Zusammenfassung
Die Basler «Tageswoche» hat Nationalrätin Natalie Rickli nicht anhören müssen, als sie über die Verbindung von Politik und Geschäft berichtete, urteilt der Presserat.
Die «Tageswoche» kommentierte am 24. Februar 2017 unter dem Titel «Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen» einen politischen Vorstoss. Dieser verlangt, dass Schweizer Medien alle SRG-Beiträge kostenfrei übernehmen und weiterverwenden dürfen. Der Artikel war illustriert mit einer Bildmontage: Nationalrätin Natalie Rickli mit einem goldenen Zahn im Mund vor einem SRF-Logo. Rickli ist Präsidentin der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, die den Vorstoss behandelte. Gleichzeitig ist sie Angestellte der Werbevermarktungsfirma Goldbach Group.
Rickli beschwerte sich beim Presserat gegen den Artikel. Sie kritisiert, dass ihr die «Tageswoche» unterstelle, sich mit politischen Vorstössen bereichern zu wollen. Weil sie dazu nicht angehört worden sei, habe die «Tageswoche» den Journalistenkodex verletzt.
Für den Presserat ist es richtig und wichtig, dass Journalisten Interessenbindungen von Politikern aufzeigen. Ricklis Arbeitgeber, die Goldbach Group, ist offensichtlich von dem Vorstoss betroffen. Im Text wird Rickli nach Ansicht des Presserats an keiner Stelle konkret eine Bereicherungsabsicht vorgeworfen. Aber die «Tageswoche» stellt eine mögliche Bereicherung zumindest indirekt via Ricklis Arbeitgeber in den Raum. Trotzdem musste Rickli zu diesem Vorwurf nicht angehört werden. Denn Interessenvertretung ist heute im schweizerischen Milizystem weit verbreitet und weder illegal noch besonders unredlich. Deshalb ist der Vorwurf auch nicht so schwerwiegend, dass eine Anhörung Ricklis Pflicht gewesen wäre. Der Presserat ist aber der Meinung, dass es dem Kommentar gut getan hätte, wenn Rickli darin zu Wort gekommen wäre. Das Publikum kann sich besser eine eigene Meinung bilden, wenn es erfährt, was die Hauptperson zu einem möglichen Interessenkonflikt sagt.
Résumé
Le journal bâlois «Tageswoche» n’avait pas à entendre la conseillère nationale Natalie Rickli quand il a rendu compte des liens entre les milieux politiques et le monde des affaires, estime le Conseil de la presse.
Le 24 février 2017, le journal «Tageswoche» a commenté une intervention parlementaire dans un article intitulé «Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen» (comment les opposants à la SRF entendent s’enrichir grâce à la SRF). L’intervention demande que les médias suisses puissent reprendre et réutiliser gratuitement tous les reportages de la SSR. L’article était illustré d’un photomontage montrant la conseillère nationale Natalie Rickli avec une dent en or devant le logo de la SRF. Natalie Rickli est la présidente de la Commission des transports et des télécommunications, qui traitait l’intervention. Elle est aussi employée par Goldbach Group, société spécialisée dans la vente d’espaces publicitaires.
Natalie Rickli a porté plainte contre l’article auprès du Conseil de la presse. Elle reproche à la «Tageswoche» d’insinuer qu’elle cherche à s’enrichir grâce à ses interventions politiques. N’ayant pas été entendue par le journal, elle estime qu’il porte atteinte au code de déontologie des journalistes.
Pour le Conseil de la presse, il est non seulement correct, mais important que les journalistes signalent les liens d’intérêts des personnalités politiques. L’employeur de Natalie Rickli, le groupe Goldbach, est de toute évidence concerné par l’intervention. Le texte ne contient, de l’avis du Conseil de la presse, aucun reproche concret sur les intentions financières de Natalie Rickli. Mais la «Tageswoche» évoque un enrichissement possible, du moins indirectement, via l’employeur de Natalie Rickli. Le journal n’avait pourtant pas à entendre Natalie Rickli au sujet de ce reproche. Car la représentation d’intérêts est aujourd’hui largement répandue dans le système de milice suisse et elle n’est ni illégale ni particulièrement malhonnête. C’est pourquoi ce reproche n’est pas si grave qu’il aurait fallu entendre Natalie Rickli. Le Conseil de la presse est toutefois d’avis que le commentaire aurait gagné à donner la parole à Natalie Rickli. Le public est plus à même de se faire une opinion s’il apprend ce que la personne visée dit au sujet d’un potentiel conflit d’intérêts.
