Nr. 33/2005
Wahrheits- und Berichtigungspflicht / Unschuldsvermutung

(Weber c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Presserates vom 26. August 2005

Drucken

I. Sachverhalt

A. Am 23. November 2004 veröffentlichte die «Basler Zeitung» einen Artikel von Philipp Loser mit dem Titel «Wahlfälscher sind überführt» und dem Untertitel «Jetzt wird die Staatsanwaltschaft wohl Anklage erheben». Der Lead lautete: «Die Basler Staatsanwaltschaft sagt es deutlich: Grossrat Walter Hammel und Grossratskandidat Eric Weber sollen Wahlfälschung begangen haben.» Laut dem Bericht führte die Basler Staatsanwaltschaft bei insgesamt sieben Personen im Umkreis des «rechtsextremen ehemaligen Grossrats Eric Weber» Verfahren wegen Wahlfälschung durch. Die «Basler Zeitung» zitierte Markus Melzl von der Staatsanwaltschaft: «Weber hat sich der Wahlfälschung schuldig gemacht.» Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass Anklage gegen den gescheiterten Grossratskandidaten erhoben werde. Laut Melzl sei Weber «teilgeständig», was dieser wiederum dementiere: Er habe «nie ein Geständnis abgegeben», und er rechne mit einem Freispruch. Unter dem Titel «Verdacht gegen Eric Weber hat sich erhärtet» wurde bereits auf der auf das Strafverfahren hingewiesen.

B. Gleichentags mahnte Markus Melzl die «Basler Zeitung» schriftlich, das Zitat «Weber hat sich der Wahlfälschung schuldig gemacht» sei so nicht zutreffend. «Die Staatsanwaltschaft ist im vorliegenden Fall allenfalls anklagende Behörde, niemals aber kann oder darf die Staatsanwaltschaft über Schuld oder Unschuld entscheiden. (…) Ob sich dann aber die Herren Hammel und / oder Weber der Wahlfälschung schuldig gemacht haben, ist einzig und allein Sache des Gerichtes und die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt möchte sich von einer Vorverurteilung klar distanzieren.»

C. In der Folge verlangte Eric Weber von der «Basler Zeitung» den Abdruck einer Richtigstellung, was jedoch am 3. Dezember 2004 zuerst von Peter Schibli, Mitglied der Chefredaktion und am 14. Dezember 2004 von Chefredaktor Ivo Bachmann abgelehnt wurde. Bachmann stellte Weber hingegen in Aussicht, bei künftigen Berichten deutlicher zu machen, «dass die Staatsanwaltschaft zwar anklagende Behörde ist, aber selbstverständlich nicht über Schuld oder Unschuld entscheidet, sondern das Gericht».

D. Mit Beschwerde vom 16. Mai 2005 an den Presserat machte Eric Weber geltend, die «Basler Zeitung» habe mit dem Abdruck des «falschen Zitats» nicht die Wahrheit geschrieben und die von der Staatsanwaltschaft geäusserte Meinung entstellt. Damit habe sie gegen die Ziffern 1 und 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Weiter wäre die Zeitung verpflichtet gewesen, eine Richtigstellung abzudrucken (Ziffer 5 der «Erklärung»). Zudem habe sie die Richtlinie 7.5 zur «Erklärung» (Unschuldsvermutung) verletzt.

E. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

F. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 26. August 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Bei einer Gesamtbetrachtung des Artikels vom 23. November 2004 und dem zugehörigen Anriss auf der Frontseite entsteht aus Sicht des Publikums keineswegs der Eindruck, dass Eric Weber bereits wegen Wahlbetrugs verurteilt worden wäre. Denn die «Basler Zeitung» weist ausdrücklich darauf hin, dass nun zuerst «wahrscheinlich» Anklage erhoben werde. Daraus wird für die unbeteiligte Leserschaft ohne weiteres klar, dass eine Gerichtsverhandlung und ein Urteil noch bevorstehen. Eine Verletzung der Richtlinie 7.5 scheidet unter diesen Umständen damit ebenso aus, wie der Vorwurf der Entstellung der von der Staatsanwaltschaft geäusserten Meinung.

2. Damit bleibt noch die Rüge der Verletzung der Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung» kurz zu prüfen. Nicht jede Unschärfe vermag allerdings eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu begründen oder die Berichtigungspflicht auszulösen. Vielmehr ist ausgehend vom Verhältnismässigkeitsprinzip abzuwägen, ob die Gefahr bestand, dass die Leserschaft aufgrund der Unschärfe in einem relevanten Punkt nicht korrekt informiert wurde. Auch dies ist nach Auffassung des Presserates offensichtlich zu verneinen. Denn wie bereits zur Unschuldsvermutung ausgeführt, wird ungeachtet des bei isolierter Betrachtung nicht korrekten Zitats von Markus Melzl bei Berücksichtigung des gesamten Kontext Folgendes klar und deutlich: Der von den Strafverfolgungsbehörden erhobene strafrechtliche Vorwurf würde noch vom urteilenden Gericht zu überprüfen sein. Der dem Vertreter der Anklage zugeschriebene Satz «Weber hat sich der Wahlfälschung schuldig gemacht» wird entsprechend auch von den Leserinnen und Lesern als Vorwurf der Anklage und nicht als Gerichtsurteil wahrgenommen. Die Bejahung einer Verletzung der Ziffern 1 und 5 der «Erklärung» bloss wegen der allzu affirmativen Formulierung des Satzes erschiene damit als unverhältnismässig. Ebenso wäre es umgekehrt aber für die «Basler Zeitung» ein Leichtes gewesen, etwas grosszügiger zu sein und die Berichtigung der Staatsanwaltschaft kurz abzudrucken, auch wenn sie dazu berufsethisch nicht verpflichtet war. Zumal sie ja – zu einem späteren Zeitpunkt – selber ihre Absicht kundtat, in ihrer künftigen Berichterstattung sorgfältiger zwischen Anklage- und urteilender Behörde zu differenzieren.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.