Nr. 4/2025
Wahrheitssuche / Menschenwürde / Diskriminierungsverbot

(Freiplatzaktion Basel c. «bazonline.ch»)

Zusammenfassung

«bazonline.ch» produziert unter dem Label «BaZ direkt» täglich einen Podcast. Anfang 2024 wurde eine Episode publiziert, die den Titel trug «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›». In dem Podcast wurde fälschlicherweise suggeriert, dass eine neue polizeiliche Praxis insbesondere Asylsuchenden zugutekomme. Die Regelung galt indessen bereits seit einem Jahr für alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, sie war neu lediglich auf ausländische Personen ausgedehnt worden.
Zudem wurde die Behauptung, dass «meist Asylsuchende» an Ladendiebstählen beteiligt seien, nicht belegt, Quellen wurden falsch zitiert und polizeiliche Statistiken nicht offengelegt respektive eingeordnet. Der Podcast enthielt auch Aussagen wie: «Die [Asylsuchenden] sind aggressiv, oft betrunken oder auf Drogen, sie sind eine Gefahr.» In seiner Stellungnahme hält der Presserat fest, dass solch pauschalisierende Aussagen unzulässig sind, da sie Stereotypen bedienen und eine ganze Personengruppe abwerten. Kritik an Minderheiten oder gesellschaftlichen Missständen muss möglich sein, doch gerade bei komplexen, heiklen oder emotional aufgeladenen Kontroversen ist eine besondere Sorgfaltspflicht gefordert, was die Podcast-Macher vermissen liessen. Der Presserat rügte deshalb die betreffende Podcast-Episode, weil sie gegen die Wahrheitssuche und gegen das Diskriminierungsverbot verstiess.

Résumé

«bazonline.ch» produit chaque jour un podcast sous le nom de «BaZ direkt». Début 2024, le journal a mis en ligne un podcast intitulé «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›» (Bâle, pays de cocagne pour les criminels: nous scions la branche sur laquelle nous sommes assis). Le podcast suggérait à tort qu’une nouvelle pratique policière était particulièrement favorable aux requérants d’asile. Or la règle en question s’appliquait déjà depuis un an à toutes les personnes domiciliées en Suisse et venait tout juste d’être étendue aux étrangers.
De plus, l’affirmation selon laquelle les vols à l’étalage étaient surtout le fait de requérants d’asile n’était pas étayée, les sources n’étaient pas citées correctement et les statistiques policières n’ont pas été publiées ni replacées dans leur contexte. Le podcast comprenait des affirmations telles que: «Die [Asylsuchenden] sind aggressiv, oft betrunken oder auf Drogen, sie sind eine Gefahr.» (les requérants d’asile sont agressifs, souvent ivres ou drogués, ils représentent une menace). Le Conseil suisse de la presse note dans sa prise de position que de telles assertions globalisantes ne sont pas permises, du fait qu’elles renforcent les stéréotypes et qu’elles sont dégradantes vis-à-vis d’un groupe de personnes dans son ensemble. Il doit être possible de critiquer des minorités ou des choses qui ne fonctionnent pas bien dans la société. Mais quand il s’agit de sujets complexes, controversés et chargés d’émotions, une vigilance particulière s’impose. Les auteurs du podcast n’en ont pas fait preuve. Le Conseil suisse de la presse a par conséquent constaté une violation du code de déontologie, l’épisode en question du podcast étant contraire aux principes de recherche de la vérité et d’interdiction de la discrimination.

