empa in Dübendorf, jahrelang Studenten gemobbt und wissenschaftliche Fehlleistungen produziert.
Die ETH und die Empa bestätigen laut dem Text, dass gegen die beiden eine Untersuchung wegen Fehlverhaltens in der Forschung laufe. Der Professor könne seine Stellung vorläufig behalten, seine Partnerin sei krankgeschrieben, sie werde aber demnächst an die Empa zurückkehren.
Im Artikel wird zunächst ein nicht namentlich genannter Doktorand zitiert, der von «nicht nachvollziehbaren Kündigungen, Redeverboten, wahnwitzigem Resultate-Druck» und unwissenschaftlichem Vorgehen spreche. Als am schwersten wiegender Vorwurf wird im Artikel dargestellt, dass die beiden wissenschaftliche Plagiate produziert hätten, indem sie Grafiken oder auch Textstellen aus Arbeiten ihrer Studenten und Doktoranden übernommen hätten, ohne ihre Quellen zu benennen. Ein ehemaliger «Senior Scientist» berichtet im Weiteren ebenfalls von Missständen, welche trotz entsprechender Meldungen an die vorgesetzten Stellen nie ernsthaft angegangen worden seien. Gleiches meldet ein dritter Forscher, der auch von H. und V. «geschnitten» worden sei. Das verantwortliche Mitglied der Empa-Direktion, welches den beiden Kritisierten vorgesetzt war, habe aber trotz entsprechender Klagen jederzeit zum Professorenpaar gehalten, mit der Folge, dass schliesslich der sich Beklagende die Anstalt habe verlassen müssen. Zu jener Zeit sei nicht nur die Empa-Direktion, sondern auch die Personalabteilung und die ETH-Ombudsstelle informiert worden, ohne dass je etwas geschehen sei. Und als ein Ombudsmann sich schliesslich der Probleme bewusst geworden sei und das Rektorat informiert habe, sei dieser gegen seinen Willen in Rente geschickt worden. Es ist dann von weiteren Interventionen seitens von Studierenden bei der ETH die Rede, welche ebenfalls nichts gefruchtet hätten. Zwar sei der Professor schliesslich von seiner Abteilungsleitung innerhalb der Empa zurückgetreten, allerdings habe dann ausgerechnet seine Partnerin den Job bekommen. Professor H. selber sei weiterhin als Dozent tätig gewesen und habe Doktoranden auch später bisweilen den Zugang zu Forschungsinstrumenten verweigert, sie damit in ihrer Arbeit aktiv behindert und zwar nur, weil sie den Doktorvater hätten wechseln wollen.
Es laufe jetzt, so heisst es gegen Schluss des Artikels, eine Untersuchung hinsichtlich der wissenschaftlichen Korrektheit der Arbeit des Paares. Das reiche aber vielen ehemaligen Empa-Forschern und Doktorierenden nicht: Um auch die Vorwürfe des Mobbings zu untersuchen, brauche es eine Disziplinaruntersuchung. Die ETH führe die aber nicht durch, mit der Begründung, die aktuellen Anschuldigungen seien dafür nicht ausreichend.
Am Schluss wird festgehalten, sowohl das Professorenpaar wie auch das im Artikel verschiedentlich kritisierte Empa-Direktionsmitglied «wollten zu den Vorwürfen nicht persönlich Stellung beziehen».
B. Am 20. März 2019 erhoben die im TA-Text kritisierten Prof. X. (Beschwerdeführer 1, im Folgenden «BF1») und die im Artikel als «Professorin V.» bezeichnete Frau Dr. Y. (Beschwerdeführerin 2, im Folgenden «BF2») über ihren Anwalt Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen den Artikel. Dieser verstosse gegen die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) und 7 (Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).
In einem ersten Teil der Begründung stellen die BF die Vorgeschichte und die Faktenlage aus ihrer Sicht dar: So sei die nahe Zusammenarbeit der beiden Lebenspartner ausdrücklich von der Empa gewünscht und auch als erfolgreich beurteilt worden. Diese Zusammenarbeit sei schliesslich von Prof. X. selber beendet worden, als er seine Abteilungsleitung aufgegeben und in der Empa keine Führungsrolle mehr gespielt habe. Dass seine Partnerin seinen Job bekommen habe, sei das Ergebnis eines ganz normalen Bewerbungsverfahrens gewesen. Beide Beschwerdeführer verfügten über einen hervorragenden wissenschaftlichen Ruf, hätten sehr viel publiziert und klaglos gearbeitet.
