I. Sachverhalt
A. Am 27. September 2004 veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» eine Karikatur von Nico. Thema der Karikatur war die Haltung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegenüber den Ausländer/innen im Zusammenhang mit den in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 26. September 2004 abgelehnten Einbürgerungvorlagen. Die Abbildung zeigt unter einem Plakat «Puure Z’Morge SVP» einen Mann mit Kochmütze, der einen anderen Mann auf einem Drehspiess über einem lodernden Feuer grilliert. Neben dem Mann mit der Kochmütze steht eine Frau mit einer Pfanne in der Hand. Die Legende zur Karikatur lautet: «Stimmt überhaupt nicht, dass wir Ausländer nicht mögen, sie müssen nur gut gewürzt sein.»
B. Mit Beschwerde vom 12. Oktober 2004 machte X., geltend, der «Tages-Anzeiger» habe mit der Veröffentlichung dieser Karikatur die Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Respektierung der Menschenwürde) massiv verletzt. «Die Darstellung eines Ausländers, der auf einem Grill gebraten wird, ist nicht nur geschmacklos, sondern auch respektlos gegenüber der Menschenwürde. Die Grenzen der Satire werden damit massiv überschritten.»
C. Mit Stellungnahme vom 12. November 2004 beantragte die durch den Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene Redaktion des «Tages-Anzeigers», die Beschwerde sei abzuweisen. Bei der Karikatur sei es nicht darum gegangen, das Braten eines Ausländers gutzuheissen oder gar zu propagieren, sondern ein zugegebenermassen überspitztes Bild des Ausländerverständnisses der SVP im Zusammenhang mit den Einbürgerungsvorlagen zu zeichnen. Die Karikatur werfe der SVP in überspitzter Weise vor, heuchlerisch zu sein, weil sie einerseits immer wieder behaupte, nicht fremdenfeindlich eingestellt zu sein, anderseits aber mit einer emotionalisierten Abstimmungskampagne fremdenfeindliche Ressentiments geschürt habe. «Weiter wirft die Karikatur der SVP vor, Ausländer nur soweit zu akzeptieren, als sie der Schweiz direkten Nutzen bringen.»
D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 20. Mai 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zielt die beanstandete Karikatur von Nico in einer für eine unbefangene Leserschaft erkennbaren Weise nicht auf eine Herabsetzung von Ausländerinnen und Ausländern, sondern vielmehr auf eine Kritik der nach Auffassung des Karikaturisten ausländerfeindlichen Politik der SVP. Zielscheibe der Karikatur ist damit also wenn schon diese politische Partei, die aber nicht zu den durch Ziffer 8 der «Erklärung» vor Diskriminierung geschützten Minderheiten gehört (vgl. hierzu z.B. die Stellungnahme 1/05 i.S. Schweizer Ärzteschaft sowie zuletzt die Stellungnahme 16/05 betreffend drei sozialdemokratische Parlamentarier).
2. Der Presserat hat in langjähriger Praxis stets betont, dass kein Thema von der Satire ausgenommen ist. Übertreibungen und Verfremdungen sind nicht ausgeschlossen, jedoch müssen die Fakten stimmen, von denen die Satire ausgeht (Stellungnahme 8/96). Die Satire darf nicht nur zuspitzen, sondern auch übertreiben. Sie geht aber immer von einem wahren Kern aus (37/00).
3. Bei der beanstandeten Karikatur von Nico besteht der faktische, «wahre» Kern der satirischen Darstellung offensichtlich nicht etwa im Vorwurf, dass sich die SVP effektiv «kannibalistischer» Methoden gegenüber den Ausländerinnen und Ausländern bedienen würde. Wie die Redaktion des «Tages-Anzeigers» ausführt, liegen der Karikatur im Kern vielmehr folgende Fakten zugrunde: Vorab die wiederholten öffentlichen Verlautbarungen der Partei und ihrer Exponenten, nicht ausländerfeindlich zu sein. Hinzu kommt ihre restriktive Haltung in ausländerpolitischen Fragen sowie die in diesem Zusammenhang angewendeten, in der Öffentlichkeit umstrittenen Methoden politischer Propaganda. Durch die in Form der beanstandeten Karikatur geäusserte überspitzte Kritik an diesem aus Sicht von Nico bestehenden Widerspruch zwischen verschiedenen öffentlichen Stellungnahmen der gleichen Partei zum Thema «Ausländer/innen» werden die Mitglieder und Sympathisanten der SVP nicht in ihrer Menschenwürde verletzt. Denn selbst eine polemische Kritik am politischem Verhalten einer Partei oder ihrer Mitglieder würdigt die Betroffenen weder in ihrem Menschsein herab, noch werden diese damit als Menschen verunglimpft (vgl. hierzu ebenfalls zuletzt die Stellungnahme 16/05).
III. Feststellung
Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.