Riassunto

Il media digitale «bazonline.ch» produce un podcast quotidiano denominato «BaZ direkt». A inizio 2024 è stato pubblicato un episodio intitolato «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›» (Basilea, paese della cuccagna per criminali: ci stiamo distruggendo da soli). Il podcast suggeriva erroneamente che una nuova prassi da parte della polizia avrebbe beneficiato in particolare i richiedenti asilo. Tuttavia, la regolamentazione in questione era in vigore già da un anno per tutte le persone domiciliate in Svizzera ed era stata estesa ai cittadini stranieri solo da poco tempo. Inoltre, l’affermazione che «la maggior parte dei richiedenti asilo» fosse coinvolta in furti nei negozi non era corroborata da prove, le fonti erano citate in modo erroneo e le statistiche della polizia non erano state divulgate o classificate. Il podcast conteneva anche affermazioni quali: «[I richiedenti asilo] sono aggressivi, spesso ubriachi o drogati; sono un pericolo.»
Nella sua presa di posizione, il Consiglio della stampa sostiene che tali affermazioni generiche sono inammissibili poiché si basano su stereotipi e sviliscono un’intera categoria di persone. Dev’essere possibile criticare le minoranze o i disagi sociali, ma vi è un particolare obbligo di cautela in caso di controversie complesse, delicate e di forte carica emotiva, di cui gli autori di questo post non hanno tenuto conto.
Il Consiglio della stampa ha quindi rimproverato il media per questo episodio di podcast, in quanto sono stati violati l’obbligo di ricerca della verità e il divieto di discriminazione.

I. Sachverhalt

A. Am 17. Januar 2024 veröffentlichte «bazonline.ch», der Onlineauftritt der «Basler Zeitung» (BaZ), im Rahmen der Podcast-Reihe «BaZ direkt» die Episode «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›». Der Untertitel lautete: «Ein Asylsuchender, der stiehlt? Easy. Aber bitte nur bis 300 Franken. Wo soll das noch hinführen?». Im Podcast reden die beiden Redaktoren Sebastian Briellmann und Benjamin Wirth über das Thema Ladendiebstähle. Ausgelöst worden sei der Beitrag durch einen Artikel von «Prime News». Das Onlineportal hatte tags zuvor unter dem Titel «Ladendiebstähle: Neue Basler Praxis in der Kritik» einen entsprechenden Text publiziert. Eingeführt wird der Podcast durch einen Kurztext. Darin steht, die Polizei komme nicht mehr, wenn bei einem Diebstahl die Deliktsumme unter 300 Franken liege, was vor allem Asylsuchende ausnutzen würden. Es sei auch verzwickt, da die Polizei 100 unbesetzte Stellen habe.

Während rund 15 Minuten sprechen der gastgebende Redaktor und der eingeladene Autor und Politikredaktor der BaZ über die Praxisänderung der Basler Kantonspolizei. Es gehe darum, dass Asylsuchende keine Kaution mehr bezahlen müssten, wenn sie beim Ladendiebstahl erwischt würden, falls der Deliktwert unter 300 Franken liege. Man könne stehlen, ohne dass etwas passiere, stellt der Politredaktor fest und fügt an, diese Behauptung sei überspitzt und präzisiert: Es sei so, dass die Polizei nicht mehr ausrücke und das Ladenpersonal den Delinquenten ein Formular aushändige, das diese ausfüllen müssten, womit sie die Schuld anerkennen würden. Die Formulare würden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Was die Leute jedoch aufrege, sei das Signal, dass diese Massnahme aussende. Im Gespräch wird der Bogen weitergespannt zum Personalmangel bei der Kantonspolizei Basel-Stadt, ein BaZ-Artikel, der praktisch gleichzeitig mit dem Podcast online geschaltet worden war, wird zitiert. Gemäss diesem Artikel wisse man, dass es sich bei den Delinquenten meist um «Asylanten» aus dem nord-afrikanischen Raum handle, dies hätten die Ladenbesitzer gesagt. Auch «Prime News» habe das berichtet. Die [Asylsuchenden, der Presserat] wüssten das und würden lachen.

Das Problem sei weniger die Bürokratie mit dem Formular, sondern dass sich die Delinquenten wehrten und aggressiv würden. Eine Ladenbesitzerin sei mit einem Messer bedroht worden. Es sei ja kein neues Phänomen, dass vor allem Asylanten in Kleinbasel aggressiv, oft betrunken oder auf Drogen und somit auch gefährlich seien. Der gastgebende Redaktor zitiert den Sprecher der Kantonspolizei, dieser betone, dass Ladendiebe nach wie vor verzeigt und bestraft würden. Er zitiert auch einen Grossrat und ehemaligen Polizisten, der von Staatsversagen spricht.