Der zweite Teil der Begründung geht auf den Artikel des TA ein. Zunächst wird
a) der Schluss kritisiert, welcher besagt, dass die beiden BF nicht zu den erhobenen Vorwürfen hätten Stellung nehmen wollen. Das sei falsch. Tatsache sei, dass die beiden Journalisten weder X. noch Y. zu den schwerwiegenden Vorwürfen je kontaktiert hätten. Hier sei massiv gegen das Gebot verstossen worden, Beschuldigte bei schweren Vorwürfen anzuhören (Verstoss gegen Richtlinie 3.8).
b) Weiter seien die beiden BF in der Berichterstattung identifiziert worden (Verstoss gegen Richtlinie 7.2). Zwar würden ihre Namen nicht genannt, aber es sei im Artikel der «Empa-Wasserkanal» abgebildet gewesen, zu welchem Prof. X., der BF1, ungeliebten Doktoranden angeblich den Zutritt verweigert haben soll. Mit diesem Hinweis sei für alle Mitarbeitenden klar identifiziert, wer «Professor H.» und «Professorin V.» seien. Auch für Aussenstehende sei mit ein paar Klicks ganz leicht zu erfahren, wer für den Kanal verantwortlich sei, auf diese Weise sei mindestens Prof. X., der BF1, ohne Weiteres identifizierbar. Ein öffentliches Interesse dafür sei aber nicht gegeben.
c) Im Weiteren verletze der TA in verschiedenen Punkten auch die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 und 3 der «Erklärung»).
– Der BF1 könne Doktoranden gar nicht an ihrer individuellen Forschungsarbeit am Empa-Wasserkanal hindern. Diese Arbeiten seien nämlich immer Teil eines Gesamtprojektes, das «dem Projektleiter gehöre». Es gehe hier um den Besitz am geistigen Eigentum.
– Es sei immer von der BF2 als «Professorin» die Rede. Das sei falsch, sie besitze nur den Doktortitel.
– Falsch sei die Behauptung, die beiden BF hätten jahrelang gemobbt und wissenschaftliche Fehlleistungen produziert. Diese Vorwürfe seien zuvor nie vorgebracht worden und jetzt auch nicht belegt. Im Falle des Mobbings seien sie vom TA auch gar nicht hinterfragt worden, es gebe Studenten und Postdocs, die das Gegenteil bezeugen würden.
– Der Vorwurf der wissenschaftlichen Fehlleistungen werde an keinem einzigen Beispiel belegt. Es gebe auch keine. Die wissenschaftlichen Leistungen der beiden BF würden sowohl von der ETH als auch von der Empa sehr geschätzt, der BF1 sei auch Mitglied des Schweizerischen Nationalfonds, auch die BF2 habe kurz vor ihrer Berufung dorthin gestanden, als ihr ein Verzicht nahegelegt worden sei und zwar aufgrund der eingeleiteten Untersuchung wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.
– Unwahr sei die Behauptung des ersten zitierten Informanten, wonach es regelmässige, nicht nachvollziehbare Kündigungen gegeben habe, Redeverbote und wahnwitzigen Resultate-Druck. Wahr sei, dass es Studenten gebe, denen das Thema nicht zusage, oder die überfordert seien und deswegen die Arbeit am Institut nicht weiterführten. Die betreffenden Zahlen seien aber identisch mit jenen in anderen Bereichen der ETH. Es gebe keinen Resultate-Druck, wohl aber die Pflicht, sich gegenseitig regelmässig über den Stand der Projekte zu informieren.
– Was den gravierenden Vorwurf des Plagiierens angeht, so gehen die BF auf den speziellen Fall ein, in welchem eine Doktorandin kritisiert, von ihr seien Grafiken ohne Quellenangabe übernommen worden. Sie weisen darauf hin, dass es umgekehrt die Doktorandin gewesen sei, die ihre Verpflichtungen der Empa gegenüber in keiner Weise eingehalten habe, dafür aber auf Verständnis von X. gestossen sei und sich schliesslich nach ihrem Wegzug auf einer Postkarte herzlich für die schönen vier Jahre bei der Empa bedankt habe. Dass sie eineinhalb Jahre später plötzlich als Opfer auftrete, sei unglaubwürdig. Im Übrigen werde von der ETH nur die Frage untersucht, ob X. oder Y. wissenschaftliche Fehler begangen hätten, von einem Plagiatsvorwurf sei nie die Rede gewesen.