Riassunto
Alla «Tageswoche» non può essere rimproverata la mancata audizione della consigliera nazionale Natalie Rickli a seguito di un articolo critico in cui gli avversari della SSR venivano accusati di volersi arricchire a spese dell’ente radiotelevisivo nazionale.
Il 24 febbraio 2017 la basilese «Tageswoche» aveva intitolato un articolo su una recente iniziativa del mondo politico: «Ecco come gli avversari della SSR vogliono arricchirsi a sue spese» («Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen»). In causa è il cosiddetto «Open content», che aprirebbe ai media privati l’uso di determinate produzioni della Società Svizzera di Radiotelevisione. L’articolo era completato da un fotomontaggio in cui la Rickli era mostrata con un dente d’oro, sullo sfondo del logo della SSR. Criticato era soprattutto il fatto che Natalie Rickli, presidente della Commissione dei trasporti e delle comunicazioni del Consiglio nazionale, cui compete l’esame parlamentare della materia, è dipendente dell’impresa di pubblicità Goldbach Group.
Nel reclamo presentato al Consiglio della stampa, la vicepresidente del gruppo parlamentare UDC sostiene che il giornale l’ha accusata di sfruttare il suo mandato politico per far soldi. La «Tageswoche» avrebbe dovuto prendere contatto con lei.
Nella sua presa di posizione il Consiglio sottolinea anzitutto come sia importante e corretto per i media informare sui legami d’interesse dei politici. Ma in nessun punto del testo criticato si parla di un arricchimento personale della Rickli: il guadagno indiretto della mossa politica sarebbe semmai del Gruppo Goldbach. Sul rapporto tra Rickli e questo Gruppo il Consiglio non ha obiezioni da muovere: è tipico del sistema di milizia del Parlamento svizzero e non è ritenuto né illegale né sconveniente. L’appunto indiretto che il giornale muove alla consigliera nazionale non è dunque pesante al punto di esigere l’ascolto della parte criticata. Sarebbe certo stato meglio sentire anche lei – aggiunge il Consiglio – perché al pubblico poteva interessare il suo parere circa l’apparente conflitto di interessi. Ma di obbligo, come è scritto nella «Dichiarazione dei doveri e dei diritti del giornalista», non è il caso di parlare. Non vi è stata dunque da parte del giornale violazione di alcuna norma deontologica.
I. Sachverhalt
A. Am 23. Februar 2017 veröffentlichte die «Tageswoche» online einen Text mit dem Titel «Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen». Der Text erschien am 24. Februar 2017 auch in der Printausgabe der «Tageswoche». Illustriert ist der Beitrag mit einem Bild von Nationalrätin Natalie Rickli vor einem SRF-Logo. Im Mund trägt Rickli einen Goldzahn (Bildmontage). Der Text ist bezeichnet mit: «Ein Kommentar von Gabriel Brönnimann». Brönnimann führt darin aus, wie private Medienhäuser die politischen Weichen stellen würden, «um sich auf Kosten der Allgemeinheit noch weiter zu vergolden». Im Zentrum steht eine Motion, welcher die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Nationalrats zugestimmt hat. Die Motion verlangt vom Bundesrat, dass er eine Open-Content-Vorlage ausarbeitet. Alle Beiträge und Inhalte, die von den SRG-Redaktionen erstellt werden, sollen von Schweizer Medien kostenfrei übernommen und weiterverwendet werden können. Zudem thematisiert Brönnimann die Kooperation zwischen dem Verlagshaus Tamedia und dem Werbevermarktungs-unternehmen Goldbach Group. Die beiden gingen eine weitreichende Werbeallianz im Bereich Video-Werbung ein. Eine Verbindung zwischen den beiden Geschäften falle auf, die Präsidentin der KVF, Natalie Rickli, sei von Beruf «Partner Relation Manager» bei der Goldbach Group. Den Gegnern der SRG und Befürwortern der Open-Content-Strategie gehe es einzig und allein um Geld und die Interessen privater Vermarkter und privater Verlage, schreibt Brönnimann.
B. Gegen diesen Text der «Tageswoche» reichte Nationalrätin Natalie Rickli am 25. Februar 2017 eine Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Es werde suggeriert, sie bereichere sich mittels politischer Vorstösse. Konkret sieht Rickli die Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen, Entstellen von Tatsachen) sowie die Richtlinien 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) und 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzt.