Später sprechen die Podcaster über die Täterschaft, über Kriminalität allgemein und die Einbrüche in Kleinbasel, die rapide zunähmen. Wohl handle es sich um kleinere Vergehen, aber es seien immer dieselben Leute. Man werde sozusagen belohnt, wenn man etwas anstelle. Die Polizei täte gut daran, ihre Law-and-Order-Politik zu überdenken. Die Leute [Ladenbesitzer, der Presserat] einfach ihrem Schicksal zu überlassen, gehe nicht – man mache sich lächerlich. Die Zahl der Asylsuchenden wachse weiterhin und man werde zum Schlaraffenland für Asylanten. Danach versichert der eine Redaktor in einem Einschub, es handle sich bei diesen Aussagen nicht um Interpretationen ihrerseits, sondern um Tatsachen und Informationen der Ladenbesitzer.

Im letzten Teil des Podcasts stellen die beiden Redaktoren fest, dass die Polizei nichts machen könne. Sie benötige mehr Personal, um eine starke Law-and-Order-Politik durchzusetzen zu können. Die Journalisten verweisen allgemein auf Zahlen (nennen aber keine konkreten Daten) und sagen, die «Maghreb-Länder» würden sich «ein Wettrennen um den Weltmeistertitel» liefern, «wer bei den öffentlich sichtbaren Delikten das Rennen macht». Der Podcast endet mit der Feststellung, es breite sich ein Unsicherheitsgefühl aus, die Bevölkerung werde teilweise aus den öffentlichen Räumen verdrängt.

B.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2024 reichte die Freiplatzaktion Basel (nachfolgend Beschwerdeführerin) beim Schweizer Presserat eine Beschwerde gegen den Podcast ein. Sie macht mehrere Verstösse gegen die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») und die dazugehörenden Richtlinien geltend. Konkret gegen die Richtlinien 1.1 (Wahrheitssuche), 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot).

Zu Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) beanstandet die Beschwerdeführerin folgende Punkte:
– Der Begleittext zum Podcast suggeriere, dass die Polizei eine neue Praxis eingeführt habe, die vor allem Asylsuchenden nütze. Korrekt sei, dass diese Praxis bereits seit einem Jahr gelte – ausgenommen für Asylsuchende. Neu sei lediglich, dass die Regelung nun auch für Asylsuchende gelte, und die Polizei auch bei ihnen nicht mehr ausrücke bei einer Deliktsumme von unter 300 Franken.
– Die Behauptung, dass «meistens Asylanten» an Ladendiebstählen beteiligt seien, sei unbelegt. Es werde keine konkrete Statistik erwähnt, sodass die pauschalisierende Behauptung nicht überprüfbar sei. Erwähnt werde lediglich der gleichentags veröffentlichte Online-Beitrag bei «bazonline.ch», worin jedoch kein Ladenbesitzer die Aussage stütze. Lediglich ein SVP-Politiker behaupte dies. Hier werde eine gefühlte Meinung als Fakt hingestellt.
– Die Behauptung, dass «Prime News» geschrieben habe, Ladenbesitzer erzählten, Asylsuchende kämen in ihre Läden und würden Regale leer räumen, sei falsch. «Prime News» habe das nicht geschrieben. Es handle sich um eine Erfindung der BaZ-Journalisten, welche die Podcaster jedoch als Tatsache bezeichneten.

Zu den Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot) verweist die Beschwerdeführerin auf folgenden Ausschnitt des Audiobeitrages, der gegen die «Erklärung» verstosse:
«Und das ist ja kein neues Phänomen, dass vor allem Asylanten in Kleinbasel – und ich drücke es jetzt ganz höflich aus – den Hang zur leichten Aggression haben, nein … Die sind aggressiv, sie sind oft betrunken oder auf Drogen, sie sind eine Gefahr, sie ziehen das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massiv herunter.»
– Es werde durchgehend der Begriff «Asylant» verwendet. Dieser Begriff sei klar abwertend und figuriere auch auf der Liste der belasteten Begriffe der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Es handle sich seit den 90er-Jahren auch um einen Kampfbegriff der politischen Rechten in der Schweiz. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hat auch die nachträgliche Änderung dieses Begriffs im Begleittext («Asylsuchende» anstelle von «Asylanten») nichts daran geändert, dass die Journalisten im Podcast grundsätzlich in herabsetzender Weise über Asylsuchende sprachen.
– Die Aussage, dass vor allem Asylsuchende einen Hang zur Aggression hätten, sei pauschalisierend und auch diskriminierend, da sie Vorurteile verstärke und gesellschaftliche Stereotypen bediene. Die Beschwerdeführerin führt noch weitere ähnliche Passagen an, die pauschalisierend seien.