– Mit Dokumenten nachweisbar falsch sei die Behauptung, BF2 sei auf Drängen von BF1 angestellt worden.
– Der anonymisierte Mann, welcher der BF2 – falsch – vorwerfe, sich wie ein «bissiger Hund» verhalten zu haben, sei ein verärgerter Empa-Mitarbeiter, dem aufgrund von ungenügenden Leistungen habe empfohlen werden müssen, zu kündigen.
– Ähnliches gelte für zwei weitere im Artikel genannte und anonymisierte Personen.
– Die behauptete hohe Kündigungsquote existiere nicht, die Abgänge von Doktoranden lägen in der fraglichen Abteilung im Schnitt der gesamten ETH.
– Unwahr und «unsäglich» sei die Behauptung, die BF hätten Studenten aufgefordert, Unterstützungsbriefe zu schreiben. Diese seien aus deren eigenem Antrieb entstanden.
– Schliesslich sei die Unterstellung falsch, wonach die Ernennung der BF2 zur Nachfolgerin des BF1 etwas Unlauteres an sich habe. Das sei Ergebnis eines normalen Bewerbungsverfahrens mit den entsprechend erforderlichen Qualifikationen gewesen.
Im Zentrum aber stehe und bleibe der Vorwurf, dass die beiden BF vor der Publikation des Artikels zu den erhobenen schweren Vorwürfen nie kontaktiert worden seien.
C. Am 30. Juli 2019 nahm der Rechtsdienst von Tamedia im Namen des «Tages-Anzeiger» zu den Vorwürfen Stellung mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei.
a) Den Hauptvorwurf, wonach die BF zu schweren Vorwürfen nicht befragt worden seien (Verstoss gegen Richtlinie 3.8), weist der TA zurück. Die Autorin und der Autor hätten sich sehr wohl um die Stellungnahmen der beiden Kritisierten bemüht. Sie hätten dabei den von der ETH vorgeschriebenen Weg über die Medienstelle beschritten und dieser 20 Fragen an BF1 und BF2 vorgelegt. Die ETH-Medienabteilung habe wie schon in einem früheren Fall jeden direkten Kontakt mit den beiden untersagt. Antworten auf die 20 Fragen seien nicht erteilt worden. Ebenso habe man sich bemüht, direkt über die Empa mit den BF ins Gespräch zu kommen. Mit 12 Fragen. Auch dort sei der direkte Kontakt untersagt worden. Und auch diese Fragen seien nicht beantwortet worden. Entsprechend könne es nicht dem TA angelastet werden, wenn die Haltung der BF nicht im Artikel aufgeschienen sei. Man habe im Übrigen den beiden BF nach Veröffentlichung des Artikels und deren erster Reklamation, (einem Antrag auf eine längere Gegendarstellung), über ihren Anwalt angeboten, in einem Interview ausführlich Stellung zu nehmen. Auf dieses Angebot hätten diese aber nicht reagiert. Von einer Verletzung des Rechts auf Anhörung könne angesichts all dessen keine Rede sein.
b) Den Vorwurf einer ungerechtfertigten Identifizierung (Richtlinie 7.2) weist der TA ebenfalls zurück. BF1 und BF2 würden durch die Abbildung des von BF1 verantworteten Wassertunnels zwar in der Tat für die MitarbeiterInnen der Empa erkennbar, aber eben nur für diese. Diesem engen Kreis sei aber aufgrund aller anderen Umstände ohnehin schon klar, um wen es sich hier handelt. Eine Identifizierung gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit finde hingegen nicht statt. Auch die Behauptung, mit ein paar Klicks komme man auf die Namen der BF, sei unzutreffend. Dies finde nur, wer mit den Verhältnissen innerhalb der Empa vertraut sei.
c) Zu den Verstössen gegen die Wahrheitspflicht argumentiert der TA
– Die Benachteiligungen beim Zugang zum Wasserkanal, die unfaire Behandlung gewisser Doktorierender sei mit mehreren zuverlässigen Quellen dokumentiert.
– Die angeblich falsche Bezeichnung der BF2 als «Professorin» sei nicht falsch. In Kanada trage sie sehr wohl einen Professorentitel und dürfe deshalb auch hier so angesprochen werden.
