Nr. 8/1993
Weigerung des Vertriebs einer Zeitungsbeilage

('Bonus'/'Tages-Anzeiger'), vom 21. Dezember 1993

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Stellungnahme

Weigerung des Vertriebs einer Zeitungsbeilage

Der Presserat verzichtet darauf, sich zur Auseinandersetzung zwischen dem Zürcher Stadtmagazin „Bonus“ und dem „Tages-Anzeiger“ im Zusammenhang mit dem „Penis-Artikel“ zu äussern, da der Fall vorwiegend die verlegerische und nicht die journalistische Berufsethik betrifft.

Prise de position

Refus de diffuser un supplément

Le Conseil de la presse refuse de se prononcer sur la querelle opposant le magazine zurichois „Bonus“ et le „Tages-Anzeiger“ à propos de la publication de l’article „Penis“, ce cas relevant essentiellement de la déontologie de l’éditeur et non de celle des journalistes.

Presa di posizione

Distribuzione rifiutata di un supplemento

Il Consiglio della stampa non si pronuncia sulla controversia tra il periodico cittadino „Bonus“ e il „Tages Anzeiger“ in relazione al cosidetto „Penis-Artikel“, in quanto il caso concerne prevalentemente l’etica dell’editore e non quella dei giornalisti.

I. Sachverhalt

A. Das von Roger Schawinski („Radio 24″) gegründete Zürcher Stadtmagazin „Bonus“ wird allmonatlich dem „Tages-Anzeiger“ beigelegt. Dessen Verlag „Tages-Anzeiger AG“ (heute TA-Medien AG) hatte sich geweigert, die „Bonus“-Ausgabe September 1992 (Nr. 49) dem „Tages-Anzeiger“ beizulegen und damit zu verteilen. Die Begründung: Ein in dieser „Bonus“-Ausgabe veröffentlichter Beitrag der Journalistin Marianne Weissberg mit dem Titel „Der Penis-Schwindel“ (Titelseite) beziehungsweise „Big is beautiful: Die Frau und ihr Wunsch-Penis“ weise ein zu tiefes journalistisches Niveau auf.

B. Der Vorstand des Schweizer Verbandes der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) beschloss an seiner Sitzung vom 20./21. August 1992, den Presserat zur Abklärung folgender Frage anzurufen: Hat die aufgrund von Interventionen des „Tages-Anzeiger“-Chefredaktors Roger de Weck und des Velegers Hans Heinrich Coninx erfolgte Weigerung der „Tages-Anzeiger AG“, die inkriminierte „Bonus“-Ausgabe als Beilage der Tageszeitung zu vertreiben, die „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ verletzt, insbesondere deren Präambel und Abschnitt 2 der „Erklärung der Pflichten des Journalisten“. (Präambel: „Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und auf Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht. Vom Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis der Tatsachen und Meinungen leiten sich die Pflichten und Rechte der Journalisten ab. Die Verantwortlichkeit der Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern und gegenüber staatlichen Organen. […].“ Abschnitt 2: „Er [der Journalist] verteidigt die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen seines Berufes.“)

II. Erwägungen

Aus diesen Gründen hält der Presserat fest

Der Presserat beschloss an seiner Plenarsitzung vom 12. Februar 1993, nicht auf diesen Fall einzutreten, da die Mitverantwortlichkeit von „Tages-Anzeiger“-Chefredaktor Roger de Weck für den Entscheid der „Tages-Anzeiger AG“, die inkriminierte „Bonus“-Ausgabe nicht dem „Tages-Anzeiger“ beizulegen, nicht dessen Funktion als Journalist beschlägt. Als Chefredaktor hat er auf den Inhalt einer Zeitschrift, die seiner Zeitung im Rahmen eines kommerziellen Vertriebs-Auftrages beigelegt wird, keinen Einfluss und diesen Inhalt auch in keiner Weise zu verantworten. Roger de Weck hat also nicht in der Kompetenz des Chefredaktors gehandelt, sondern als damaliges Mitglied der Geschäftsleitung der „Tages-Anzeiger AG“. Es wäre zwar dennoch möglich, sein Verhalten im Licht der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten“ zu beurteilen. Der Presserat ist jedoch der Meinung, dass es im vorliegenden Fall im Wesentlichen um eine verlegerische Problemstellung geht: Wo liegen die Grenzen der Verantwortlichkeit eines Verlages für den Inhalt einer nicht von ihm herausgegebenen Publikation, die er durch Beilegen in seiner Zeitung auf rein kommerzieller Basis vertreibt?

III. Feststellungen

Mit Blick auf den prioritär die verlegerische Berufsethik beschlagenden Aspekt dieses Falles (ein Fall, der übrigens eine breite, in fast allen Medien ausgetragene Diskussion mit Aufzeigen vieler für die Problemstellung relevanter Argumente ausgelöst hatte) verzichtet der Presserat auf eine Stellungnahme im Sinne einer Beurteilung des Verhaltens von „Tages-Anzeiger“-Chefredaktor Roger de Weck im Licht journalistisch-berufsethischer Kriterien.