I. Sachverhalt
A. Am 4. Mai 2016 publizierte der «Tages-Anzeiger» (TA) den Artikel «Cyberangriffe aus Moskau» von Thomas Knellwolf. Der Untertitel lautet: «Hinter einem Datenklau beim staatseigenen Schweizer Rüstungskonzern Ruag werden russische Hacker in Staatsdiensten vermutet.» Der Autor nimmt im Artikel Bezug auf die akutesten Hauptbedrohungen, welche der Schweizer Geheimdienst in der gleichen Woche den Medien präsentiert hatte. Das Thema Cyberspionage habe darin kaum Beachtung gefunden, obwohl der Dienst in seinem gleichzeitig publizierten Lagebericht Brisantes angedeutet habe: Bei ausländischen Nachrichtendiensten gewinne Cyberspionage für die Informationsgewinnung immer mehr an Gewicht. Angriffe erfolgten zielgerichtet, seien von hoher Komplexität, sollten möglichst lange unentdeckt bleiben und dienten der Beschaffung spezifischer Daten. Die Frage dränge sich auf, ob ein anderer Staat die Schweiz elektronisch attackiert habe. Der Nachrichtendienst des Bundes hätte bemerkt, dass es seit längerem Attacken auf die Server des Schweizer Rüstungskonzerns Ruag gegeben hatte. Dabei seien wohl grössere Datenmengen abgeflossen, darunter gemäss TA-Informationen höchst vertrauliche Informationen, die auch die zahlreichen Schnittstellen der Ruag zur Schweizer Armee und zum Verteidigungsdepartement beträfen. Unter dem Zwischentitel «Serie russischer Angriffe» berichtet der Autor weiter, dass die Bundesanwaltschaft im Januar 2016 ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst gegen unbekannt eröffnet habe. Zum Ausmass des Schadens wolle sich weder die Ruag noch der Bund äussern. In den vergangenen Jahren seien Cyberangriffe immer wieder Thema gewesen, wenig sei zu den teils gravierenden Vorfällen bekannt geworden, doch mehrmals hätten Spuren nach Russland geführt, auch im jüngsten Fall. Die Spionagesoftware, die bei der Ruag sichergestellt worden sei, weise frappante Ähnlichkeiten mit Programmen auf, die früher bei Attacken auf die Bundesverwaltung eingesetzt worden seien. Der neue Vorfall könnte das Verhältnis der Schweiz zu Russland weiter belasten. Die Beziehungen hätten sich seit der russischen Invasion in der Ostukraine abgekühlt. Eine Verwicklung Russlands in Cyberangriffe gegen die Schweiz habe sich trotz Indizien nie beweisen lassen.
B. Am 12. Mai 2016 wandte sich X. mit einer Beschwerde an den Schweizer Presserat. Sie macht geltend, die Aussage, in der Ostukraine hätte eine russische Invasion stattgefunden, entspreche nicht der Wahrheit. Unbestritten sei, dass die gegen die ukrainische Regierung Widerstand leistenden Menschen in der Ostukraine Unterstützung aus Russland erhielten. Aber eine Invasion durch die Armee der Russischen Föderation habe es in der Ostukraine nicht gegeben. Die Verbreitung dieser Lüge in besagtem Beitrag verstosse gegen Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung)». Eine allfällige Erklärung, der Autor hätte die Ostukraine mit Georgien verwechselt, könne sie nicht gelten lassen, zumal nicht von einem Leiter eines Rechercheteams einer renommierten Schweizer Tageszeitung und zumal es nicht die Russische Föderation gewesen sei, die den Krieg in Georgien begonnen habe. Dies belege eine vom Aussenministerrat der EU in Auftrag gegebene und von der Schweizer OSZE-Sonderbeauftragten Heidi Tagliavini ausgearbeitete Studie. Demnach seien zuerst die russischen Friedenstruppen bzw. die von den Friedenstruppen per UN-Mandat zu schützende Region um die Hauptstadt Südossetiens, Zchinwali, angegriffen worden. Gesetzt den Fall, es käme zu dieser «Ausrede mit Georgien», ergäbe sich dadurch ein weiterer Grund zur Beschwerde gemäss Ziffer 3 der «Erklärung»; nämlich durch das Unterschlagen wichtiger Informationen sowie das Entstellen von Tatsachen.