Die Beschwerdeführerin moniert auch im nachfolgenden Ausschnitt einen Verstoss gegen die Richtlinien 8.1 und 8.2.
«Wenn man mal in die Zahlen schaut, dann liefern sich Maghreb-Länder ein Wettrennen um den Weltmeistertitel, wer bei den öffentlich sichtbaren Delikten das Rennen macht. Dann gibts vielleicht stellenweise noch ein paar Afghanen, da ist aber Zürich betroffener als wir, stellenweise gibts ein paar Syrer. Aber sonst ist es Marokko, Tunesien, Algerien und das vierte fällt mir jetzt nicht ein, ist ja auch egal. Es sind diese Herkunftsländer, wo die Leute – es sind ja alles Männer – hierherkommen, ihr Unwesen treiben, der Bevölkerung Angst machen.»
– Die Aussage, dass sich die Maghreb-Länder «ein Rennen um den Weltmeistertitel» lieferten, lasse sich so nicht belegen, weil diese Zahlen nicht vorlägen. Selbst wenn es polizeiliche Statistiken gäbe, würden diese lediglich eine Korrelation und keine Kausalität ausweisen.
Ebenso sieht die Beschwerdeführerin im nachfolgenden Gesprächsabschnitt einen Verstoss gegen die Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot):
«Aber es nimmt so rapide zu. Und es sind immer die gleichen Leute, oder? Und man will nicht wirklich die Wahrheit sagen, weil man Angst hat, ich weiss auch nicht, ist es Rassismus, ist es irgendwie Gutmenschentum, es ist irgendwie politisch ein Versprechen brechen, who cares?»
– Auch hier werde behauptet, alle Diebstähle oder Delikte liessen sich einer oder mehreren, klar identifizierbaren Personengruppen zuschreiben. In Verbindung mit der Diskussion über die Herkunft der Täterschaft sei auch diese Äusserung klar als rassistisch einzustufen.

C. Mit Schreiben vom 4. Juli 2024 nahm der Rechtsdienst der TX Group, zu der die «Basler Zeitung» gehört, Stellung und beantragte, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen.

Zu Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche):
– Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin werde die Polizeipraxis im monierten Beitrag sehr genau erklärt. Der Redaktor selbst bezeichne seine Aussage als überspitzt. Überdies sei nicht die Rede davon gewesen, dass dies Asylsuchenden nütze, vielmehr sei kritisiert worden, dass diese Personengruppe diese Praxis ausnutze.
– Auch bei der Aussage, es werde als «Tatsache» dargestellt, dass Asylsuchende die Ladenregale leerräumen würden, liege die Beschwerdeführerin falsch. Es sei Tatsache, dass die Ladenbesitzer sich über die neue Regelung aufregten. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Redaktoren den falschen Artikel zitiert hätten. Bei der betreffenden Textpassage handle es sich nicht um einen «Prime-News»-Artikel, sondern um einen des «Nebelspalter». Es handle sich nicht um Erfindungen, wie es die Beschwerdeführerin nenne. «Prime News» habe in einem Artikel von einem Handelstreibenden berichtet, der darüber berichtete, dass bei ihm vor allem Asylsuchende Ladendiebstähle begehen würden. Und gemäss dem «Nebelspalter» würden 70 Prozent der Ladendiebstähle von Asylsuchenden ausgeführt. Zudem habe auch die «Rundschau» im Dezember 2023 berichtet, dass es sich bei den aufgedeckten Fällen vor allem um junge Männer aus Maghreb-Staaten gehandelt habe.

