Nr. 29/2003
Entschuldigung nach Abdruck eines diffamierenden Leserbriefs

(X. c. «Zofinger Tagblatt») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 13. Juni 2003

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I. Sachverhalt

A. Im Rahmen einer Kontroverse über die Aussenpolitik der USA nach dem 11. September 2001 und die Rolle von US-Präsident George W. Bush veröffentlichte das «Zofinger Tagblatt» im Sommer 2002 eine Reihe von Leserbriefen, darunter zwei längere Texte von X. Im ersten dieser beiden Leserbriefe (abgedruckt am 18. Juli 2002) heisst es ganz am Schluss: «Aber vergessen wir nie, seit 1913 ist es aus mit der Freiheit in Amerika. Es ist nicht das Volk, das so handelt, sondern seine Schattenregierung.»

B. Diese Bemerkung veranlasste Y. zu einer ausführlichen Entgegnung («Zofinger Tagblatt» vom 7. August 2002), in der er darauf hinwies, dass es «nach Überzeugung der Rechtsextremisten» 1913 in den USA «zu einer Verschwörung der Juden und Freimaurer» gekommen sei, welche mit einer angeblich verfassungswidrigen Einkommenssteuer die Macht im Land übernommen hätten. Mit seinem Satz habe X. aufgezeigt, «aus welcher ideologischen Suppenküche seine Abneigung gegen die USA gespiesen wird».

C. In seiner am 25. September 2002 abgedruckten Antwort bezeichnete X. die USA und Israel als das «Duo des Bösen» in der westlichen Welt. Ausgehend von längeren Ausführungen zur ebenfalls 1913 gegründeten US-Notenbank, machte er zudem sinngemäss geltend, deren Anspruch auf die Weltherrschaft lasse sich bereits aus der Dollarnote ablesen: «Das ÐFirmenlogo?, auf der Dollarnote über dem Wappentier der USA ersichtlich, wird mit 13 Sternen dargestellt, die die Konturen des Davidsterns zeigen. Und unter der ÐDollarpyramide? steht: ÐNovus Ordo Secolorum? (Neue Weltordnung) und darüber ÐAnnuit Coeptis? (Unsere Unternehmung ist von Erfolg gekrönt) (…). Ohne dass man die obigen Fakten und die ungeheuerlichen rassistischen Aussagen des Talmuds und die darin geäusserten Ansprüche auf die Weltherrschaft zur Kenntnis nimmt, kann man die US-Politik im Allgemeinen und im Nahen Osten im Besonderen und vor allem den langsame Genozid am palästinensischen Volk nicht verstehen (…)».

D. Am 20. Dezember 2002 erschien im Zofinger Tagblatt unter dem Titel «Ich stosse mich daran» ein Leserbrief von Z. der sich generell zu den Zuschriften von X. äusserte: «In gewissen Abständen erscheinen im ZT Leserbriefe von Herrn X. Er gibt sich als Historiker aus. Er merkt aber nicht, dass er nur ein kleiner Wurm ist, der glaubt, Geschichte zu machen. Dabei sprüht er nur Hass gegen Israel und Amerika aus. Mich ekeln diese Briefe schon an, wenn ich die Unterschrift sehe. Darum möchte ich Herrn X. bitten, in den Irak auszuwandern. Dort sind Sie sicher willkommen und ich habe meinen Frieden.»

E. Am 23. Dezember 2002 veröffentlichte das «Zofinger Tagblatt» eine Entschuldigung für die Veröffentlichung des «diffamierenden Leserbriefes» von Z.

F. Gleichentags gelangte X. mit einer Beschwerde an den Presserat und machte geltend, das «Zofinger Tagblatt» habe mit Veröffentlichung des Leserbriefs von Z. die Ziffern 5 (Berichtigungspflicht), 7 (Respektierung der Privatsphäre) und 8 (Achtung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Da die veröffentlichte Entschuldigung seinen Ansprüchen nicht genüge, sehe er sich gezwungen, an den Presserat zu gelangen.

