Stellungnahme
Vermischung von redaktioneller Leistung und kommerzieller Werbung 1. „Inserategetragene Verlagsbeilagen“ in Form der Kombination von Texten, die in journalistischer Form geschrieben und redaktioneller Aufmachung präsentiert und mit Inseraten mit eindeutigem gegenseitigen Bezug kombiniert werden, sind durch eine vom übrigen redaktionellen Teil abweichende Gestaltung zu kennzeichnen. Der Kopf dieser Seiten ist mit dem Wort „Sonderseite“ oder „Sonderbeilage“ zu versehen. Ausserdem sind in einem separaten Impressum der Herausgeber und die verantwortliche Redaktion aufzuführen. 2. Journalisten, die Beiträge für solche „inserategetragene Verlagsbeilagen“ verfassen, laufen auch bei Einhaltung der berufsethischen Richtlinien Gefahr, als Autoren von Inserenten-verpflichteten Texten den Anschein einer PR-Tätigkeit zu erwecken und so ihre Glaubwürdigkeit als unabhängige Medienschaffende zu verlieren. Prise de position Mélange entre préstation rédactionelle et publicité commerciale 1. Les suppléments contenant des annonces, et combinant un texte rédigé et mis en page de façon journalistique avec des annonces constituant clairement une contre-affaire doivent être reconnaissables à leur présentation, qui serra différente de celles du reste de la partie rédactionnelle. En tête de ces pages doit figurer le mot „page spéciale“ ou encore „cahier spécial“. En outre, le nom du responsable de l’édition et du rédacteur responsable doivent figurer dans un impressum séparé“. 2. Les journalistes qui rédigent des articles pour de tels suppléments avec annonces courent le risque, même lorsqu’ils respectent les règles d’éthique professionnelle, d’exercer une activité de relations publiques contraire à leur indépendance professionelle, puisqu’ils sont les auteurs de textes liés à des insertions publicitaires. Presa di posizione Confusione tra parte redazionale e parte pubblicitaria 1. I „supplementi promozionali“ che presentino testi redatti e impagnati come normali articoli associati esplicitamente ad annunci pubblicitari devono distinguersi nella presentazione dal resto del giornale. Nella testata di questi supplementi deve figurare l’espressione „Parte speciale“ o „Supplemento“. Un „impressum“ separato deve chiaramente esplicitare l’editore e la redazione responsabili. 2. I giornalisti che scrivono per questi „supplementi“, in quanto svolgano, o possano dare l’impressione di svolgere, un’attività di pubbliche relazioni in contrasto con la loro indipendenza professionale, mettono a rischio la loro credibilità. |
I. Sachverhalt
A. In ihrer Ausgabe vom 22. Februar 1992 publizierte die „Luzerner Zeitung“ unter dem Pagina-Titel „Agglo Emmen/Emmenbrücke“ drei Seiten mit Inseraten von Firmen, die im „Shopping Center“ und im „Panorama Park“ in Emmen bzw. Emmenbrücke ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten, sowie mit redaktionellen Beiträgen, die sich ihrerseits mit diesen Einkaufszentren und mit Produkten und Dienstleistungen der dort domizilierten Firmen beschäftigten. Diese Seiten waren innerhalb des redaktionellen Teils der betreffenden Ausgabe der „Luzerner Zeitung“ plaziert und nicht als PR-Beilage gekennzeichnet.