Zu den Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot):
– Der Begriff «Asylant» sei wohl verwendet worden, sei jedoch der Alltagssprache geschuldet und ohne insinuierte Böswilligkeit. Auch wenn die Redaktion der «Basler Zeitung» das Glossar der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus respektiere, so ergebe sich daraus trotzdem keine Verpflichtung für die Redaktion, den Begriff nicht mehr zu verwenden. Dies stelle keine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht dar.
– Eine Verletzung des Diskriminierungsverbots liege ebenfalls nicht vor. Konkret fehle es an der dafür notwendigen Intensität der negativen Zuschreibungen. Und schon gar nicht zu erkennen sei eine rassistische Haltung. Es müsse möglich sein, das Verhalten jeder Gruppe zu kritisieren, vorausgesetzt, die Kritik sei berechtigt und im öffentlichen Interesse.
– Die Aussage, dass vor allem Asylsuchende einen «Hang zur Aggression» hätten, verteidigt die Redaktion. Dies stütze sich auf unzählige Berichte der «Basler Zeitung» über den «Kriminalitäts- und Drogen-Hotspot unteres Kleinbasel», auf Gespräche mit der Polizei, mit einem verdeckten Fahnder, mit Anwohnern, Politikern und Lehrern. Demnach handle es sich nicht um eine unzulässige Pauschalisierung, sondern um die Wiedergabe von Tatsachen.
– Die Aussage, dass alle Asylsuchenden ohnehin kriminell seien, sei nicht weiter zu verfolgen, da die Kritik in dieser Passage des Podcasts gar nicht gegen die Asylsuchenden, sondern gegen die «polizeiliche Handhabung» der Strafverfolgung gerichtet sei», was dazu führe, dass «eine Gelegenheit zur Delinquenz erst geschaffen» werde.
– Bezüglich des Vorwurfs, konkrete Zahlen würden fehlen, verweist die Beschwerdegegnerin auf eine Vielzahl an Kantonen, die bereits im Vorfeld Zahlen zur Kriminalitätsstatistik publiziert hätten, die die Aussagen der «Basler Zeitung» stützen würden.

D. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2024 informierte der Presserat die Parteien, dass die Beschwerde der 1. Kammer zuteilt wurde, bestehend aus Susan Boos (Präsidentin), Luca Allidi, Catherine Boss, Ursin Cadisch, Stefano Guerra, Michael Herzka und Casper Selg. Michael Herzka trat von sich aus in den Ausstand.

E. Die 1. Kammer hat die Beschwerde in ihrer Sitzung vom 6. Januar 2025 und auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.


II. Erwägungen


1.
Es ist eine zentrale Aufgabe der Medien, gesellschaftliche Probleme aufzugreifen und kritisch zu beleuchten. Kritik muss möglich sein, auch wenn diese komplexe, heikle oder emotional aufgeladene Kontroversen betrifft. Doch gerade in solchen Fällen muss ganz besonders sorgfältig und präzise mit Quellen und Fakten umgegangen werden. Die erhöhte Sorgfaltspflicht bei solchen Themen hat der Presserat schon in verschiedenen Stellungnahmen eingefordert (vergleiche die Stellungnahmen 54/2024 bzw. 91/2020).

2. Wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Journalist hörbar Wut gegen Beteiligte ausdrückt, stellt sich die Frage, ob das journalistisch haltbar ist. Der Presserat äussert sich jedoch nicht zur handwerklichen Qualität von Medienberichten, er beurteilt nur, ob ein Beitrag den vom Beschwerdeführer angerufenen Kriterien der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» entspricht.

3. Zur Zuständigkeit: Gemäss Art. 2 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserats erstreckt sich dessen Zuständigkeit ungeachtet der Verbreitungsart auf den redaktionellen Teil der öffentlichen, auf die Aktualität bezogenen Medien und auf die journalistischen Inhalte, die individuell publiziert werden. Der Podcast wurde auf der Website «bazonline.ch» publiziert und erschien im üblichen redaktionellen Layout. Somit ist er als journalistisches Produkt zu behandeln und fällt deshalb in die Zuständigkeit des Presserates. Ein Podcast ist zudem grundsätzlich redigierbar.

4. Die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) stellt die Wahrheitssuche ins Zentrum der journalistischen Arbeit und verlangt die Beachtung und Überprüfung zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten und allfällige Berichtigungen.

– Die Beschwerdeführerin beanstandet, der Begleittext suggeriere fälschlicherweise, dass die Praxis neu sei und Asylsuchenden besonders nütze. Die «Basler Zeitung» widerspricht und führt an, die Polizeipraxis werde im monierten Beitrag sehr genau erklärt.

