Nr. 34/2011
Offenlegen der Besitzverhältnisse

(Arbus Schweiz/«Rettet Basel»/Syndicom/Eugster c. «Basler Zeitung Medien») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 13. Juli 2011

I. Sachverhalt

A. Am 28. Februar 2011 beschwerte sich der Verein Arbus Schweiz – Vereinigung für kritische Mediennutzung (nachfolgend: Arbus) beim Presserat über mangelnde Transparenz der Besitzverhältnisse bei der «Basler Zeitung». Mit dem unklaren Besitzerwechsel im Herbst 2010 verstosse die Zeitung gegen Buchstabe d der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und die im Rahmen der Erweiterung der Trägerschaft der Stiftung «Schweizer Presserat» im Jahr 2008 vereinbarte zugehörige Protokollerklärung. Arbus fordert den Presserat auf, darauf zu drängen, dass die Besitzverhältnisse der «National Zeitung und Basler Nachrichten AG» für die Mitarbeiter des Unternehmens, aber auch für Leserschaft und Öffentlichkeit transparent gemacht werden. «Die Region Basel – wie andere Regionen der Schweiz auch – verfügt über keine Medienvielfalt im Printbereich mehr; umso mehr ist es für Medienkonsument/innen wichtig zu wissen, wem die ‹Basler Zeitung› tatsächlich gehört.»

B. Am 5. März 2011 gelangte Guy Krneta, Basel, im Namen von 1126 Mitunterzeichnenden (Stand per Datum der Eingabe), die gemeinsam unter dem Namen «Rettet Basel» auftreten, mit einer ähnlichen Beschwerde gegen die «Basler Zeitung» an den Presserat. Unter Berufung auf die gleichen berufsethischen Bestimmungen fordert «Rettet Basel» den Presserat ebenfalls auf, «aktiv zu werden und darauf hinzuwirken, dass die Besitzverhältnisse der ‹National Zeitung und Basler Nachrichten AG› für die Mitarbeitenden des Unternehmens, für Leserinnen und Leser der Zeitung sowie die übrige Öffentlichkeit transparent gemacht werden».

Nach dem Verkauf der «Basler Zeitung» durch die Verlegerfamilie Hagemann an Tito Tettamanti und Martin Wagner im Februar 2010 habe es bereits im November 2010 einen weiteren Handwechsel gegeben. «Der Basler Unternehmer Moritz Suter erwarb die ‹Basler Zeitung Medien› zu angeblich 100 Prozent.»

Der «offiziell nicht bestätigte, aber auch nie dementierte» Verkaufspreis beim ersten Handwechsel zwischen Hagemann und Tettamanti/Wagner habe «rund 70 Millionen Franken» betragen. Zudem seien Schulden von 106 Millionen Franken übernommen worden. Moritz Suter habe demgegenüber in einem Interview eingeräumt, dass er für die «Basler Zeitung Medien» «wenig mehr als eine Million Franken» bezahlt habe («NZZ am Sonntag» vom 6. Februar 2011). «Gleichzeitig behauptet Suter aber, die Besitzverhältnisse bei der ‹Basler Zeitung› seien absolut klar. Er sei hundertprozentiger Besitzer der ‹BaZ-Holding›, dies sei auch im Handelsregister so eingetragen.»

Die Beschwerdeführer wenden dazu ein, die Rechte an der «Basler Zeitung» gehörten nicht der von Suter erwähnten «BaZ-Holding», sondern vielmehr der «National Zeitung und Basler Nachrichten AG». Es sei nicht bekannt, in welchem Umfang die Holding an letzterer beteiligt sei. Falls die Holding Alleineigentümerin wäre, bestünde eine erklärungsbedürftige massive Diskrepanz zwischen den Verkaufspreisen: 70 Millionen Franken gegenüber rund 1 Million Franken. Unklar sei ferner der Umgang mit den Schulden, welche Moritz Suter in einer den Beschwerdeführern vorliegenden E-Mail mit 106 Millionen Franken beziffert habe.