B. Mit Schreiben vom 25. Februar gelangte Dr. Karl Bühlmann, Chefredaktor der „Luzerner Neusten Nachrichten“, an den Presserat mit der Bitte, „um Prüfung, ob mit dieser Publikation der „Ehrenkodex (Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten; Anm. d. Presserates) verletzt“ worden sei, da die erwähnten Seiten in der „Luzerner Zeitung“ „aufgrund ihrer Aufmachung nach redaktioneller/journalistischer Eigenleistung aussehen, vom Inhalt her und bezüglich der dazugehörenden Inseratenplazierung jedoch reine PR-Texte sind.“
C. Auf Instruktion des Präsidenten des Presserates wurde, da durch eine derartige Kombination von Texten und Inseraten im redaktionellen Teil einer Tageszeitung die grundsätzliche Frage der Kennzeichnung solcher PR-Beilagen aufgeworfen ist, Eintreten auf die Beschwerde beschlossen und für deren Behandlung ein Ausschuss aus drei Mitgliedern des Presserates gebildet. Gegen die Zusammensetzung des Ausschusses mit Martin Edlin, Schaffhausen, Klaus Kocher, Aesch BL, und Rudolf Zbinden, Biberist, wie sie mit Brief vom 6. April 1992 dem Gesuchsgegner in Person des Chefredaktors der „Luzerner Zeitung“, Klaus Röllin, mitgeteilt wurde, erhob sich kein Einwand. Der Gesuchsgegner erhielt zudem Einladung zur Stellungnahme betreffend der von Dr. Karl Bühlmann erhobenen Vorwürfe. Mit Schreiben vom 30. Juni 1992 wurde dieser Einladung durch Klaus Röllin Folge geleistet.
D. Der Ausschuss des Presserates hat sich auf schriftlichem Wege mit dem Fall auseinandergesetzt und sich in der Folge auf den Wortlaut vorliegender Stellungnahme des Presserates geeinigt.
II. Erwägungen
1. Bei den inkriminierten Seiten der „Luzerner Zeitung“ handelt es sich zweiffellos um eine Kombination von Inseraten und PR-Texten oder, wie es in der Stellungnahme der „Luzerner Zeitung“ heisst, um eine „inserategetragene Verlagsbeilage“. Dass sie innerhalb des normalen regionalen Bundes und nicht, wie sonst üblich, in einem speziellen Bund oder als eigene Lage publiziert worden ist, wird von der „Luzerner Zeitung“ mit „technischen Gründen“ erklärt.
2. Solche „inserategetragene Verlagsbeilagen“ in Form der Kombination von Texten, die in journalistischer Form geschrieben und in redaktioneller Aufmachung präsentiert werden, und Inseraten mit eindeutigem gegenseitigen Bezug sind, gerade in der Lokal- und Regionalpresse, des öfteren zu finden. Sie gehören sowohl zu den üblichen kommerziellen Aktivitäten eines Zeitungsverlages wie zu den auch von der Leserschaft als legitim, ja nützlich empfundenen Angeboten im Rahmen des Informationsauftrages einer Publikation. Andererseits werfen solche Beilagen in berufsethischer Hinsicht zwei Fragen auf:
a) Ist es für die Leserin/den Leser klar ersichtlich, dass es sich um eine kommerzielle Beilage handelt, deren Texte PR-Charakter aufweisen und damit keine Informationsleistungen im Sinne unabhängiger journalistischer Arbeit darstellen? Ist Also redaktioneller und kommerzieller Teil der Publikation deutlich voneinander getrennt? b) Besteht das Verfassen von Texten in einer solchen Beilage durch einen Medienschaffenden vor deren Pflicht, „in seiner beruflichen Tätigkeit als Journalist jede Form von kommerzieller Werbung zu vermeiden und keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserenten zu akzeptieren“ (Art. 9 der „Erklärung der Pflichten des Journalisten“)?
3. Im vorliegenden Fall hat die „Luzerner Zeitung“ das Gebot der klaren Trennung von redaktionellem und kommerziellem Teil eindeutig verletzt: Dem Leser wird nicht angezeigt, dass es sich bei diesen Seiten um eine PR-Beilage handelt. Eine deutliche Abgrenzung müsste sich umso mehr aufdrängen, als seitens der in einer solchen Beilage Inserierenden stets grosser Wert darauf gelegt wird, dass die dazugehörenden Texte nach redaktioneller und damit unabhängiger journalistischer Leistung aussehen. Aus dem Hinweis von Chefredaktor Röllin in dessen Stellungnahme, dass „in einem anderen Fall nun die innerhalb des üblichen Textteils plazierten inserategetragenen Seiten deutlicher als spezielle Seiten gekennzeichnet“ wurden, geht zudem hervor, dass der „Luzerner Zeitung“ die undeklarierte Vermischung von redaktionellen und werbetextlichen Beiträgen im vorliegenden Fall durchaus bewusst ist.