Aus Sicht des Presserates wird die neue Praxis weder im Begleittext noch im Podcast genügend erklärt. Während der Begleittext die Praxis kaum erklärt, geht der Podcast kurz darauf ein und erklärt den Aufwand für die Formulare und die Kaution, die die Delinquenten kaum einmal verfügbar hätten. Darüber, dass diese Praxis bereits für alle gilt, die in der Schweiz einen festen Wohnsitz haben, und nun neu auf Ausländer ohne Niederlassung sowie Asylsuchende ausgedehnt wird, spricht der Podcast nicht. Dies lässt bei den HörerInnen ein falsches Bild entstehen. Somit ist die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) verletzt.

– Die Beschwerdeführerin bemängelt, die Behauptung, es handle sich bei den Delinquenten meistens um Asylsuchende, sei nicht belegt. Erwähnt werde lediglich der eigene, separate, Artikel, der jedoch auch keine Belege für diese Behauptung liefere. Die Redaktion führt an, der Begriff «Tatsache» (der im Podcast verwendet wird) beziehe sich darauf, dass die Ladenbesitzer sich aufregten.

Der Presserat findet im zusätzlich als Quelle erwähnten BaZ-Artikel allerdings lediglich den Hinweis, dass einer (von drei befragten) Ladenbesitzern sagt, es handle sich um Täter, die «wohl hauptsächlich aus dem nord-afrikanischen Raum» stammten. Dies reicht jedoch nicht, um eine allgemeine Behauptung aufzustellen, wie «meist Asylsuchende», «immer dieselben Leute». Hier handelt sich nicht um eine Meinung, sondern um eine Tatsachenbehauptung, die entsprechend belegt werden muss.

Das von der «Basler Zeitung» angeführte Argument, andere Medien hätten bereits darüber berichtet, wird im Podcast weder erwähnt noch belegt oder eingeordnet. Es handelt sich somit um eine unbelegte Behauptung. Es ist keine Wahrheitssuche erkennbar, letztlich liegt ein Verstoss gegen die Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) respektive die Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung» vor.

– Die Beschwerdeführerin bemängelt eine falsche Zuschreibung. «Prime News» habe nie geschrieben, dass Asylsuchende Läden betreten, Regale leerräumen und dann gehen würden, wie es im Podcast zitiert werde. Die «Basler Zeitung» räumt ein, dass eine falsche Zitierung vorliege. Es handle sich um einen Artikel des «Nebelspalter». Dies ändere inhaltlich jedoch nichts.

Somit liegt offensichtlich eine falsche Zuschreibung vor. Diese kann man als handwerklichen Fehler bewerten, der gemäss Praxis des Presserates nicht zwingend zu einer Rüge führen muss. Weil der Presserat den Ursprungstext nicht kennt, ist es ihm nicht möglich, zu beurteilen, ob allenfalls trotzdem ein Verstoss vorliegen könnte.

5.
Da die Beschwerdeführerin zu den folgenden Beschwerdepunkten jeweils einen Verstoss gegen die beiden Richtlinien 8.1 (Achtung der Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierungsverbot) geltend macht, werden diese gemeinsam behandelt.
Die Richtlinie 8.1 (Achtung der Menschenwürde) verlangt, dass sich die Informationstätigkeit an der Menschenwürde zu orientieren hat, sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen.

Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) gebietet, die Nennung unter anderem der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit und der Herkunft gegenüber der Gefahr einer Diskriminierung abzuwägen und die Verhältnismässigkeit zu wahren.

– Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass durchgehend der Begriff «Asylant» verwendet werde. Dies sei ein klar abwertender Begriff (gemäss der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus). Die «Basler Zeitung» führt an, dass der Begriff der Alltagssprache geschuldet und ohne die insinuierte Böswilligkeit verwendet worden sei. Und obwohl die Redaktion im Begleittext den Begriff unterdessen mit «Asylsuchende» ersetzt habe, ergebe sich keine Verletzung der Sorgfaltspflicht.

