I. Sachverhalt
A. Am 15. Februar 2011 berichteten Alexandra Bürli und Sandro Inguscio in «Blick Online» über den Brand eines Hauses in Rieden SG (Titel: «Traumhaus in Rieden abgebrannt»). «Der Traum von X. (61), mit seiner Ehefrau den Ruhestand im kleinen Dörfchen Rieden zu geniessen, gehört vorerst der Vergangenheit an: Gestern, kurz nach 21.30 Uhr, zerstört ein Brand seine Neubau-Villa (…) Der Besitzer ist Inhaber einer Thalwiler Gipserei. Die Villa in Rieden hätte im Mai, spätestens im Juni fertig gestellt werden sollen. Mit Sicht auf die Alpen – ein Traum wäre in Erfüllung gegangen. (…) Der Sachschaden ist hoch und beträgt mehr als 100’000 Franken (…) Laut Bauarbeitern kostete die Villa über 4 Millionen Franken – mit Pizzaofen und integriertem Lift, der bereits installiert und jetzt zerstört wurde. Verursacher des Brandes könnte der Spengler sein. Er arbeitete gestern dort als letzter. Er bearbeitete den Balkon mit Teer und hantierte dafür mit einem Gasbrenner. Hinterlies er einen Funken im trockenen Holz, der später durch den Wind das Feuer entfachte?»
Noch gleichentags entfernte «Blick Online» den vollen Nachnamen des geschädigten Unternehmers aus dem Bericht und nannte stattdessen nebst dem Vornamen nur noch die Initiale des Nachnamens.
B. Am 13. April 2011 gelangte der anwaltlich vertretene X. mit einer Beschwerde gegen «Blick Online» an den Presserat. Obwohl «Blick Online» zunächst seinen vollen Namen aus dem Bericht vom 15. Februar 2011 entfernt und nach einer Intervention seines Rechtsvertreters den Artikel ganz vom Netz genommen habe, mache dies die Verletzung seiner Interessen nicht ungeschehen. Der Bericht enthalte eine Reihe von Falschinformationen (Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten»). Zudem habe «Blick Online» seine Privatsphäre und die seiner Familie verletzt. Auch nach der Entfernung des vollen Namens sei der ursprüngliche Bericht von der Suchmaschine Google eine Zeitlang vollständig wiedergegeben worden. Überdies sei er aufgrund der im Bericht enthaltenen Angaben auch ohne Nennung des vollständigen Nachnamens immer noch identifizierbar gewesen.
C. >Am 27. Mai 2011 wies die anwaltlich vertretene Redaktion «Blick Online» die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Redaktion habe die auf dem Fehler eines Praktikanten beruhende versehentliche Nennung des vollen Nachnamens von sich aus unverzüglich korrigiert. Weiter treffe zu, dass der Artikel in der offenbar irrigen Annahme, damit sei die Angelegenheit erledigt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vom Netz genommen wurde. Demgegenüber bestreitet «Blick Online» die in der Beschwerde behaupteten Unwahrheiten (Ziffer 1 der «Erklärung»). Und da der Artikel nichts Negatives über den Beschwerdeführer enthalte, sei eine Verletzung der Privatsphäre trotz Namensnennung zu verneinen.
D. Am 3. Juni 2011 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 4. November 2011 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. a) Der Beschwerdeführer rügt, der Artikel enthalte eine Reihe von Falschinformationen. Beim abgebrannten Objekt handle es sich nicht um eine «Villa», sondern um ein «Einfamilienhaus», dessen Bau nicht «über 4 Millionen Franken» koste. Herr X. sei nicht 61 Jahre alt. Er und seine Ehefrau seien vom Ruhestand noch weit entfernt. Die von «Blick Online» aufgestellte Behauptung, das Ehepaar X. habe in dem Haus «den Lebensabend verbringen und die Pension geniessen» wollen, sei frei erfunden. Schliesslich sei die Nennung des Spenglers als möglicher Brandverursacher unrichtig. «Die Brandursache ist nach wie vor nicht geklärt.»
b) Demgegenüber hält «Blick Online» an der Sachverhaltsdarstellung des beanstandeten Berichts fest und führte zudem an, weder das genaue Alters des Beschwerdeführers, noch die Frage, ob es sich beim abgebrannten Haus um ein «Einfamilienhaus» oder eine «Villa» handelt, sei medienethisch relevant. Die Information über die Baukosten habe «Blick Online» von «einer am Bau beteiligten Person» erhalten. Dasselbe gelte für die Information über die bevorstehende Pensionierung. Wenn die Brandursache noch nicht feststehe, könne schliesslich die Nennung des Spenglers als möglicher Verursacher nicht gegen die Wahrheitspflicht verstossen.
c) Gestützt auf die ihm eingereichten Unterlagen kann der Presserat nicht beurteilen, ob es sich bei den vom Beschwerdeführer als unwahr beanstandeten Angaben tatsächlich um Falschinformationen handelt. Auch wenn sich «Blick Online» bei den umstrittenen Tatsachenbehauptungen bloss auf indirekte Quellen («eine am Bau beteiligte Person», ein «Angestellter des Beschwerdeführers») beruft, steht trotzdem Aussage gegen Aussage. Zumal der Beschwerdeführer es unterlässt, seine Rügen durch beweiskräftige Dokumente (das Alter beispielsweise durch eine Kopie eines amtlichen Ausweises, die Baukosten mittels einer Bauabrechnung) zu belegen. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») nicht erstellt.
2. Als verletzt erachtet der Presserat hingegen die Ziffer 7 der «Erklärung» (Privatsphäre). Dies zunächst durch die ursprüngliche vollständige Namensnennung. Zwar ist der Redaktion die umgehende Entfernung des Nachnamens und die spätere Entfernung des gesamten Berichts zugute zu halten. Doch selbst nach der Ersetzung des vollen Nachnamens durch dessen Initiale war der Beschwerdeführer aber bis zur vollständigen Entfernung aufgrund der im Artikel enthaltenen Angaben (berufliche Tätigkeit, Geschäftsdomizil, Vorname und Initial des Nachnamens) weiterhin relativ leicht identifizierbar. Und auch wenn der Bericht den Beschwerdeführer nicht negativ darstellt, muss sich dieser nicht gefallen lassen, dass er – ohne dass dafür ein öffentliches Interesse ersichtlich wäre – mit Angaben, die seiner Privatsphäre zuzuordnen sind, an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Zumal für die Leserschaft der falsche Eindruck entstehen konnte, dass die Informationen zumindest teilweise von X. selber stammten und er in deren Veröffentlichung eingewilligt hätte.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. «Blick Online» hat mit der identifizierenden Berichterstattung vom 15. Februar 2011 («Traumhaus in Rieden abgebrannt») die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Privatsphäre) verletzt.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.
4. «Blick Online» hat die Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung» nicht verletzt.