I. Sachverhalt
A. Am 26. November 2019 erschien auf «Blick.ch» ein mit «kes» gezeichneter kurzer Artikel mit Bild, unter dem Titel «Schweizer Pensionär stirbt in Thailand im parkierten Auto». Im Text wird erklärt, dass «Renzo N.» in seinem Wohnort nur habe einkaufen gehen wollen, dass er aber nicht nach Hause zurückgekehrt sei. Seine Frau habe ihn gesucht und schliesslich tot in seinem Auto sitzend vor einer Drogerie gefunden. Das schreibe die thailändische Zeitung «Naew Na». Die zwei Hunde des Verstorbenen hätten sich auch im Auto befunden, die Polizei gehe von einer natürlichen Todesursache aus. Das Foto zeigte das Auto des Verstorbenen, mit erkennbarem thailändischem Nummernschild, ein Polizist und weitere Personen stehen daneben.
B. Am 17. Dezember 2019 erhob X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel. Er verstosse gegen Ziffer 7 (Schutz der Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») und zwar weil diese Todesmeldung die Privatsphäre verletzt habe. Der Verstorbene sei durch den Bericht identifizierbar gewesen und eine Zustimmung der nächsten Verwandten zur Berichterstattung habe nicht vorgelegen.
Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF), der Schwager des Verstorbenen, macht geltend, dieser sei unerlaubterweise kenntlich gemacht worden. Mit «Renzo N.», der Altersangabe, der Angabe des Wohnortes, der Abbildung seines Autos inklusive dem nicht verpixelten Kennzeichen und dem Hinweis auf die beiden Hunde sei sogar für Aussenstehende klar ersichtlich gewesen, um wen es sich hier handle.
«Blick.ch» hätte die Familie entsprechend um ihr Einverständnis zur Berichterstattung ersuchen müssen, das sei nie geschehen. Folge des Berichts sei gewesen, dass der Sohn des Verstorbenen auf «Blick.ch» vom Tod seines Vaters habe erfahren müssen, was ihm schwer zu schaffen gemacht habe. Zur Eile (Bericht am Tag nach dem Hinschied des Vaters) habe kein Anlass bestanden. Es gebe auch kein öffentliches Interesse an der Berichterstattung, der Verstorbene sei «kein VIP» gewesen.
C. Am 5. August beantragte die anwaltlich vertretene Redaktion von «Blick.ch» (Beschwerdegegnerin, BG) die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Letzteres sei nicht angezeigt, weil der BF nicht ausdrücklich auf den Rechtsweg verzichte, was das Geschäftsreglement des Presserates aber verlange.
Dass der Sohn des Verstorbenen vom Tod seines Vaters nicht informiert gewesen sei, als der Bericht erschien, sei zwar «bedauerlich, aber nicht das Problem der Beschwerdegegnerin». «Blick.ch» habe keiner Zustimmung der Familie zur Berichterstattung bedurft, dafür gebe es keine Grundlage. Wenn die Familie es nicht schaffe, den Sohn rechtzeitig zu informieren, sei das medienethisch nicht relevant. Die Berichterstattung sei nicht auf VIPs beschränkt, sie müsse vor allem wahrheitsgemäss sein und das wiederum bestreite der BF zu Recht nicht. Mit der Bezeichnung «Renzo N.» sei der Verstorbene für den Durchschnittsleser nicht erkennbar geworden, auch nicht dadurch, dass zwei Hunde erwähnt worden seien.
D. Der Presserat teilte den Parteien am 21. Februar 2020 mit, der Schriftenwechsel sei abgeschlossen, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident.
E. Am 23. Februar 2020 reichte der BF dennoch eine Antwort auf die Stellungnahme des «Blick» ein. Der Presserat beschloss, darauf nicht einzugehen, da sie nichts enthielt, was eine Ausnahme vom ordentlichen Verfahren gerechtfertigt hätte.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 6. Juli 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss ständiger Praxis des Presserates ist bei Vorliegen eines Parallelverfahrens bei einem Gericht oder der UBI die Frage des Eintretens vertieft zu prüfen. Der Vorbehalt eines allenfalls möglichen künftigen solchen Verfahrens schliesst aber das Eintreten nicht aus. Andernfalls würde der Presserat die Bürgerrechte von Beschwerdeführenden zu weitgehend einschränken. Auf die Beschwerde wird eingetreten.
2. Die Berichterstattung über einen Todesfall betrifft sehr stark die Privatsphäre der betroffenen Personen. Daher ist entsprechende Sorgfalt nötig. Vorliegend fällt entscheidend ins Gewicht, dass der Betroffene – anders als der BF dies einschätzt – hinlänglich anonymisiert wurde. Er ist für die Allgemeinheit nicht identifizierbar. Die zur «Erklärung» gehörende Richtlinie 7.2 (Identifizierung) besagt, wo ein Schutz der Privatsphäre zu berücksichtigen ist, wie im vorliegenden Falle, «veröffentlichen JournalistInnen weder Namen noch andere Angaben, welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden». Mit dem Namenskürzel, der Altersangabe, dem thailändischen Wohnort und Autokennzeichen und den beiden Hunden als Merkmale wird der Verstorbene zwar sofort identifizierbar für seine Familie, allenfalls auch für das soziale Umfeld, aber nicht für eine breitere Öffentlichkeit, welche «nur über die Medien informiert» wird. Ziffer 7 der «Erklärung» ist nicht verletzt.
3. Der BF sagt, «Blick.ch» hätte mit der Veröffentlichung zuwarten sollen, bis alle Angehörigen, besonders der Sohn, vom Tod des Auslandschweizers orientiert waren. Es habe keine Dringlichkeit geherrscht. Angesichts der gemäss «Erklärung» ausreichenden Anonymisierung spielt das aus Sicht des Presserats medienethisch aber keine Rolle. Der Bericht aus der Rubrik «Vermischtes» schildert nüchtern und ohne schockierende Details das vermutlich natürliche Ableben des 65-Jährigen und durfte zeitnah publiziert werden.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «Blick.ch» hat mit dem Artikel «Schweizer Pensionär stirbt in Thailand im parkierten Auto» vom 26. November 2019 die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.