G. In einer Stellungnahme vom 11. Februar 2003 räumte der Chefredaktor des «Zofinger Tagblatts», Paul Ehinger, ein, mit dem Abdruck des beanstandeten Leserbriefs die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Nachdem er sich für den Fehler öffentlich entschuldigt und sich darüber hinaus gegenüber dem Beschwerdeführer immer sehr zuvorkommend verhalten habe, erachte er die Beschwerde an den Presserat als unverhältnismässig, weshalb sie vollumfänglich abzuweisen sei.

H. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

I. Am 11. April 2003 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt.

J. Mit Schreiben vom 14. April 2003 ergänzte der Beschwerdeführer seine Ausführungen mit weiteren Einzelheiten zur Vorgeschichte seiner Auseinandersetzung mit dem «Zofinger Tagblatt».

K. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 13. Juni 2003 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der Leserbrief von Z. in dieser Form nicht hätte erscheinen dürfen. Der Presserat hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es Ausdruck eines fairen Diskurses ist, wenn Diskussionen zwar hart in der Sache geführt werden, gleichzeitig aber auf unnötige persönliche Angriffe und Verunglimpfungen verzichtet wird. Gegebenenfalls hat die Redaktion redigierend einzugreifen (34/2000 i.S. L. c. «Thurgauer Volkszeitung» & Co.).

b) Die Redaktion des «Zofinger Tagblatts» hätte vor einer Publikation des Leserbriefes von Z. deshalb zumindest die Sätze «Er merkt aber nicht, dass er nur ein kleiner Wurm ist, der glaubt, Geschichte zu machen» und «Mich ekeln diese Briefe schon an, wenn ich die Unterschrift sehe» streichen sollen, weil sie sich ausschliesslich oder in erster Linie gegen die Person des Beschwerdeführers richten. Angesichts der extremen und problematischen Meinungsäusserungen von X. musste dieser hingegen durchaus mit harschen inhaltlichen Reaktionen rechnen. Dementsprechend erscheint die eindeutig als solche erkennbare Wertung als zulässig, der Beschwerdeführer schüre mit seinen extremen Auffassungen den Hass gegen Israel und Amerika. Ebenso muss ein Leserbriefschreiber einem anderen Leserbriefschreiber sagen dürfen, dass er auf die Meinungsäusserung des anderen verzichten könne, wenn es auch nicht dem vom Presserat geforderten fairen Diskurs entspricht, diese Wertung gleich mit der Aufforderung zu verbinden, aus der Schweiz auszuwandern.

c) Obwohl die Parteien und der Presserat eine Verletzung der Ziffern 7 und 8 der «Erklärung» also bejahen, führt dies nicht ohne weiteres zu einer Gutheissung der Beschwerde. Denn der Beschwerdeführer nennt als eigentlichen Beschwerdegrund seine Unzufriedenheit mit der vom «Zofinger Tagblatt» veröffentlichten Entschuldigung. Damit schränkt er die Materie auch für den Presserat ein.

2. a) Der Presserat hat im Zusammenhang mit der Berichtigungspflicht ausgeführt, dass bei einer gravierenden journalistischen Fehlleistung nicht nur eine Berichtigung, sondern darüber hinaus auch eine Entschuldigung bei den Betroffenen angebracht ist (B. c. «Blick» vom 29. September 1987).

b) Der Beschwerdeführer stösst sich insbesondere daran, dass die von ihm verlangte öffentliche Entschuldigung nicht spontan, sondern erst nach einigem Hin und Her erfolgte und dass er darin am Schluss als «Kläger» statt als «Beschuldigter» bezeichnet wird. Darüber hinaus macht er sinngemäss geltend, der Inhalt der Entschuldigung sei der Schwere der von ihm erlittenen Verletzung nicht angemessen.

c) Diese Argumentation ist offensichtlich unzutreffend. Aus dem Text der Entschuldigung wird für den unbefangenen Leser klar, dass sich die Redaktion des «Zofinger Tagblatts» gegenüber dem Beschwerdeführer für den Fehler entschuldigt, einen ihn diffamierenden Leserbrief abgedruckt zu haben. Zu mehr war das «Zofinger Tagblatt» zumindest berufsethisch nicht verpflichtet.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird abgewiesen.