Nr. 42/2012
Wahrheits- und Berichtigungspflicht

(X. c. «Neue Luzerner Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 24. August 2012

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I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Springen die ‹Albana›-Investoren ab?» berichtete Alexander von Däniken am 19. März 2012 in der «Neuen Luzerner Zeitung», das Hotel Albana in Weggis «gammle» vor sich hin, weil Beschwerden den dringend benötigten Um- und Ausbau verhinderten. Die Beschwerden gegen die Bewilligung des Gestaltungsplan lägen zur Zeit vor dem Verwaltungsgericht des Kantons. Laut dem Projektleiter der Investorengruppe gingen die Investoren «schon fast die Wände rauf». Denn ein Entscheid des Verwaltungsgerichts werde erst im Herbst 2012 erwartet. Zudem bestehe die Möglichkeit, das Urteil an das Bundesgericht weiterzuziehen. Irgendwann würden es sich die Eigentümer überlegen, ob es sich noch lohne, das Hotel zu halten.

Die Investoren hätten vier Millionen Franken für das Hotel bezahlt und zwei weitere Millionen seien grösstenteils in die Instandhaltung geflossen. Denn der Hauptbau befinde sich in einem immer schlechteren Zustand. Das eidgenössische Starkstrominspektorat habe zudem schon 2001 Mängel an den Stromleitungen beanstandet und wolle nicht weiter warten. Damit drohe «Lichterlöschen». Da das Haupthaus unter Denkmalschutz stehe, bleibe dieses bei einem Umbau der Liegenschaft bestehen. Ebenso könnten wegen der Form des Neubaus fast alle schützenswerten Bäume erhalten werden. Auch die Gemeinde Weggis, die keinen «Plan B» habe, sei insbesondere auch im Hinblick auf die Einnahmen aus den Kurtaxen daran interessiert, dass das Hotelprojekt zu einem Abschluss komme. Eine der Beschwerden stamme vom Landschaftsschutzverband, der sich am «zu grossen Bauvolumen» störe. Beschwerde hätten zudem auch 26 Nachbarn unter Führung des ehemaligen Hotelbesitzers X. gemacht. Dieser schliesse einen Gang ans Bundesgericht nicht aus und kritisiere, der Gemeinderat habe die Bedenken der Denkmalschutzverbände nicht ernst genommen.

B. Am 21. März 2012 beschwerte sich X. beim Presserat, der obengenannte Bericht der «Neuen Luzerner Zeitung» verletze die Ziffern 1 (Wahrheit) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Zu beanstanden seien insbesondere folgende Sätze:

– «Seither sind weitere zwei Millionen grösstenteils in die Instandhaltung geflossen.»
– «Denn das eidgenössische Starkstrominspektorat hat schon 2001 Mängel an den Stromleitungen festgestellt.»
– «Wegen der Form des Neubaus könnten fast alle schützenswerten Bäume erhalten werden.»

Die behauptete Investition von zwei Millionen, die grösstenteils in die Instandhaltung geflossen seien, stehe in krassem Widerspruch zum Bericht der «Zentralschweiz» vom 13. November, wo lediglich davon die Rede sei, dass seit der Übernahme des Hotels im Oktober 2007 Unterhaltskosten von jährlich 200’000 Franken angefallen seien.

Als ehemaliger Besitzer des Hotels habe er zudem nie ein Schreiben des Eidgenössischen Starkstrominspektorats erhalten. Die Redaktion der «Neuen Luzerner Zeitung» wisse, dass das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit für die Kontrolle der Strominstallationen zuständig sei. Auch habe er die Redaktion der «Neuen Luzerner Zeitung» darauf hingewiesen, dass er in der Zeit von 1989 bis zum Verkauf 2007 7,5 Millionen in das historische Hotel investiert habe. Dabei seien durch das Elektrizitätswerk Schwyz fast sämtliche Elektrotableaus ersetzt worden.

Ebenso unhaltbar sei schliesslich auch die Aussage, dass «wegen der Form des Neubaus» fast alle schützenswerten Bäume gerettet würden. Im Gegenteil werde der Park und der Garten durch das überdimensionierte Projekt unwiderruflich zerstört.

C. Am 11. Mai 2012 beantragte die anwaltlich vertretene Redaktion der «Neuen Luzerner Zeitung», die Beschwerde sei abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer rüge zwar eine Verletzung der Ziffern 1 (Wahrheit) und 5 (Berichtigung) der «Erklärung», lege aber nicht dar, inwiefern die von ihm pauschal als falsch bezeichneten Sachbehauptungen unrichtig und gegebenenfalls zu berichtigen wären. Und für die Anordnung der von X. verlangten Gegendarstellung, seien die Gerichte und nicht der Presserat zuständig. Hinzu komme, dass in Bezug auf die gerügten Passagen «weit und breit» keine persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers ersichtlich sei.