Gestützt auf einen Bericht der «NZZ am Sonntag» vom 2. März 2011 führen die Beschwerdeführer weiter aus, die «BaZ Holding AG», über die der Kauf der «Basler Zeitung Medien» abgewickelt wurde, sei im Februar 2010 gegründet und mit einer Million Franken kapitalisiert worden. Die Gründung habe offenbar bezweckt, «Personen den Einstieg ins Basler Medienunternehmen zu ermöglichen, die nicht viel eigenes Geld aufbringen können oder wollen». Diese Einschätzung der «NZZ am Sonntag» decke sich mit der Aussage des früheren Teileigentümers Martin Wagner, der 25 Prozent zu 250’000 Franken erworben haben soll. Es erkläre auch, wie es Moritz Suter möglich war, sich innerhalb von drei Tagen zu entscheiden, ein Unternehmen dieser Grösse zu übernehmen; Moritz Suter habe im November 2010 am Radio gesagt, Tito Tettamanti habe ihn am Freitag angerufen, und am Montag habe Suter unterzeichnet. Laut den Beschwerdeführern deutet vieles darauf hin, dass sich mit Suters Einstieg bei den «Basler Zeitung Medien» nichts an den tatsächlichen Besitzverhältnissen geändert habe und dass Suter nicht in der Lage sei, von den Finanzgebern unabhängige Entscheide zu treffen.

Die jüngste Personalpolitik der «Basler Zeitung» mit ökonomisch nicht nachvollziehbaren Entlassungen und die angekündigte Auslagerung des Zeitungsdrucks liessen befürchten, dass die «Basler Zeitung Medien» in mehrere eigenständige Unternehmen aufgespaltet werde und so die Eigentumsverhältnisse bei der «Basler Zeitung» vollends unübersichtlich würden.

C. Am 8. April 2011 beantragte die anwaltlich vertretene «Basler Zeitung Medien», auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, allenfalls sei sie abzuweisen.

Die in der «Erklärung» verbriefte Offenlegung der Besitzverhältnisse sei ein Recht der Journalistinnen und Journalisten; die Beschwerdeführer aber hätten sich nicht als Mitglieder der Redaktion der «Basler Zeitung» ausgewiesen. Eine Beschwerdelegitimation von Arbus oder «Rettet Basel» lasse sich ebenso wenig aus der Protokollerklärung zum Journalistenkodex ableiten. Zudem, führt die Beschwerdegegnerin an, bestehe das eigentliche Ziel von «Rettet Basel» darin, den Chefredaktor der «Basler Zeitung», Markus Somm, zu ersetzen. Weiter fordere die mit «Rettet Basel» eng verbundene «Aktion Medientransparenz» mit einer Petition an Bundesrat und Parlament die gesetzliche Einführung einer Pflicht zur Offenlegung der Besitzverhältnisse. Mithin drohe eine politische Instrumentalisierung des Presserats. Auf die Beschwerde sei aus all diesen Gründen nicht einzutreten.

Ohnehin sei die Beschwerde inhaltlich gegenstandslos, da die «Basler Zeitung Medien» das Offenlegungspostulat bereits erfüllt hätten. Das Unternehmen habe am 24. November 2010 umgehend öffentlich mitgeteilt, dass Moritz Suter alleiniger Besitzer und Verleger des Medienunternehmens sei. Suter habe die Mitarbeiter auch persönlich orientiert. Aus den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Handelsregisterauszügen gehe hervor, dass Suter zur Zeit alleiniger Verwaltungsrat von «National Zeitung und Basler Nachrichten AG» und «BaZ Holding AG» sei – und damit die Unternehmensgruppe Basler Zeitung Medien allein kontrolliere.

