I. Sachverhalt
A. Am 30. Dezember 2012 veröffentlichte «Tages-Anzeiger Online» in der Rubrik «Panorama» den Artikel «Auch in der Türkei bewegt ein Mädchenschicksal die Massen». Der Lead lautet: «Zwangsverheiratet, misshandelt, vergewaltigt und schliesslich von der Familie ermordet: Das Schicksal eines in einem Plastiksack gefundenen 15-jährigen Mädchens hat in der Türkei Proteste ausgelöst.» Illustriert ist der Bericht mit einem als «Archivbild» gekennzeichneten Foto der Agentur Keystone, das Schülerinnen mit Kopftuch beim Lesen zeigt. Die Bildlegende lautet: «Frauenrechtlerinnen kritisieren aufgrund des aktuellen Falls die Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft: Mädchen studieren den Koran.»
B. Am 3. Januar 2013 beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat und beanstandete, die Bildlegende suggeriere, der Koran sei für Zwangsheiraten, Misshandlungen und Ehrenmorde mitverantwortlich. Damit werde ein zwar geläufiges, aber falsches Vorurteil gegenüber dem Islam verstärkt, was gegen die Richtlinie 8.2 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstosse.
C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 8. März 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn sie offensichtlich unbegründet erscheint.
2. Die Richtlinie 8.2 zur «Erklärung» hält fest, dass die Nennung der Religion diskriminierend wirken kann, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Nach Praxis des Presserats ist eine Anspielung diskriminierend, wenn durch eine unzutreffende Darstellung das Ansehen einer Gruppe beeinträchtigt und/oder die Gruppe kollektiv herabgewürdigt wird (vgl. Stellungnahme 65/2009). In der Stellungnahme 21/2001 empfahl der Presserat, «kritisch zu fragen, ob eine angeborene oder kulturell erworbene Eigenschaft herabgesetzt oder ob herabsetzende Eigenschaften kollektiv zugeordnet werden, ob lediglich Handlungen der tatsächlich dafür Verantwortlichen kritisiert werden oder ob die berechtigte Kritik an einzelnen in ungerechtfertigter Weise kollektiviert wird». Und in der Stellungnahme 37/2004 schreibt der Presserat: «Eine Bezugnahme auf die ethnische, nationale oder religiöse Zugehörigkeit ist nur dann diskriminierend, wenn sie mit einem erheblich verletzenden Unwerturteil verbunden ist. Das Diskriminierungsverbot verbietet zudem nicht Kritik an Einzelpersonen, sondern soll (…) Verallgemeinerungen verhindern.» (Stellungnahmen 7/2010, 65/2009, 37/2009, 13/2006, 52/2001, 49/2001).
3. Der Presserat kann den Eindruck des Beschwerdeführers nicht nachvollziehen, wonach das Bild und die Legende in verallgemeinernder Weise suggerierten, der Koran sei schuld an Zwangsheiraten, Misshandlungen und Ehrenmorden. Die von «Tages-Anzeiger Online» wiedergegebene Kritik von «Frauenrechtlerinnen» zielt nicht auf den Islam, sondern auf die Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft und gegen die dieser zugrunde liegenden traditionalistischen Wertvorstellungen. Derartige Gesellschaftskritik ist im Rahmen der Meinungsäusserungsfreiheit ohne Weiteres zulässig.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.