C. In seiner Beschwerdeantwort vom 5. August 2016 beantragt der Rechtsdienst der Tamedia AG, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Es entspreche sehr wohl der Wahrheit, dass in der Ostukraine eine russische Invasion stattgefunden habe. Denn Russland habe vor zwei Jahren auf der Krim interveniert, und da die Krim Teil der Ostukraine sei, sei diese Aussage zweifelsohne korrekt. Bereits im April 2014 habe Russlands Präsident Putin in einem Interview eingeräumt, dass russische Truppen einheimische «Selbstverteidigungskräfte» aktiv unterstützten. Russland zähle die Krim längst zu seinem Staatsgebiet und übe dort völkerrechtswidrig die Macht aus. Darüber hinaus seien russische Milizen und Truppen in weiter nördlich gelegenen Festland-Gebieten der Ukraine militärisch aktiv. Entsprechend sei mit der Berichterstattung weder wie behauptet eine Lüge verbreitet noch gegen Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen worden. Vielmehr habe sich der Autor vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren. Es treffe auch in keiner Weise zu, dass der Autor seine Position missbrauche und böswilllig eine Lüge verbreite, um in der Öffentlichkeit eine negative Meinung gegenüber Russland zu bedienen. Der Autor weise als Leiter des Recherche-teams ein hohes Mass an Fachwissen und Professionalität auf. Er habe sorgfältig recherchiert und die Wahrheitspflicht in keiner Weise verletzt. Der «Tages-Anzeiger» betreibe kein immer wiederkehrendes Russland-Bashing. Der gesellschaftliche Auftrag der Medien sehe vor, die Öffentlichkeit kritisch über öffentliche Angelegenheiten zu informieren. Der Informationsauftrag erstrecke sich insbesondere auch auf staatspolitische Verhältnisse. Cyberangriffe seien ein hochbrisantes und aktuelles Thema. Der Bericht entspreche zweifelsohne einem öffentlichen Interesse, vorliegend sei wahrheitsgetreu berichtet worden. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass der Autor die Ostukraine nicht mit Georgien verwechselt habe, es liege somit keine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» vor.
D. Am 5. Dezember 2016 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 11. September 2017 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägung
Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren. Die Beschwerdeführerin kritisiert insbesondere den Satz «Die Beziehungen haben sich seit der russischen Invasion in der Ostukraine abgekühlt, auch weil die Schweiz Sanktionen des Westens mitträgt». Es stimme nicht, dass in der Ostukraine eine russische Invasion stattgefunden habe. Tamedia macht demgegenüber geltend, dies stimme sehr wohl. Denn Russland habe vor zwei Jahren auf der Krim interveniert und da die Krim Teil der Ostukraine sei, sei diese Aussage zweifelsohne korrekt. Tamedia definiert damit die Krim als Teil der Ostukraine. Unter dieser Prämisse wäre es wohl nicht falsch, das Vorgehen Russlands auf der Krim als Invasion zu bezeichnen. Die Beschwerdeführerin hingegen scheint die kritisierte Passage so zu interpretieren, als hätte Russland in der Ostukraine invadiert. Die Krim zählt sie nicht zur Ostukraine. Geografisch gesehen liegt die Krim hingegen unbestrittenermassen im Osten der Ukraine. Sie war bis zu dem umstrittenen Referendum auch Teil der Ukraine. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») gesprochen werden. Soweit die Beschwerdeführerin zudem eine potentielle Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» geltend macht, beruht sie auf einer hypothetischen Vermutung, auf welche nicht näher einzugehen ist.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Der «Tages-Anzeiger» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Cyberangriffe aus Moskau» vom 4. Mai 2016 Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.