«Moritz Suter ist Alleinaktionär der ‹BaZ Holding AG›. Diese hält sämtliche Aktien der ‹National Zeitung und Basler Nachrichten AG›. Unter ihrem Dach sind unter der Geschäftsbezeichnung ‹Basler Zeitung Medien› und alle weiteren Medien zusammengefasst.» Die darüber hinaus gehende Forderung der Publikation von Unternehmensinterna wie Refinanzierung und Kreditverträgen werde von der Offenlegungspflicht des Journalistenkodex nicht erfasst. Eine derartige Pflicht würde zudem gegen die verfassungsrechtlich garantierte Medien- und Wirtschaftsfreiheit verstossen. Der Gesetzgeber habe bei der Beratung der Impressumspflicht gemäss Artikel 322 Absatz 2 Strafgesetzbuch bewusst darauf verzichtet, eine Offenlegungspflicht darüber einzuführen, wer an einem Medienunternehmen beteiligt ist.

D. Der Presserat teilte den Parteien am 19. April mit, der Schriftenwechsel sei abgeschlossen. Er wies die Beschwerde der 1. Kammer zu, der Edy Salmina (Kammerpräsident), Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Philip Kübler, Klaus Lange, Sonja Schmidmeister und Francesca Snider (Mitglieder) angehören.

E. Am 10. Mai 2011 schloss sich die Mediengewerkschaft Syndicom der Beschwerde von «Rettet Basel» an. Ergänzend zu deren Beschwerde vom 5. März 2011 führt Syndicom aus, der Anspruch der Journalistinnen und Journalisten auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers erschöpfe sich nicht in einer einfachen Information über den formellen Handelsregistereintrag. Vielmehr seien die tatsächlichen Besitz- und Eigentumsverhältnisse offenzulegen. Weder die Redaktion der «Basler Zeitung» noch Syndicom hätten bisher entsprechende Informationen erhalten.

F. Am 27. Mai 2011 schloss sich Timm Eugster, Zürcher Korrespondent der «Basler Zeitung», der Beschwerde von «Rettet Basel» vom 5. März 2011 ebenfalls an. Als Redaktor sei er zweifelsfrei beschwerdeberechtigt.

G. Am 1. Juni 2011 beantragte die wiederum anwaltlich vertretene «Basler Zeitung Medien», auf die Beschwerdeergänzung von Timm Eugster sei nicht einzutreten, da der Presserat den Parteien zuvor bereits den Abschluss des Schriftenwechsels mitgeteilt habe.

H. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 13. Juli 2011 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss Artikel 1 Absatz 1 seines Geschäftsreglements steht der Schweizer Presserat dem Publikum und den Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen zur Verfügung. Beschwerdeberechtigt ist jedermann (Artikel 6 Absatz 1). Dies gilt ungeachtet einer persönlichen Betroffenheit im konkreten Fall (vgl. hierzu zuletzt die Stellungnahme 7/2011). Die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage der Beschwerdelegitimation ist deshalb gegenstandslos. Auf die Beschwerden ist ohne Weiteres einzutreten. Auch die Unterzeichner der Eingabe von «Rettet Basel» sind als Einzelpersonen je zur Beschwerde berechtigt.

b) Nicht massgebend für den Presserat sind zudem – von der Beschwerdegegnerin behauptete – über das vorliegende Beschwerdeverfahren hinausgehende politische Intentionen der Beschwerdeführer. Der Presserat äussert sich gestützt auf die von den Parteien vorgebrachten Argumente und eingereichten Unterlagen in der nachfolgenden Stellungnahme einzig zum Thema Offenlegung der Besitzverhältnisse von Medienunternehmen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Gutheissung der Beschwerden dazu geeignet wäre, den aktuellen Chefredaktor der «Basler Zeitung» abzusetzen. Die Beschwerdeführer beantragen lediglich, dass der Presserat den Verleger der «Basler Zeitung» dazu auffordert, Transparenz über die Besitzverhältnisse herzustellen.

c) Der Presserat äussert sich bloss zurückhaltend zu redaktionsinternen Vorgängen und zum Verhalten von Medienunternehmen. Er tut dies dann, wenn der Beschwerdegegenstand zumindest mittelbar im Zusammenhang zur publizistischen Tätigkeit besteht und sofern nicht andere als berufsethische Aspekte, beispielsweise Rechtsfragen, im Vordergrund stehen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 50/2010 mit weiteren Hinweisen). Im Fall «Basler Zeitung» ist der geforderte Zusammenhang zwischen Beschwerdegegenstand und publizistischer Tätigkeit zu bejahen, ist es für die öffentliche Wahrnehmung einer Publikation doch von erheblicher Bedeutung, wer dahinter steht (ebenso bereits die Stellungnahme 26/2003). Auch insofern ist deshalb auf die Beschwerden einzutreten.

