Nr. 49/2004
Wahrheitspflicht

( X . AG c. «Bote der Urschweiz») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 22. Oktober 2004

Drucken

I. Sachverhalt

A. Unter den Titeln «Kanton handelt mit Bügeleisen» und «Kanton vermittelt Unterhosen» (Untertitel: «Merkwürdiger Versandhandel via Erziehungsdepartement») berichtete der Chefredaktor des «Boten der Urschweiz» kritisch über eine dem Schwyzer Schulblatt «Schule + Bildung» beigelegte Werbebroschüre des «X.». Der Lead lautete: «Bügeleisen, Sandalen, Unterhosen und Frottiertücher: Der Kanton Schwyz ist unter die Detailhändler gegangen. Das offizielle Schulblatt ÐSchule + Bildungð des Erziehungsdepartements hat einem Versandhandel grosszügig Gastrecht gegeben.» Im Lauftext war u.a. zu lesen: «Beim X. handelt es sich um den Versandhandel, den das Y. betreibt. Es erzielt aus Verkäufen gemäss Erfolgsrechnung 2002 einen Ertrag von rund 13 Mio Franken. Der Gewinn fliesst offenbar in die allgemeine Rechnung der Spitalbetriebe, die der Z. gehören.»

B. Mit Beschwerde an den Presserat vom 3. Dezember 2003 rügte die X. AG., der Bericht des «Boten der Urschweiz vom 6. Oktober 2003 habe krasse Unwahrheiten enthalten. So könne keine Rede davon sein, dass der X. im offiziellen Schwyzer Schulblatt «Schule+Bildung» «grosszügig Gastrecht» erhalten habe. Vielmehr hätten sie dafür die üblichen Werbekosten bezahlt. Zudem betreibe «das Y. keinen Versandhandel und deshalb fliesst auch kein Gewinn in die allgemeine Rechnung der Spitalbetriebe. X. ist eine AG in Privatbesitz. Die logistische Werkstatt des Y., eine Institution zur wirschaftlichen und sozialen Wiedereingliederung von erwerbsbeeinträchtigten Personen, ist lediglich Mandant von X. und betreibt das gesamte Auftragswesen sowie die übrige Logistik.»

C. In einer Stellungnahme vom 19. März 2004 machte Josias Clavadetscher, Chefredaktor des «Boten der Urschweiz», geltend, im beanstandeten Artikel seien weder die X. AG noch die Stiftung Y., sondern vielmehr das Erziehungsdepartement des Kantons Schwyz im Zentrum gestanden. «Der Versandkatalog der X. AG war nicht bloss als Werbemittel dieser Versandfirma zu betrachten, sondern war ausdrücklich mit dem eigentlich amtlichen Logo der ED-Publikation versehen. Ebenfalls ist der Versandkatalog zusammen mit dem Heft ÐSchule + Bildungð in einem Couvert an die Adressaten verschickt worden, welches das Logo des Kantons getragen hat.» Unter diesen Umständen könne durchaus von Gastrecht gesprochen werden. Auch wenn die X. AG eine Unternehmung im Privatbesitz sei, sei doch die logistische Werkstätte des Y. zumindest sehr stark in die praktische Abwicklung des Versandshandels integriert. Insgesamt sei die Beschwerde deshalb als unverhältnismässig und unangebracht zurückzuweisen.

D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

E. Am 30. März 2004 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.

F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 22. Oktober 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss eine Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung» geltend. Laut der Richtlinie 1.1 stellt die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. «Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus.»

2. Die Beschwerdeführerin stösst sich vorab an der Aussage, dem X. sei von «Schule + Bildung» «grosszügig Gastrecht» gegeben worden. Sie übersieht dabei, dass es sich hierbei offensichtlich um eine wertende Kommentierung handelt. Der Terminus «Gastrecht» bedeutet im Kontext des beanstandeten Artikels nicht zwingend, dass die Beilage des Versandkatalogs unentgeltlich erfolgt wäre. Denn aus dem Artikel des «Boten der Urschweiz» geht durchaus hervor, dass es sich beim Katalog des X. um eine Werbebeilage handelte. Für die Leserschaft nachvollziehbar richtete sich die Kritik des Autors offensichtlich dagegen, dass das Erziehungsdepartement anstelle der vorherigen Einzelinserate für schulspezifische Artikel und Angebote neu ein wesentlich breiter gefächertes Angebot als Werbung zuliess. Ungeachtet davon, ob man diese Kritik teilt oder nicht, ist sie unter berufsethischen Gesichtspunkten (Kommentarfreiheit) jedenfalls zulässig. Deshalb ist eine Verletzung der Wahrheitspflicht in Bezug auf die wertende Aussage «grosszügiges Gastrecht» zu verneinen.

3. Bezüglich des weiteren Vorwurfs, im beanstandeten Artikel habe wahrheitswidrig gestanden, das Y. betreibe diesen Versandhandel (in eigenem Namen) ist ausgehend von der Darstellung der Parteien zwar festzustellen, dass diese Aussage so nicht stimmt. Danach ist die X. AG und nicht das Y. Träger des unter der Marke «X.» AG angebotenen Versandhandels. Immerhin läuft aber offenbar das gesamte Bestellwesen und das Inkasso des Versandhandels über die logistische Werkstatt des Y. Die X. AG tritt demgegenüber weder im Versandkatalog noch auf der Website in irgendeiner Form in Erscheinung. Deshalb erschiene es unverhältnismässig, aufgrund einer für den Autor nicht ohne weiteres erkennbaren und für das Verständnis der Leserschaft belanglosen Unschärfe eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu erkennen (vgl. hierzu die Stellungnahmen 28/2000, 1/2002 und 52/2002).

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.