Ziffer 3 der «Erklärung» verlange, dass keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen und Tatsachen entstellt werden dürften. Genau dies geschieht laut Rickli im beanstandeten Artikel in mehreren Punkten:
– Der Leserschaft werde suggeriert, dass sie als Kommissionspräsidentin den Vorstoss zum Open-Content-Modell eingereicht habe. Als Kommissions-präsidentin würde sie jedoch keine Vorstösse einreichen und an den Kommissionssitzungen nicht inhaltlich mitdiskutieren.
– Im Artikel sei nicht erwähnt, dass sich der Bundesrat und die Kommission bereits früher mit dem Open-Content-Modell befasst hätten.
– Zudem suggeriere der Text, die Motion ziele auf Werbeeinnahmen ab und habe einen wirtschaftlich motivierten Hintergrund. Dabei werde unterschlagen, dass es im Motionstext einzig um Inhalt gehe und die Werbung mit keinem Wort erwähnt werde.
– Unterschlagen werde auch, dass die SRG bereits heute Videoinhalte Verlagshäusern zur Verfügung stelle.
Die «Tageswoche» habe gegen den Grundsatz audiatur et altera pars verstossen und damit die Richtlinie 3.8 verletzt. Brönnimann stelle eine Verbindung her zwischen der Beschwerdeführerin, dem Vorstoss in der KVF und der Zusammenarbeit zwischen Tamedia und der Goldbach Group. Er habe es unterlassen, Rickli in der Sache zu kontaktieren, weder als Kommissionspräsidentin noch als Mitarbeiterin von Goldbach. Es entbehre jeglicher journalistischen Ethik, dass mit einem Foto, dazugehörigem Titel und Text suggeriert werde, sie bereichere sich in irgendeiner Form mittels eines politischen Vorstosses. Werde die Glaubwürdigkeit und Integrität einer Person in Frage gestellt, so müsse diese zwingend angehört werden, verlangt die Beschwerdeführerin.
Weiter habe die «Tageswoche» gegen Richtlinie 2.3 verstossen, weil der durchschnittliche Leser Faktenaussagen und kommentierende Aussagen nicht unterscheiden könne. Zwar sei der Text als «Kommentar» bezeichnet, er erwecke aber den Eindruck, es handle sich um eine recherchierte Hintergrundgeschichte.
C. Am 11. Mai 2017 nahm die anwaltlich vertretene «Tageswoche» Stellung zur Beschwerde. Die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Die «Tageswoche» bestreitet, dass der Kommentar den Eindruck vermittle, die Verhandlung in der KVF ginge nicht unabhängig vonstatten, sondern sei von der Präsidentin beeinflusst worden. Dies sei eine subjektive Textwürdigung der Beschwerdeführerin. Der Kommentar überlasse es dem Leser, selber Schlüsse aus den allfällig unterschiedlich gelagerten Interessen der Beschwerdeführerin als Nationalrätin und Mitarbeiterin der Goldbach Group zu ziehen. Fragen zu allfälligen wirtschaftlichen Interessenvertretungen von Volksvertretern seien im Falle eines Milizparlaments allgegenwärtig. Mit der Bildmontage werde dieses Spannungsfeld visualisiert. Es werde weder behauptet, die Beschwerdeführerin sei käuflich, noch werde ihre Integrität als Sitzungsleiterin in Frage gestellt.
Die «Tageswoche» bestreitet, dass Elemente von Informationen unterschlagen oder Tatsachen entstellt worden seien:
– In keiner Weise werde suggeriert, dass die Beschwerdeführerin den Open-Content-Vorstoss selber eingereicht habe. Unbewiesen sei aber, dass die Kommissionspräsidentin nicht an der Diskussion teilgenommen habe.
– Irrelevant sei, dass der Kommentar nicht erwähne, dass sich der Bundesrat und die Kommission bereits früher mit dem Open-Content-Modell befasst haben.
– An keiner Stelle werde dargelegt oder suggeriert, die Motion ziele auf Werbeeinnahmen ab. Allerdings lasse der Motionstext den Schluss zu, es sei Eigenvermarktung im Werbeumfeld vorgesehen, da es keine Fremdmedien ohne Werbeumfeld gebe.