4. Der Chefredaktor der „Luzerner Zeitung“, Klaus Röllin, macht in seiner Stellungnahme in Rechtfertigung der inkriminierten Seiten geltend, „dass redaktionelle Texte auch in inserategetragenen Beilagen den allgemeinen journalistischen Ansprüchen zu genügen haben; wir wissen, dass es s
ogenannte „PR-Texte“ gibt, die a) echte Information enthalten und die b) nicht in einer plumpen „Werbesprache“ verfasst sind“. Er präzisiert weiter, dass „ausser einem Text, der ungenügend redigiert ist und über den wir selbst nicht glücklich sind, die anderen Beiträge durchaus gängigen journalistischen Anforderungen genügen, also keineswegs als Gefälligkeitstexte einzustufen sind. Das heisst auch, dass die Texte dem Leser gegenüber den inkriminierten PR-lastigen Eindruck nicht zu erzeugen geneigt sind.“ Der Presserat spricht einem PR-Text nicht grundsätzlich den Informationsgehalt ab und ist sich der fliessenden Grenzen zwischen journalistisch unabhängiger und PR-initiierter Information durchaus bewusst; gerade in der Lokalberichterstattung kann die Nennung von Geschäften und Unternehmen im Rahmen ihres Produkte- und Dienstleistungsagebotes durchaus als Information der Öffentlichkeit angebracht sein. Der hohe Anspruch an den Journalisten liegt jedoch darin, solche Informationen als unabhängig urteilender Medienschafffender zu nutzen und weiterzuverbreiten und nicht quasi als „Erfüllungsgehilfe“ für rein kommerzielle Absicht des Verlages zu dienen. Es geht um das notwendige Vertrauen der Leserschaft in die Unabhängigkeit des textverfassenden Journalisten, welcher der wahrheitsgetreuen Information der Öffentlichkeit und nicht den Interessen eines Inserenten oder der Inseratenabteilung seiner Zeitung verpflichtet zu sein hat.
III. Feststellungen
1. Im vorliegenden Fall hat die „Luzerner Zeitung“ eine „inserategetragene Verlagsbeilage“ publiziert, die durch Fehlen einer deutlichen Auszeichnung als PR-Seiten eine im Licht der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ mangelhaft deklarierte Vermischung von redaktioneller Leistung und kommerzieller Werbung darstellt. Der Presserat verweist den Verlag der „Luzerner Zeitung“ auf die ergänzten Richtlinien der „Kommission für Public Relation und Werbung in den Informationsmedien“ (PRW-Kommission), wo es heisst:
Beilagen oder Sonderseiten, deren Zustandekommen von einem entsprechenden Anzeigenaufkommen abhängt, sind durch eine vom übrigen redaktionellen Teil abweichende Gestaltung zu kennzeichnen. Der Kopf dieser Seiten ist mit dem Wort „Sonderseite“ oder „Sonderbeilage“ zu versehen. Ausserdem sind in einem separaten Impressum der Herausgeber und die verantwortliche Redaktion aufzuführen.
2. Journalisten, die Beiträge für solche „inserategetragene Verlagsbeilagen“ verfassen, laufen auch bei Einhaltung der berufsethischen Richtlinien Gefahr, als Autoren von Inserenten-verpflichteten Texten den Anschein einer PR-Tätigkeit zu erwecken und so ihre Glaubwürdigkeit als unabhängige Medienschaffende zu verlieren. Die Pflicht des Journalisten, „in seiner beruflichen Tätigkeit jede Form von kommerzieller Werbung zu vermeiden und keinerlei Bedingungen von seiten der Inserenten zu akzeptieren“, sollte ihn davon abhalten, gegenüber seinen Lesern auch nur den Anschein zu erwecken, zwischen (selbst noch so gut gemachter) PR und von ihm nach journalistischen Grundsätzen vermittelter und verantworteter Information nicht unterscheiden zu können. Da es sich beim Autoren der Beiträge der beanstandeten Beilage der „Luzerner Zeitung“ nicht um ein VSJ-Mitglied handelt, das zur Einhaltung der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ gehalten ist, begnügt sich der Presserat mit obiger allgemeinen Feststellung bzw. Empfehlung.