2. a) Der von den Beschwerdeführern angerufene erste Satz von Buchstabe d der «Erklärung der Rechte» lautet: «Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers.» Die zugehörigen Protokollerklärungen, die anlässlich des Beitritts des Verbands Schweizer Medien und der SRG SSR idée suisse zum Presserat im Jahr 2008 vereinbart wurden, interpretieren diese Bestimmung wie folgt: «Zur ethischen Forderung auf Transparenz über die Besitzverhältnisse empfehlen die Parteien den Medienunternehmen, ihre redaktionellen Mitarbeiter bei der Anstellung sowie bei wesentlichen Veränderungen von sich aus über die relevanten Beteiligungen am Unternehmen zu orientieren. Ebenso ist eine regelmässige öffentliche Bekanntgabe der Besitzverhältnisse angebracht.»

b) Der Presserat hat sich bisher ein einziges Mal, in der bereits erwähnten Stellungnahme 26/2003 («Transparenz über die Besitzverhältnisse der Jean Frey AG») zur Tragweite von Buchstabe d der «Erklärung der Rechte» geäussert. Er hält darin fest, die Herstellung von Transparenz über die Besitzverhältnisse der Medienunternehmen stärke zusammen mit der Forderung nach Festlegung einer redaktionellen Linie und dem Verbot von verlegerischen Einzelweisungen (Buchstabe c der «Erklärung der Rechte») die journalistische Unabhängigkeit.

Zudem empfahl der Presserat den Medienunternehmen, ihre redaktionellen Mitarbeiter bei der Anstellung sowie bei wesentlichen Veränderungen von sich aus über die relevanten Beteiligungen am Unternehmen orientieren. Ebenso sei eine regelmässige öffentliche Bekanntgabe der Besitzverhältnisse angebracht. «Zudem sollten die Medienunternehmen den redaktionellen Mitarbeiter/innen jederzeit auf Anfrage hin Auskunft über die Eigentumsverhältnisse erteilen.»

Zum konkreten Fall «Jean Frey AG» hält die Stellungnahme 26/2003 weiter fest, die Umsetzung der Offenlegungspflicht hänge im Einzelfall auch vom Kenntnisstand des Medienunternehmens ab. Die Identität von Inhaberaktionären und von im Aktienbuch nicht eingetragenen Namenaktionären sei nicht immer bekannt. Dies sei, so der Presserat, hinnehmbar, wenn gerade die Anonymität eines Teils des Aktionariats dessen Einflussnahme auf ein Unternehmen unterbindet und solange von den nicht bekannten Aktionären kein Versuch ausgeht, auf eine bestimmte Publikation oder auf deren redaktionelle Linie kraft ihrer Eigentümerstellung Druck auszuüben. Die wichtigsten Aktionäre sollten aber in jedem Fall bekannt sein, «auch wenn für diese nicht die Eigentümerstellung, sondern die Finanzanlage im Vordergrund stehen sollte». Im Fall «Jean Frey AG» waren 80 Prozent der Inhaber des Aktienkapitals namentlich bekannt, was der Presserat als genügend befand. Zumal damals keine Indizien darauf hindeuteten, dass in Wirklichkeit ganz andere, im Hintergrund agierende Personen das «Sagen» hatten.