– Irrelevant sei auch, dass die SRG bereits heute Videoinhalte Verlagshäusern zur Verfügung stellt. Das sei lediglich ein Probelauf. Zudem liege dabei ein anderer Fall vor, da die SRG für die Videos eine finanzielle Abgeltung erhalte, während «open» gratis bedeute.
Die Pflicht zur Anhörung (Richtlinie 3.8) ist laut der Beschwerdegegnerin nicht verletzt, da der Text keine schweren Vorwürfe enthalte. Es habe keinen Grund gegeben, Natalie Rickli nach ihrer persönlichen politischen Meinung betreffend Open Content zu befragen. Die Glaubwürdigkeit oder Integrität der Beschwerdeführerin werde nicht in Frage gestellt.
Für den massgebenden Durchschnittsleser sei ohne Weiteres zu erkennen, dass es sich um einen Kommentar und nicht um einen Hintergrundbericht handle. Der Text sei als Kommentar bezeichnet und gestaltet und enthalte auch klar ersichtlich die Wahrnehmung und Wertung des Autors. Deshalb sei auch Richtlinie 2.3 nicht verletzt. Die Kommentierung der Zusammenhänge der Funktionen der Beschwerdeführerin und der Schluss des Autors, es gehe nicht um Medienfreiheit, sondern um Geld, zeichne einen Kommentar aus.
D. Mit Schreiben vom 2. Juni 2017 liess die Beschwerdeführerin dem Presserat zusätzliche Ausführungen zur Beschwerdeantwort und insbesondere zum politischen Prozess zukommen.
E. Das Präsidium des Presserats wies die Beschwerde der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Kammerpräsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Barbara Hintermann, Seraina Kobler und Markus Locher angehören.
F. Die 3. Kammer des Presserats behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 8. Juni 2017 und auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Vorab ist zu klären, wie mit der nachträglichen Eingabe der Beschwerdeführerin vom 2. Juni 2017 zu verfahren ist. Das Präsidium des Presserats hat keinen zweiten Schriftenwechsel angeordnet und den Parteien mit Schreiben vom 23. Mai 2017 mitgeteilt, dass der Schriftenwechsel abgeschlossen ist und die Beschwerde der 3. Kammer zur Behandlung übertragen wird. Der Presserat hat deshalb vom genannten Schreiben der Beschwerdeführerin Kenntnis genommen, bezieht dieses jedoch nicht in die nachfolgenden Erwägungen ein.
2. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass ihr die «Tageswoche» unterstelle, sie habe sich mittels ihrer politischen Funktion bereichert. Die Beschwerde richtet sich aber nicht konkret gegen eine entsprechende Aussage. Eine solche ist im Text auch nicht zu finden. Am stärksten lässt sich der Vorwurf allenfalls an der Kombination von Titel und Bildmontage festmachen: Unter dem Titel «Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen» steht ein Bild von Natalie Rickli mit einem einmontierten goldenen Zahn.
Zu den konkreten Punkten der Beschwerde:
Wurden im Text wichtige Elemente von Informationen unterschlagen oder Tatsachen entstellt (Ziffer 3 der «Erklärung»)? Die Beschwerdeführerin erhebt dazu vier konkrete Vorwürfe:
– Der Leserschaft werde suggeriert, dass sie als Kommissionspräsidentin den Vorstoss zum Open-Content-Modell eingereicht habe. Wer den Vorstoss eingereicht hat, erwähnt der Kommentator im Text nicht. Er behauptet aber auch nicht, er stamme von Rickli. Nach Einschätzung des Presserats suggeriert er das auch an keiner Stelle.
– Der Kommentar erwähnt tatsächlich nicht, dass sich Bundesrat und Kommission bereits zuvor mit dem Thema Open Content befasst haben. Dies ist jedoch kein wichtiges Element einer Information, das die Grundaussage des Kommentars geändert oder relativiert hätte. Journalisten müssen nicht alle vorhandenen Informationen veröffentlichen (vergleiche dazu die Stellungnahmen 49/2015, 5/2017). Dies gilt erst recht bei Kommentaren. Bei diesen stehen die Wertungen des Kommentators im Vordergrund.