Auch für den Presserat beinhaltet der Begriff «Asylant» heutzutage eine eher negative Konnotation. Der Duden schreibt zu dem Begriff: «oft abwertend». Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus führt ihn in der Liste der «belasteten Begriffe». Die Schweizer Verwaltung hat ihn durch Asylsuchende ersetzt. Umfragen in der Bevölkerung zeigen hingegen, dass eine Mehrheit der SchweizerInnen den Begriff als unproblematisch und neutral wahrnehmen und ihn auch so nutzen. Es kann nicht Aufgabe eines berufsethischen Gremiums sein, sich im Sinne einer «Sprachpolizei» zur Zulässigkeit derartiger Termini zu äussern (siehe auch die Stellungnahmen 6/2002, 56/2002). Deshalb verzichtet der Presserat auf eine Rüge, spricht jedoch eine Empfehlung aus: Da mit «Asylsuchende» eine sachlich und respektvoll wahrgenommene Alternative besteht, empfiehlt der Presserat, vom problematischen Begriff «Asylant» abzusehen.

– Die Beschwerdeführerin beanstandet die Passage, dass Asylsuchende einen «Hang zur Aggression» hätten. Diese sei verallgemeinernd, herabsetzend und bediene gesellschaftliche Stereotypen. Die «Basler Zeitung» führt an, die Aussagen stammten aus eigenen Berichten und Gesprächen mit mehreren Akteuren. Es handle sich um Tatsachen.

Für den Presserat ist diese Darstellung klar pauschalisierend. Zumal der Redaktor seine Aussage steigert und die Asylsuchenden in Kleinbasel als aggressiv, oft betrunken oder auf Drogen und als eine Gefahr bezeichnet. Diese Aussage bedient Stereotype. Selbst wenn einzelne Quellen dies bestätigen sollten, so müssten diese Aussagen differenziert dargestellt und belegt werden. Dabei geht es nicht darum, eine mögliche Täterschaft von Asylsuchenden auszublenden. Wird die Kritik differenziert belegt, ist es auch immer möglich und legitim, Personengruppen wie Asylsuchende zu kritisieren. Was hier nicht der Fall war. Demnach ist Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) verletzt.

– Die Beschwerdeführerin beanstandet die Aussage, dass die «Maghreb-Länder» sich ein «Wettrennen um den Weltmeistertitel» bei den öffentlich sichtbaren Delikten lieferten, wenn man in die Zahlen schaue. Auch wenn eventuell Zahlen vorliegen würden, so wäre das eine grobfahrlässige Pauschalisierung, die allen Personen aus den genannten Ländern illegales Verhalten unterstelle. In einer weiteren Passage heisse es zudem: «Und es sind immer die gleichen Leute, oder?». Auch hier werde impliziert, dass es dieselbe Personengruppe sei. Zudem lägen die Zahlen gar nicht vor. Die «Basler Zeitung» verweist darauf, dass mehrere Kantone im Vorfeld des Podcasts bereits Zahlen publiziert hätten (ob Basel-Stadt auch, bleibt offen).

Nach Einschätzung des Presserats ist diese Passage problematisch. Auch wenn Statistiken existierten, müssten diese korrekt eingeordnet werden. Derart pauschale Aussagen wie «die [Asylanten aus Kleinbasel] sind aggressiv, oft betrunken oder auf Drogen, sie sind eine Gefahr» sind unangemessen und diskriminierend, weil sie eine pauschale Schuldzuweisung nahelegen und Vorurteile verstärken können. Damit besteht ein Verstoss gegen Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot).

– Der Vergleich mit einem Wettrennen erscheint dem Presserat angesichts der Relevanz und Emotionalität des Themas als fragwürdig und unangemessen. Dies begründet jedoch keinen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird mehrheitlich gutgeheissen.

2. Die «Basler Zeitung» respektive «bazonline.ch» hat in der Podcast-Episode «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›» vom 17. Januar 2024 gegen die Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen, indem sie unbelegte und ungestützte Behauptungen verbreitet hat. Des Weiteren hat sie gegen Ziffer 8 (Diskriminierungsverbot) verstossen, indem sie eine Personengruppe mit unbelegten und ungestützten negativen Behauptungen pauschalisierend herabgesetzt hat.

3. In den übrigen Punkten wird die Beschwerde abgewiesen.