3. a) Inwiefern unterscheidet sich der Fall «Jean Frey» vom Fall «Basler Zeitung»? Zunächst einmal insofern, als gemäss Darstellung der Beschwerdegegnerin, auf die der Presserat im Zweifel abzustellen hat, sämtliche Aktionäre bekannt sind. Wenn Moritz Suter Alleinaktionär der BaZ Holding AG ist und diese ihrerseits 100 Prozent der Aktien der «National Zeitung und Basler Nachrichten AG» besitzt, dann beherrscht er rechtlich auch die Herausgeberin der «Basler Zeitung». Gestützt auf diese Sachverhaltsdarstellung argumentiert die Beschwerdegegnerin, die Besitzverhältnisse seien juristisch klar.

b) Doch ist mit diesen Angaben das Transparenzgebot im Sinne von Buchstabe d der «Erklärung der Rechte» erfüllt? Können sich Mitarbeiter/innen und Öffentlichkeit gestützt auf diese Angaben ein genügend genaues Bild darüber machen, wer am Unternehmen «Basler Zeitung Medien» wesentlich beteiligt ist, wer als Verleger der «Basler Zeitung» die allgemeine Ausrichtung der «Basler Zeitung» festlegt und die grundlegenden personellen Entscheide fällt? Für den Presserat deutet die anhaltende öffentliche Diskussion über das Thema darauf hin, dass wesentliche Zweifel daran bestehen, ob die formalrechtliche Eigentümerstellung von Moritz Suter auch den tatsächlichen, wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht.

Zwar genügen in der Regel Angaben über die Beteiligungsstruktur, um abschätzen zu können, wer eine Aktiengesellschaft beherrscht. Der Presserat hat aber bereits in der Stellungnahme 26/2003 darauf hingewiesen dass – beispielsweise bei Stimmrechtsaktien oder Aktionärsbindungsverträgen – die blosse Angabe der Zusammensetzung des Aktionariats und der Umfang der grösseren Beteiligungen nicht genügend Transparenz gewährleistet. Dies gilt aber auch dann, wenn deutliche Indizien darauf hinweisen, dass das rechtliche Eigentum nicht mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Besitzverhältnissen übereinstimmt.

c) Der Presserat kann gestützt auf die ihm von den Parteien eingereichten Unterlagen nicht beurteilen, ob bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die «Basler Zeitung» tatsächlich Moritz Suter oder einem oder mehreren unbekannten Dritten gehört. Gestützt auf die von den Beschwerdeführern eingereichten Medienrecherchen erscheint es aber zumindest fraglich, ob Moritz Suter die «Basler Zeitung Medien» vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren konnte, zumal kaum davon auszugehen ist, dass der gesamte Kaufpreis für ein derartiges Unternehmen bloss eine Million Franken beträgt. Ebenso wenig wäre damit die Frage der Übernahme der bestehenden Schulden in dreistelliger Millionenhöhe geklärt.

d) Bei seiner Beurteilung stützt sich der Presserat auf die von den Beschwerdeführern eingereichten Unterlagen und geht mangels ausdrücklicher Bestreitung der Beschwerdegegnerin von folgendem Sachverhalt aus:

– Die Familie Hagemann hat die «Basler Zeitung Medien» im Februar 2010 an Tito Tettamanti (75 Prozent) und Martin Wagner (25 Prozent) verkauft. Kommuniziert wurde der Verkauf als «Basler Lösung», mit welcher die «Basler Zeitung» als unabhängige Tageszeitung erhalten werden sollte. Zur gesamten BZM-Gruppe gehörten zu diesem Zeitpunkt «14 eigenständige Firmen. Die ‹Basler Zeitung› ist das bekannteste Objekt, daneben sind es Gratis- und Gemeindeanzeiger sowie Druckereibetriebe. Die BZM hatte 2008/09 mit 1200 Angestellten einen Umsatz von 263 Mio. Franken (179 Mio. Euro) erzielt. Der Verlust lag bei gut 12 Mio. Franken.» (Meldung der APA/dpa vom 8. Februar 2010)