In Bezug auf die Höhe der Aufwendungen in die Hotelliegenschaft schliesse die Darlegung der «Zentralschweiz am Sonntag», wonach jährlich 200’000 Franken in den Unterhalt gesteckt worden seien, diejenige der «Neuen Luzerner Zeitung» nicht aus, wonach «weitere zwei Millionen grösstenteils in den Unterhalt geflossen seien.» Der Beschwerdeführer lege zudem nicht dar, inwiefern die Zahl von zwei Millionen falsch sein sollte.

Zu den von X. bestrittenen Mängeln an den Elektroinstallationen führt die Beschwerdegegnerin aus, der Beschwerdeführer, der die Liegenschaft vor fast fünf Jahren verkauft habe, schliesse selber zwischenzeitliche neue Auflagen der Behörden nicht aus. Zudem habe er ohnehin keinen Anspruch auf Berichtigung, «da sich die Aussagen nicht auf ihn oder eine in seinem Eigentum stehende Liegenschaft beziehen». Im Übrigen gehe aus dem Artikel hervor, dass sich die entsprechenden Aussagen auf die Informationen des Vertreters der Investoren stützten, der als Projektleiter fungiere.

In Bezug auf die Bäume sei in der beanstandeten Publikation lediglich davon die Rede, dass «fast alle schützenswerten Bäume erhalten» werden könnten. Aus der vom Beschwerdeführer eingereichten Korrespondenz gehe nicht hervor, ob es sich bei den von ihm erwähnten Bäumen, die aufgrund des Projekts weichen müssten, überhaupt um schützenswerte Bäume handle.

D. Am 15. Mai 2012 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 24. August 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.


II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 des Geschäftsreglements ist jedermann berechtigt, dem Presserat eine Beschwerde einzureichen. Eine persönliche Betroffenheit im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand ist dabei nicht erforderlich. Die Beschwerdegegnerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Presserat keine Gegendarstellungsbegehren beurteilt. Der Beschwerdeführer rügt aber explizit die Verletzung von zwei berufsethischen Normen (Ziffer 1 und 5 der «Erklärung»). Mithin ist auf die Beschwerde einzutreten.

2. Die Kritik des Beschwerdeführers an drei Punkten des Artikels der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 19. März 2012 erscheint durchaus plausibel. Selbst wenn man davon ausgeht, dass neben den reinen Unterhaltskosten noch weitere Kosten – insbesondere Planungs- und Verwaltungskosten – angefallen sein dürften, erscheint die Differenz zwischen der im Artikel der «Zentralschweiz am Sonntag» vom 13. November 2011 wiedergegebenen Zahl (jährlich 200’000 Franken Unterhaltskosten) und dem von der Beschwerdegegnerin veröffentlichten aufkumulierten Betrag von zwei Millionen Franken derart gross, dass kaum davon ausgegangen werden kann, dass diese Zahlen in Übereinstimmung zu bringen sind. Gestützt auf die ihm vorliegenden Unterlagen kann der Presserat aber nicht mit genügender Sicherheit feststellen, welche der beiden Angaben richtig und welche (mutmasslich) falsch ist. Mithin ist eine Verletzung der Wahrheitspflicht in diesem Punkt nicht erstellt.

3. Die gleiche Schwierigkeit ergibt sich für den Presserat bei den weiteren Rügen von X. Der
Presserat ist gestützt auf die Beschwerdeunterlagen auch hier nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die «Neue Luzerner Zeitung» eine Falschmeldung veröffentlicht hat und verpflichtet gewesen wäre, eine Berichtigung zu veröffentlichen.

4. Auch wenn damit eine Verletzung der Ziffern 1 und 5 der «Erklärung» zu verneinen ist, wäre es der «Neuen Luzerner Zeitung» gut angestanden, nach der Veröffentlichung des Berichts vom 19. März 2012, der sich einseitig auf die (unüberprüften?) Angaben des Projektleiters der Investoren stützte, auch der Sichtweise der Kritiker Raum zu geben, anstatt sich bloss formaljuristisch darauf zu berufen, die Voraussetzungen für den Abdruck einer Gegendarstellung seien nicht erfüllt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde gegen die «Neue Luzerner Zeitung» wird abgewiesen.

2. Die «Neue Luzerner Zeitung» hat mit der Veröffentlichung des Berichts vom 19. März 2012 («Springen die ‹Albana›-Investoren ab?») die Ziffern 1 (Wahrheit), und 5 Berichtigung), der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.