– Was die Mobbingvorwürfe angeht, so verweist der TA auf das oben Gesagte (Benachteiligung von Doktorierenden) und darauf, dass mit dem Verb «sollen» signalisiert worden sei, dass es hier um Vorwürfe gehe und «keinesfalls um erwiesene Tatsachen». Diese Vorwürfe hätten allerdings auch andere Studierende bestätigt.
– Der Plagiatsvorwurf sei berechtigt, Plagiat sei nicht nur das wortwörtliche Kopieren von Texten, sondern auch das Unterlassen von Quellenangaben.
– Dass Frau Dr. Y., die BF2, nur auf Drängen ihres Lebenspartners angestellt worden sei, sei mehrfach bestätigt.
– Die Darstellung, wonach die Kritik ehemaliger Mitarbeiter am Verhalten der BF von Leuten stamme, die gehen mussten, weil ihre Leistung nicht genügt habe, ändere nichts daran, dass diese Aussagen gemacht und von anderer Seite bestätigt worden seien.
– Dass die Unterstützungsbriefe nicht aus eigenem Antrieb der Studenten, sondern auf Aufforderung der BF geschrieben worden seien, werde von verschiedenen Quellen bestätigt. Unter anderem belege das ein Schreiben, das von neun Studierenden unterzeichnet sei.
– Schliesslich sei es eine Tatsache, dass BF2 Nachfolgerin des BF1 geworden sei. Dies festzustellen und dazu zu bemerken, damit blieben gewisse Rechte an Forschungsprojekten «in der Familie», sei nicht tendenziös, sondern eine Feststellung von Fakten.
Abschliessend betont der TA noch einmal, dass sämtliche monierten Verstösse gegen die Wahrheitspflicht «hätten ‹neutralisiert› werden können», wenn eine Konfrontation mit den Beschwerdeführenden möglich geworden wäre, wie dies die Journalisten mehrfach verlangt hätten.
D. Am 23. August 2019 teilte der Presserat den Parteien mit, der Schriftenwechsel sei abgeschlossen, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 24. Februar 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Der zentrale Vorwurf, den die BF dem TA gegenüber erheben, besteht darin, dass dieser mit dem beanstandeten Artikel eine ganze Anzahl von schwerwiegenden Vorwürfen gegen sie erhoben habe, ohne sie dazu Stellung nehmen zu lassen.
Unabhängig davon, wie weit einzelne dieser Vorwürfe den Grad von «schweren» Vorwürfen im Sinne der Spruchpraxis des Presserates erreichen (illegales oder vergleichbares Handeln), lässt sich festhalten, dass die Autoren des Artikels sich um Stellungnahmen der BF bemüht haben. Sowohl die Medienstelle der ETH als auch die Empa haben eine Beantwortung ihrer Fragen nicht zugelassen. Diese Darstellung des TA hinsichtlich des Ablaufs der Ereignisse war dem Anwalt der BF laut einem der Beschwerdeantwort des TA beigelegten Mailwechsel seit dem 23. Februar 2019 bekannt und wurde von diesem in der Folge nicht bestritten. Das heisst, dass die Autoren gemäss der dem Presserat vorliegenden Fakten den korrekten Weg gegenüber ETH-MitarbeiterInnen beschritten haben und dass die ETH und die Empa ihre detaillierten Fragen weder an die BF weitergeleitet noch selber beantwortet haben. Angesichts dessen, sowie der Tatsache, dass den BF die Möglichkeit einer Stellungnahme in einem Interview, allenfalls in einem Leserbrief (beides anonym oder mit Pseudonymen) angeboten worden ist, kann nicht davon gesprochen werden, dass der TA eine Anhörung bei schweren Vorwürfen unterlassen habe. Ziffer 3 der «Erklärung» respektive Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) sind nicht verletzt.