– Aufgrund von Recherchen der «NZZ am Sonntag» begann es im November 2010 in Basel zu rumoren. Denn die Zeitung behauptete: «Blocher bestimmt Kurs der ‹Basler Zeitung›». Die Firma Robinvest des SVP-Politikers arbeite im Rahmen eines umfassenden Beratungsmandats eine neue Strategie für die Basler Mediengruppe aus. Offiziell bleibt zwar alles beim Alten. Tatsächlich habe der Basler Medienanwalt Martin Wagner in den letzten Monaten an Einfluss auf das operative Geschäft verloren. So verlaute gerüchteweise, der neue Chefredaktor Markus Somm sei gegen den Willen Wagners ernannt worden. Im September sei zudem die Holdinggesellschaft der Mediengruppe von Basel nach Zug verlegt und in «Watt Capitol Holding AG» umbenannt worden. «Offenbar aber waren Blocher und seine Firma schon im Spiel, als die heutigen Besitzer Anfang Jahr die Basler Mediengruppe kauften. ‹Es war die Robinvest, die damals die Due-Diligence-Prüfung für Tettamanti und Wagner durchgeführt hat›, sagt eine sehr gut informierte Person.» («NZZ am Sonntag» vom 14. November 2010)

– Nachdem der öffentliche Druck in der Folge zugenommen hatte, vermeldete die «Basler Zeitung» am 25. November 2010 den erneuten Verkauf der «Basler Zeitung». «Moritz Suter wird Eigentümer und Verleger der BaZ, Markus Somm bleibt Chefredaktor.» Crossair-Gründer Suter übernehme 100 Prozent der Aktien «Basler Zeitung Medien» und werde neuer Verleger und Verwaltungsratspräsident. Er habe die Unternehmung aus seinem privaten Vermögen bezahlt. «Als Grund für sein kurz entschlossenes Engagement – Tettamanti hatte Suter die Aktien vergangenen Freitag zum Kauf angeboten – nennt Suter die Emotionen, die in den vergangenen Tagen hochgegangen seien.» Er werde unter anderem dem Wunsch der Redaktion der «Basler Zeitung» nachkommen und das umstrittene Beratungsmandat von Christoph Blochers Firma Robinvest beenden.

– Am 6. Februar 2011 erweckte dann aber erneut eine Recherche der «NZZ am Sonntag», Zweifel daran, dass die «Basler Zeitung» tatsächlich Moritz Suter gehört. Denn der neue Verleger habe für den Kauf des Unternehmens «nur gut eine Million Franken» bezahlt. Nun übten die Kreditgeber Druck aus. Gemessen an der Grösse und Bedeutung des Unternehmens mit 1100 Mitarbeitern sei ein Kaufpreis von einer Million sehr wenig. Dies auch unter Berücksichtigung des beim vorherigen Verkauf im Februar 2010 bezahlten Betrags von rund 70 Millionen Franken zuzüglich Schuldübernahme von 100 Millionen Franken. Suter habe sich zu den Einzelheiten des Kaufes nicht äussern wollen, habe dann aber doch gesagt: «Die, die mir den Kredit gegeben haben, wollen, dass wir das Unternehmen schnell sanieren.» Für die «NZZ am Sonntag» stellte sich damit die Frage, wer Suter das Geld gab oder eine Garantie für einen Bankkredit leistete, mit dem der eigentliche Kauf der «Basler Zeitung Medien» finanziert wurde. Denn verschiedene Indizien deuteten darauf hin, dass die von Suter genannte gute Million bloss dem Erwerb der BaZ Holding AG gedient habe. «Die grosse Frage aber lautet: Wer brachte Ende 2010 die sehr viel grössere Verkaufssumme auf oder leistete entsprechende Garantien? (…) Hat Moritz Suter dem Gespenst, das er im November 2010 anscheinend aus der Region Basel vertrieb, in Wahrheit die Türen weit geöffnet? Ist Blocher finanziell an einer der beiden involvierten Basler Aktiengesellschaften beteiligt? Oder finanziert er jemanden, der es ist? ‹NEIN› lässt Blocher schriftlich antworten, in Grossbuchstaben. Tettamanti (…) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.»

