Nr. 42/2004
Wahrheitspflicht / Unterschlagung von wichtigen Informationen / Kommentarfreiheit

(Verband Schweizer Metzgermeister c. «Saldo») Stellungnahme des Presserates vom 20. August 2004

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I. Sachverhalt

A. «Saldo» titelte in seiner Ausgabe Nr. 12 vom 23. Juni 2004 auf der Frontseite: «Grillwürste im Test: Viel Fett, Wasser und Fleischabfälle». Unter einem Foto mit Grillwürsten zeigte die Redaktion einen Artikel auf Seite 16 an: «Masse statt Klasse: ÐSaldoð hat Kalbsbratwürste und Cervelats untersuchen lassen. Das Labor mass die Anteile an Fett, Bindegewebe und Muskelfleich sowie den Zusatz von Fremdwasser, mit dem die Metzger die Wurstmasse strecken. Fazit: Es wurden fast nur minderwertige Zutaten verwendet.» Der Titel auf den Seiten 16 und 17 lautete: «Grillwürste: Mehr Masse als Klasse», der Lead: «In Würsten steckt nur wenig Muskelfleisch. Das zeigt ein ÐSaldoð-Test. Der Rest besteht aus viel Wasser, viel Fett und minderwertigem Fleisch.» Im Lauftext führte «Saldo» sein Fazit aus; hernach fasste die Redaktion die Testergebnisse für Kalbsbratwürtste und Cervelats an diversen Verkaufsstellen je in einem separaten Kasten zusammen. Eine weitere Box enthielt Tipps für ungefährliches Grillieren.

B. Am 23. Juni 2004 veröffentlichte der Verband Schweizer Metzgermeister eine Medienmitteilung mit dem Titel: «Die Schweizer Metzger wehren sich: Schweizer Grillwürste erfüllen die strengen Normen des vom Bund herausgegebenen Lebensmittelbuches». Es sei zudem falsch und unfair, davon zu sprechen, dass Fleischabfälle zur Wurstherstellung verwendet würden «Solche werden unter strenger Kontrolle entsorgt.»

C. Am 25. Juni 2004 gelangte der Verband der Schweizer Metzgermeister an den Presserat. Der Verband beschwerte sich, «Saldo» habe mit der unwahren Behauptung, Grillwürste enthielten Fleischabfälle, gegen das Fairnessgebot verstossen, sowie die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 3 (Unterschlagung wichtiger Informationselemente) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Der Begriff «Fleischabfall» sei durch das Tierseuchengesetz und die zugehörige Verordnung rechtlich definiert. Zudem sei es unfair und die Berichterstattung von «Saldo» diesbezüglich zumindest unvollständig gewesen, wenn diese unterschlug, dass die getesteten Würste der «Guten Herstellungspraxis» des schweizerischen Lebensmittelbuches entsprachen.

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Presseratspräsidium zurückzuweisen.

E. Das Presseratspräsidium – bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher – hat die vorliegende Stellungnahme per 20. August 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Soweit der Verband Schweizer Metzgermeister die Verwendung des Terminus «Fleischabfälle» in der Schlagzeile als unfair und unwahr rügt, ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Bedeutung eines Begriffs in einem Medienbericht erschliesst sich nicht allein aus dem Terminus und dessen rechtlicher Bedeutung, sondern auch aus dessen Stellung im gesamten Kontext von Titel, Lead, Lauftext, Bild und Bildlegende (vgl. Stellungnahme 35/2003).

b) Vorliegend wird nach Auffassung des Presserates die Leserschaft von «Saldo» kaum auf die Idee gekommen sein, dass laut dem Bericht in den getesteten Würsten Fleischabfälle im Sinne der Tierseuchengesetzgebung verwendet worden seien. Vielmehr ergibt sich sowohl aus dem zusammenfassenden Text auf der Titelsite wie auch im Innern des Heftes unzweideutig, was hier kommentierend mit «Fleischabfällen» gemeint ist: Aus Sicht des Autors «minderwertiges Fleisch» im Gegensatz zu «Muskelfleisch». Eine Verletzung der Wahrheitspflicht und / oder des Fairnessprinzips ist unter diesen Umständen in Bezug auf die Verwendung des Terminus «Fleischabfälle» zu verneinen.

2. Ebenso zurückzuweisen ist die weitere Beanstandung des Verbands Schweizer Metzgermeister, «Saldo» habe zu Unrecht nicht darauf hingewiesen, dass die getesteten Würste der «Guten Herstellungspraxis» des schweizerischen Lebensmittelhandbuchs entsprachen.» Denn ob lebensmittelrechtliche Normen eingehalten würden oder nicht, war offensichtlich nicht Thema des Artikels. Ebensowenig erweckte dieser den Eindruck, solche seien im Zusammenhang mit der Produktion der getesteten Cervelats und Bratwürste verletzt worden (vgl. hierzu auch die Stellungnahme 41/2003).

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.