Nr. 47/2004
Unterschlagung wichtiger Informationselemente / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Namensnennung

(X. c. «SonntagsZeitung» / «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» / SF DRS

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I. Sachverhalt

A. Am 11. September 2003 strahlte die Sendung «Schweiz Aktuell» einen Beitrag zum Thema «Feuerlauf» aus. Anlass der Sendung waren teils erhebliche Verbrennungen, die Spielerinnen eines Unihockeyclubs bei der Teilnahme an einem von X. geleiteten «Feuerlaufseminar» beim Laufen über glühende Kohlen erlitten hatten. Eine der verletzten Teilnehmerinnen habe der zuständigen Strafverfolgungsbehörde daraufhin Strafanzeige wegen Unterlassens der Hilfeleistung eingereicht.

B. Am 14. September 2003 berichteten die «SonntagsZeitung» und am 17. September 2003 der «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» über den gleichen Unfall.

C. Mit Schreiben vom 13. und 21. September 2003 beschwerte sich X. bei der Redaktion von «Schweiz Aktuell» über den ausgestrahlten Beitrag. Die Autorin des Berichts habe die Fakten verdreht, anstatt seriös zu recherchieren. Zudem seien die von ihr gemachten Aussagen vom Fernsehteam manipuliert worden.

D. In Stellungnahmen vom 17. und 25. September 2003 wies der Redaktionsleiter von «Schweiz Aktuell», Thomas Schäppi, die Vorwürfe zurück und hielt fest, der Beitrag habe in erster Linie die Sichtweise der verletzten Unhockeyspielerin dargestellt, gleichzeitig aber X. als Verantwortliche des Seminars mit den Vorwürfen konfrontiert. Beide Parteien seien je mit den besten Argumenten zu Wort gekommen. «Schweiz Aktuell» habe insgesamt einen sachgerechten Beitrag ausgestrahlt.

E. Am 5. Oktober 2004 gelangte X. an die Ombudsstelle DRS und beanstandete eine Verletzung ihrer Persönlichkeit sowie eine unsachgerechte Darstellung durch die Sendung «Schweiz Aktuell». In seinem Schlussbericht vom 17. Oktober 2003 erachtete der Ombudsmann DRS, Otto Schoch, die Beschwerde als unbegründet. Der beanstandete Beitrag genüge durchaus den Kriterien der Sachgerechtigkeit. Er könne zwar nachvollziehen, dass sich die Beschwerdeführerin mehr Redezeit gewünscht hätte. Ihre wesentliche Botschaft sei aber im Beitrag gebührend berücksichtigt worden. Von einer Persönlichkeitsverletzung könne deshalb offenkundig nicht gesprochen werden.

F. Am 30. Dezember 2003 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen die «SonntagsZeitung», den «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» sowie gegen die Sendung «Schweiz Aktuell» an den Presserat. Im wesentlichen machte sie geltend, die Journalisten der drei Medien hätten sich nicht an die Wahrheit gehalten, obwohl sie ihnen die «tatsächlichen Facts» mitgeteilt habe. Die drei Medienberichte hätten wichtige Informationen vorenthalten, Tatsachen entstellt und sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen erhoben. Eine Anzeige wegen Unterlassens der Hilfeleistung habe gar nicht eingereicht werden können. «Schweiz Aktuell» habe zudem das mit ihr aufgezeichnete Bildmaterial irreführend verfälscht. Die beiden Artikel von «SonntagsZeitung» und «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» seien ohne ihre Zustimmung und unverhältnismässigerweise mit vollem Namen veröffentlicht worden. Die Redaktion des «March Anzeigers / Höfner Volksblatts» habe sie zudem nicht um eine Stellungnahme gebeten.

G. Mit Stellungnahmen vom 12. Januar und 9. Februar 2004 beantragten die Redaktionen von «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» bzw. «SonntagsZeitung», die Beschwerde sei abzuweisen.

H. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

I. Am 13. Februar 2004 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt. Weiter beschloss das Präsidium, auf die Einholung einer Stellungnahme von SF DRS zu verzichten, nachdem sich die Redaktion von «Schweiz Aktuell» bereits im Rahmen des Verfahrens vor dem Ombudsmann DRS einlässlich geäussert habe.

H. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 15. Oktober 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Presserates, zwischen den Parteien umstrittene Faktenbehauptungen in Medienberichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen (Stellungnahmen 21/2003, 12/2004). Der Presserat ist nicht in der Lage, ein umfangreiches Beweisverfahren zur Klärung komplexer Sachverhalte durchzuführen und kann deshalb nicht näher auf die divergierende Darstellung der Fakten durch die Parteien eingehen. Teilweise handelt es sich dabei ohnehin bloss um unterschiedliche Wertungen und Interpretationen derselben Sachverhalte. Mangels genügender Begründung tritt der Presserat zudem nicht auf weitere bloss allgemein geltend gemachte Rügen wie die Verletzung des Fairnessprinzips und der Menschenwürde, den Vorwurf der Erhebung sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen sowie einer «unseriösen» Berichterstattung ein.

2. Die Beschwerdeführerin bestreitet grundsätzlich nicht, dass sich anlässlich eines von ihr zumindest mitgeleiteten Feuerlaufseminars vom 23. August 2004 mit einem Unihockeyclub eine Teilnehmerin erhebliche Verbrennungen zuzog, die eine Hospitalisation notwendig machten. Ebenso ist unbestritten, dass die Teilnehmerinnen dieses Seminars vorgängig einen Haftungsausschluss unterschrieben hatten.

3. Soweit X. zudem weiter behauptet, eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung habe gar nicht eingereicht werden können, deutet eine von der «SonntagsZeitung» eingereichte Faxkopie des Untersuchungsamts Altstätten zum besagten Feuerlauf zumindest darauf hin, dass sich die Strafverfolgungsbehörden mit diesem Sachverhalt auseinandergesetzt haben. Zudem schreibt die Beschwerdeführerin in einem nachträglich eingereichten E-Mail vom 29. September 2004, eine Teilnehmerin habe eine Strafanzeige «unter Zwang» am 12. September 2004 eingereicht, nachdem sie dies schon am Tag vorher angekündigt hatte. Weiter schreibt die Beschwerdeführerin: «Das Untersuchungsrichteramt führt zur Zeit nicht ein Strafverfahren durch, sondern eine Untersuchung, ob ein Strafverfahren wegen Ðfahrlässiger Körperverletzung? möglich ist.» Unter diesen Umständen ist die Rüge der Beschwerdeführerin, eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung habe gar nicht eingereicht werden können, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Bewertung eines Feuerlaufseminars als «Übung und Mutprobe», die Bezeichnung von «kleinen Blasen» als Verbrennungen, die Kritik der Vorbereitung als «offenbar ungenügend» liegt offensichtlich im weit zu ziehenden Rahmen der Kommentarfreiheit. Bei allen drei Medienberichten erhält das Publikum Kenntnis von den wichtigsten Fakten, auf die sich diese – als solche erkennbaren – Wertungen beziehen.

5. Ebensowenig erscheint der von der Beschwerdeführerin offenbar erst nach Erscheinen des Artikels der «SonntagsZeitung» erhobene Einwand, sie habe diesen Feuerlauf zusammen mit einer Kollegin geleitet, als derart erheblich, dass die Weglassung eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung» zu begründen vermöchte. Auch die unterbliebene Nennung der Zahl der (14) Teilnehmerinnen des Seminars und des Umstands, dass sich eine ganze Reihe davon nicht verletzt hatten, erscheint nicht als zwingend. Ganz generell ist zu diesem Aspekt darauf hinzuweisen, dass gemäss ständiger Praxis des Presserates die Auswahl der zu publizierenden Informationen grundsätzlich im alleinigen Ermessen der Redaktion liegt (Stellungnahme 26/2000).

6. Gegenüber dem Bericht von «Schweiz Aktuell» beanstandet die Beschwerdeführerin weiter, die Aufzeichnung der Aussagen der Beschwerdeführerin sei irreführend zusammengeschnitten worden bzw. SF DRS habe wichtige A
ussagen unterschlagen, bei denen sie vorher darauf beharrt habe, dass sie ausgestrahlt würden. Zu diesem Vorwurf ist zum einen festzustellen, dass X. inhaltlich nicht näher ausführt, welche wichtigen Aussagen unterschlagen worden sein sollen. Zum anderen konnte die Beschwerdeführerin in diesem Bericht ihre Sicht der Dinge zumindest kurz darlegen. Damit wurde der berufsethisch geforderten Anhörung (Ziffer 3.8 der Richtlinien zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten») Genüge getan.