– Am 15. Mai 2011 zitierte schliesslich die «SonntagsZeitung» Christoph Blocher wie folgt zur Frage: «Haben Sie Moritz Suter das Geld für den Kauf der ‹Basler Zeitung› gegeben? ‹Ich bin es nicht. Es ist auch einer, der handelt und sagt, das muss jetzt gemacht werden.› Wieso steht diese Person denn nicht öffentlich hin? ‹Wenn das ein Unternehmer ist, wird er von morgens bis abends von der linken Medienszene ,zur Sau‘ gemacht. Ich könnte hinstehen, mir würde das nichts ausmachen. Ich bin das gewohnt. Aber sonst ist die ganze Schlammschlacht nicht so lustig für Bürgerliche.› Ist Moritz Suters Gläubiger SVP-Mitglied? ‹Nein, aber das müssen sie ihn selbst fragen.›»

Gestützt auf diese unwidersprochenen Medienrecherchen stellt der Presserat fest, dass es unter den gegebenen Umständen nicht genügt, wenn die «Basler Zeitung» bloss Moritz Suter als rechtlichen Eigentümer bekannt gibt, ohne gleichzeitig zumindest in den wesentlichen Zügen transparent zu machen, ob Suter selber, ein Dritter oder mehrere Dritte das Unternehmen wirtschaftlich beherrschen.

4. a) Verstösst eine über die Angabe der rechtlichen Besitzverhältnisse hinausgehende Offenlegungspflicht gegen die Medien- und/oder die Wirtschaftsfreiheit – wie dies die Beschwerdegegnerin geltend macht?

b) Artikel 322 Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) verpflichtet die Medienunternehmen dazu, jeder Person auf Anfrage unverzüglich und schriftlich ihren Sitz sowie die Identität ihres Verantwortlichen bekanntzugeben. Absatz 2 verlangt von den Zeitungen und Zeitschriften darüber hinaus, im Impressum namhafte Beteiligungen an anderen Unternehmungen sowie den verantwortlichen Redaktor bekanntzugeben. «Die (…) Pflicht zur Angabe namhafter Beteiligungen richtet sich gegen die Medienkonzentration, bleibt indessen auf halbem Weg stecken (…) Für die Information der Allgemeinheit wäre die Information nützlicher, wer am fraglichen Medienunternehmen beteiligt ist.» (Franz Zeller, Basler Kommentar zu Artikel 322 Strafgesetzbuch, N 9, 1. Auflage, 2003)

c) Artikel 16 des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) verlangt von allen Programmveranstaltern die Offenlegung der Kapital- und Stimmrechtsverhältnisse gegenüber den zuständigen Behörden. Soweit die Aufsichtsbehörden die entsprechenden Informationen im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit und im Zusammenhang mit Massnahmen gegen die Medienkonzentration (Artikel 75 RTVG) benötigen, sind die Programmveranstalter gemäss Artikel 17 Absatz 1 RTVG zudem verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf Unternehmen, «welche im Radio- und Fernsehmarkt tätig sind und eine beherrschende Stellung in einem oder mehreren medienrelevanten Märkten innehaben» (Artikel 17 Absatz 2 RTVG).

d) Eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen statuiert auch das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG). In Artikel 20 BEHG wird die Pflicht begründet, dass
bei Erreichen, Über- oder Unterschreitung von 5, 10, 20, 33⅓, 50 und 66⅔ Prozent der Stimmrechte von Gesellschaften, die mindestens teilweise in der Schweiz kotiert sind, der Börse und der Gesellschaft zu melden sind. Die Bestimmung gilt sowohl für den direkten als auch den indirekten Erwerb sowie für gemeinsame Absprachen mit Dritten. Die Gesellschaft muss die ihr mitgeteilten Informationen über die Veränderungen bei den Stimmrechten veröffentlichen (Artikel 21 BEHG).

e) Am 17. November 2010 verlangte der SP-Nationalrat Beat Jans in einer Motion, der Bundesrat sei zu beauftragen, dem Parlament eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, um sicherzustellen, dass die Besitz- und Eigentumsverhältnisse von marktmächtigen Medienunternehmen offengelegt werden. Zur Begründung führte er an, börsenkotierte Aktiengesellschaften müssten ihre Beteiligungsverhältnisse zum Schutz der Anleger offen legen. Zum Schutz der freien Meinungsbildung und der Demokratie sei dies bei Medienunternehmen ebenso notwendig. In seiner Antwort vom 16. Februar 2011 führt der Bundesrat aus, er habe zwar Verständnis für das Anliegen des Motionärs. «Im Sinne einer unverfälschten Meinungs- und Willensbildung ist Transparenz insbesondere bei jenen Unternehmen wichtig, die zu den relevanten Anbietern im Bereich der Medien gehören.» Im Gegensatz zu den elektronischen Medien fehle im Printbereich jedoch die für eine gesetzliche Regelung notwendige Verfassungsgrundlage.