– Rickli hat recht, wenn sie schreibt, im Text werde suggeriert, die Motion ziele auf Werbeeinnahmen ab und habe einen wirtschaftlich motivierten Hintergrund. Dieser Vorwurf ist jedoch nicht ungerechtfertigt. In der Antwort des Bundesrats zu einer vorhergehenden Interpellation zu Open Content vom 23. November 2016 heisst es: «Bei Drittverwertern ohne öffentlichen Auftrag bestünde jedoch keine Garantie, dass Werbeeinnahmen, welche mittels gebührenfinanzierter Inhalte erzielt werden, wieder ins Programm fliessen würden.» Das ist ein klarer Hinweis auf eine wirtschaftliche Verwertbarkeit von Open Content.
– Rickli moniert, der Artikel erwähne nicht, dass die SRG bereits heute Verlagshäusern Videoinhalte zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um einen befristeten Versuch und, was für den Presserat entscheidend ist, es handelt sich ebenfalls um kein wichtiges Element einer Information, das die Grundaussage des Artikels relativiert oder wesentlich verändert hätte.
3. Gemäss der Praxis des Presserats muss bei schwerwiegenden Vorwürfen eine Anhörung der Betroffenen erfolgen. Ein Vorwurf wiegt schwer, wenn jemandem ein illegales oder damit vergleichbares besonders unredliches Verhalten vorgeworfen wird. Wirft die «Tageswoche» Nationalrätin Natalie Rickli ein solches Verhalten vor? Mit Titel und Bild und zusätzlich mit dem Begriff «vergolden» wird eine mögliche Bereicherung zumindest indirekt via Ricklis Arbeitgeber in den Raum gestellt. Doch ist das nun ein schwerer Vorwurf? Nein, eigentlich nicht, denn Interessenvertretung ist heute im schweizerischen Milizsystem weit verbreitet und weder illegal noch besonders unredlich. Es ist davon auszugehen, dass Parlamentarier sich im politischen System gemäss den Interessen ihrer Arbeitgeber verhalten. Ausnahmen können vorkommen. Wenn sich leitende Angestellte im Interesse ihres Arbeitgebers verhalten, was von ihnen ja erwartet wird, dürfte dies auch den Angestellten selber zu Gute kommen.
Als Wachhunde der Demokratie sollen Journalistinnen und Journalisten die Politik kritisch beobachten und dabei auch die Interessenbindungen von Politikerinnen und Politikern aufzeigen. Beispielsweise müssen sich Bauern oder Gewerkschafterinnen, die im Parlament sitzen, gefallen lassen, dass die Medien ihre beruflichen Verbindungen thematisieren. Dabei kann nicht erwartet werden, dass die Parlamentarier jedes Mal im Sinne von Richtlinie 3.8 angehört werden. Nationalrätin Rickli ist bei einem Unternehmen angestellt, das offensichtlich von einem Open-Content-Modell betroffen wäre. Das ist in einem Milizsystem weder illegal noch unredlich. Als Präsidentin der behandelnden Kommission ist sie in das Geschäft involviert (über einen allfälligen Ausstand ist dem Presserat nichts bekannt). Es ist die Aufgabe von Journalisten, solche Verbindungen aufzuzeigen. Entscheidend ist, dass die Fakten stimmen und sie den Journalistenkodex einhalten. Die Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) ist somit nicht verletzt. Es wäre dem Text aber gut angestanden, wenn die Hauptperson des Artikels zu Wort gekommen wäre. Für das Publikum ist es von Interesse, zu erfahren, was die Beschwerdeführerin zu ihrem möglichen Interessenkonflikt sagt.
4. Der Artikel ist als Kommentar gekennzeichnet. Das Publikum dürfte ihn deshalb auch als solchen wahrnehmen. Der Journalistenkodex schreibt jedoch keine formale Trennung von Fakten und Kommentar vor. In seiner langjährigen Praxis hat der Presserat immer wieder festgehalten, auch wenn berufsethisch keine formale Trennung zwischen Nachricht und Kommentar vorgeschrieben ist, sollte die Leserschaft bei stark kommentierenden Berichten in die Lage versetzt werden, zwischen Informationen und Wertungen zu unterscheiden (Stellungnahmen 17/2000, 36/2011, 59/2011, 48/2012, 60/2012, 22/2016). Dies ist im beanstandeten Text der Fall. Die Richtlinie 2.3 ist nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die «Tageswoche» hat mit dem Artikel «Wie SRF-Gegner mit SRF reich werden wollen» weder Ziffer 2 (Kommentarfreiheit) noch Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Informationen / Anhören bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.