2. Der zweite Vorwurf geht dahin, dass BF 1 und BF 2 im Artikel ohne das dafür erforderliche öffentliche Interesse identifiziert worden seien. Allein die Tatsache, dass der sogenannte «Wasserkanal» auf einer Illustration dargestellt worden sei, reiche dazu aus, den BF 1 kenntlich zu machen. Jeder, der die Abläufe bei der Empa kenne, wisse nach Anblick dieses Bildes, um wen es sich handeln müsse. Weiter sei es auch für Aussenstehende mit wenigen Klicks möglich, den Namen des für den Wasserkanal verantwortlichen Wissenschafters herauszufinden. Der «Tages-Anzeiger» bestreitet, dass dies «mit wenigen Klicks» möglich sei. Ein kurzer Versuch seitens des Presserates zeigte, dass hierzu effektiv eine etwas ausführlichere Suche erforderlich ist. Hier steht jedenfalls mindestens Aussage gegen Aussage. Was – angesichts der Illustration – die Erkennbarkeit des Verantwortlichen für den Wasserkanal, des BF1, seitens der Empa-MitarbeiterInnen angeht, so ist dem zuzustimmen: Diesem kleinen Kreis gegenüber ist der BF1 und damit indirekt wohl auch die BF2 mit diesem Artikel, insbesondere dem Bild identifiziert. Damit sind sie aber nicht in einer breiteren Öffentlichkeit identifizierbar. Der beschriebene Kreis von Empa-MitarbeiterInnen entspricht dem «engen Kreis», der überschritten sein müsste, damit von einer Identifizierbarkeit gemäss Richtlinie 7.2 gesprochen werden kann. Richtlinie 7.2 ist nicht verletzt, es steht im einen Punkt (Erkennbarkeit mittels weniger Klicks) Aussage gegen Aussage, im andern Punkt (Erkennbarkeit für Empa-Mitarbeitende) besteht keine Verletzung.
3. Was, drittens, die geltend gemachten Verstösse gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung» respektive Richtlinie 1.1) angeht, so ist zur Mehrzahl der gerügten Sachverhalte festzuhalten:
Die verschiedenen Kritiken am Verhalten der BF1 und 2 sind jeweils bestimmten Quellen zugeordnet und laut dem TA jeweils auch von weiteren Personen bestätigt. Das gilt (in der Reihenfolge des Artikels) für den Vorwurf des verweigerten Zugangs zu wissenschaftlichen Instrumenten, des Mobbings, von wissenschaftlichen Fehlleistungen, von nicht nachvollziehbaren Kündigungen. Diese werden nicht als bewiesen, sondern als von Insidern so behauptet geschildert. Der Plagiatsvorwurf ist in einem Fall detailliert geschildert und – was den Sachverhalt angeht – von den BF inhaltlich nicht bestritten. Es wird nur der Vorgang in der Beurteilung anders qualifiziert.
Was – darüber hinaus –
– die Behauptung angeht, dass die BF2 «auf Drängen» des BF1 angestellt worden sei, so belegt der von den beiden BF selber eingereichte Beleg zu ihrer Anstellung zwar in der Tat, dass ihre wissenschaftlichen Kenntnisse die Grundlage für die Anstellung bildeten, es wird aber auch gesagt, dass sie im Rahmen der Förderung von «dualen Karrieren» «parallel» zu ihrem Lebenspartner, dem BF 1, angestellt werde. Der Hinweis des TA darauf, dass die eine Anstellung von der anderen abhing, dass er um ihre Anstellung gebeten hat, ist demgemäss nicht wahrheitswidrig.
– Gleich verhält es sich mit dem Hinweis, dass nach dem Rücktritt des BF1 die BF2 übernommen habe und Rechte an Forschungsprojekten damit «in der Familie» blieben. Dieser Hinweis ist sachlich nicht falsch.
– Hinsichtlich der angeblich höheren Kündigungsquote im Vergleich zu den übrigen Bereichen der ETH steht Aussage gegen Aussage.
– Dasselbe gilt für die Frage, ob Unterstützerbriefe für die beiden BF freiwillig oder auf Geheiss geschrieben worden sind.
Alles in allem ist eine Verletzung der Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) nach Einschätzung des Presserats in verschiedenen Fällen nicht erfolgt, in anderen nicht belegt.
Bei all diesen erheblichen Vorwürfen an die Adresse der BF wäre es aber im Interesse der Fairness und des Persönlichkeitsschutzes sehr zu wünschen gewesen, dass die Betroffenen hätten Stellung nehmen können. Ob das in concreto mit mehr zeitlichem Aufwand hätte möglich gemacht werden können, entzieht sich der Kenntnis und damit der Beurteilung des Presserates.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Der «Tages-Anzeiger» hat mit dem Artikel «Plagiat und Mobbing: Neue Vorwürfe erschüttern die ETH» vom 22. Februar 2019 die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) und 7 (Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.