f) Ungeachtet der (verfassungs-)rechtlichen Situation ist es für den Presserat unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht einsichtig, inwiefern eine Offenlegung der Besitzverhältnisse von Medienunternehmen die Medien- und Wirtschaftsfreiheit in unverhältnismässiger Weise einschränken sollte. Zumal es im Fall «Basler Zeitung» keineswegs notwendig wäre, interne Dokumente und Verträge auf den Tisch zu legen. Der Redaktion der «Basler Zeitung» und der interessierten Öffentlichkeit wäre bereits gedient, wenn sich Verleger Moritz Suter unzweideutig dazu erklären würde, ob und falls ja, welche Drittperson(en) und/oder Institution(en) den Kauf der «Basler Zeitung Medien» finanziert und welche (Mitsprache-)Rechte sie sich dafür ausbedungen haben.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Medien ist es, Transparenz über gesellschaftliche Akteure und wichtige gesellschaftliche Vorgänge herzustellen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 30/2011 i.S. PubliGroupe c. «SonntagsZeitung»). Aufgrund ihrer grossen Bedeutung für eine pluralistische, demokratische Gesellschaft sind die Medien und deren Besitzer selber wichtige gesellschaftliche Akteure. Es erscheint deshalb widersprüchlich, wenn die Forderung nach Transparenz, welche die Medien gegenüber Behörden und Gesellschaft stellen, bei Printmedien nur in eingeschränktem Massstab gelten sollte.

Der Presserat hat in der Stellungnahme 52/2010 – zum Thema «Sperrfristen» – festgehalten, dass «die Entwicklung der Online-Medien dazu geführt (hat), dass Medienredaktionen Informationen auf verschiedenen Informationskanälen veröffentlichen. Auch die allermeisten Printmedien verbreiten ihre Berichte (zumindest teilweise) online, was tendenziell zu einer Angleichung der Möglichkeiten der verschiedenen Mediengattungen geführt hat, News rasch zu verbreiten» (ähnlich auch die Stellungnahme 64/2010 betreffend Veröffentlichung von anonymen Leser-SMS). Angesichts der zunehmenden Angleichung der verschiedenen Mediengattungen ist es auch in Bezug auf das Gebot zur Offenlegung der Besitzverhältnisse sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb für elektronische Medien – vorbehältlich besonderer Vorschriften für gebührenfinanzierte Veranstalter – eine weitergehende Pflicht zur Transparenz gelten sollte als für Printmedien.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. In der Redaktion der «Basler Zeitung» und in der Öffentlichkeit bestehen ernstzunehmende, begründete Zweifel daran, ob der Verleger Moritz Suter als aktienrechtlicher Eigentümer die «Basler Zeitung» auch wirtschaftlich beherrscht, Daher fordert der Presserat die «Basler Zeitung Medien» gestützt auf Buchstabe d der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» auf, durch geeignete Informationen und Erläuterungen gegenüber Redaktion und Öffentlichkeit Transparenz darüber herzustellen, ob Moritz Suter das Unternehmen auch wirtschaftlich beherrscht oder wer gegebenenfalls im Hintergrund das «Sagen» hat.

3. Die Forderung nach Offenlegung der direkten und indirekten Beteiligungen an Medienunternehmen ist mit der Medien- und Wirtschaftsfreiheit vereinbar. Medien, deren Aufgabe es ist, Transparenz über gesellschaftliche Akteure und wichtige gesellschaftliche Vorgänge herzustellen, dürfen bei sich selber keinen anderen Massstab anlegen als bei anderen wichtigen gesellschaftlichen Akteuren.