7. Beim Bericht des «March Anzeigers / Höfner Volksblatts» rügt X., die genannte Richtlinie 3.8 sei verletzt worden, weil sie von dieser Zeitung nicht angehört worden sei. Auch diese Beanstandung ist offensichtlich unbegründet. Denn dem Artikel ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin für ein persönliches Statement wegen Ferienabwesenheit nicht zu erreichen war. Zudem gab der «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» die gegenüber der «SonntagsZeitung» gemachte Stellungnahme der Betroffenen wie folgt wieder: «Gegenüber der ÐSonntagsZeitung? wehrte sich X. gegen die Anschuldigungen und berichtete ihre Sichtweise der Geschehnisse. ÐDie Teilnehmerin hat sich nicht an die Anweisung gehalten?, sagte die Siebnerin. ÐObwohl wir vorschreiben, dass als Erste eine feuerlauferfahrene Person über die Glut geht, hat Y. als Neuling den Anfang gemacht?, so die Kursleiterin über den Unfall, den sie sehr bedaure. Bis zu diesem Vorfall habe sie noch nie einen solchen Unfall miterlebt.» Zwar gibt der «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» den letzten Satz des in der «SonntagsZeitung» enthaltenen Statements nicht wieder («Zudem sei eine ausgebildete Krankenschwester im Team dabei gewesen und die verbrannten Stellen seien fachgerecht behandelt worden.»). Er hätte der Leserschaft interessante Zusatzinformationen gegeben. Angesichts des zu Beginn des Statements der Beschwerdeführerin enthaltenen generellen Dementis war aber der Abdruck dieses Satzes berufsethisch nicht zwingend.

8. a) Schliesslich macht X. wiederum insbesondere dem «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» den Vorwurf, die namentliche Berichterstattung sei unverhältnismässig gewesen. Die Frage der Namensnennung stellt sich grundsätzlich bei allen von der Beschwerdeführerin beanstandeten Medienberichten.

b) Gemäss der Richtlinie 7.6 (Namensnennung) zur «Erklärung» veröffentlichen Journalistinnen und Journalisten (vorbehältlich von Ausnahmen) «grundsätzlich weder Namen noch andere Angaben, die eine Identifikation einer von einem Gerichtsverfahren betroffenen Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichen Umfeld gehören, also sich ausschliesslich aus den Medien orientieren». Ausnahmsweise ist eine identifizierende Berichterstattung jedoch berufsethisch zulässig, wenn daran ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, so insbesondere, wenn der Gegenstand der Berichterstattung im Zusammenhang mit einer öffentlichen Funktion des Betroffenen steht, wenn diese Person und der Sachverhalt ohnehin allgemein bekannt ist, wenn Verwechslungen zu befürchten sind sowie bei Einwilligung des Betroffenen. Die Richtlinie 7.6 gilt sinngemäss nicht nur für die Gerichtsberichterstattung sondern generell für sämtliche Formen der Berichterstattung, welche die Persönlichkeit der davon Betroffenen tangieren.

c) Beim Bericht von «Schweiz Aktuell» ist grundsätzlich davon auszugehen, dass aufgrund des abgegebenen Statements die Einwilligung der Beschwerdeführerin zur identifizierenden Berichterstattung vorlag. Dasselbe gilt auch für die «SonntagsZeitung». Hier musste X. aufgrund der mit dem Autor des Berichts geführten E-Mail-Korrespondenz davon ausgehen, dass die abgesprochenen Zitate unter Namensnennung abgedruckt würden. Nachdem am 11. September 2003 SF DRS und am 14. September 2004 unter Namensnennung von X. berichtet haben, erschiene es schliesslich lebensfremd, vom «March Anzeiger / Höfner Volksblatt» wenige Tage später eine anonymisierte Berichterstattung zu verlangen. Hinzu kommt, dass die gleiche Zeitung ein Jahr vorher unter Angabe des Namens und der Telefonnummer X. auf ein Feuerlaufseminar vom Oktober 2002 hingewiesen hatte, offenbar ohne dass diese gegen die Namensnennung protestiert hätte. Unter diesen Umständen ist auch eine Verletzung der Richtlinie 7.6 zu verneinen.

III. Feststellung

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.