Nr. 62/2004
Unterschlagung wichtiger Informationen / Quellennennung / Kennzeichnung unbestätigter Meldungen

(X. / Y. c. «Rundschau») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 31. Dezember 2004

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I. Sachverhalt

A. Die Sendung «Rundschau» von SF DRS strahlte am 28. April 2004 unter dem Titel «Glaubenskrieg» einen Beitrag über einen Konflikt innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft in der Schweiz aus. Gegenstand dieser Auseinandersetzung ist gemäss dem Bericht eine zunehmende Radikalisierung, mit der nicht alle Muslime einverstanden seien. Im Beitrag äusserten vier Männer muslimischen Glaubens ihre Kritik am Scheikh der «Zayed-Moschee» in Zürich, Youssef Ibram. Ebenso kam ein Vertreter der Glaubensgemeinschaft zu Wort. Zudem konnte nach dem gezeigten Beitrag ein Vertreter der Vereinigung Islamischer Organisationen Zürich in der «Rundschau» Stellung nehmen.

B. Mit Beschwerde vom 12. Mai 2004 gelangten X. und Y. an den Presserat und rügten, die «Rundschau» habe mit ihrem Fernsehbericht «Glaubenskrieg» gegen die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 4 (Lauterkeitsgebot), 7 (Schutz der Privatsphäre) und 8 (Diskriminierungsverbot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Die «Rundschau» habe Vorwürfe gegen den Imam Scheikh Youssef Ibram erhoben, die durch die gezeigten Berichte weder unterstützt noch belegt würden. Zudem habe das Fernsehteam eine mit dem Imam und dem Finanzchef der «Zayed-Moschee »in Zürich getroffene Vereinbarung nicht gänzlich eingehalten, «keine Bilder aus der Moschee und dem Moschee-Areal» zu senden.

C. Mit Schreiben vom 8. Juni 2004 wies die Redaktionsleiterin der «Rundschau», Belinda Sallin, den Presserat darauf hin, dass zum selben Beitrag bereits eine Beschwerde beim Ombudsmann von DRS hängig sei. Gestützt darauf sistierte der Presserat das vorliegende Verfahren am 10. Juni 2004 bis zum Abschluss des Verfahrens beim Ombudsmann DRS.

D. In ihrer Stellungnahme vom 12. Juni 2004 zu Handen des Ombudsmanns DRS machte die Leiterin der «Rundschau»-Redaktion, Belinda Sallin, geltend, «Rundschau»-Redaktor Tristan Brenn habe am 16. April 2004 vom öffentlichem Grund aus Aussenaufnahmen der Moschee gemacht und habe anschliessend mit Gläubigen Interviews führen wollen. Dies sei von Scheikh Youssef Ibram und einem Vorstandsmitglied der Glaubensgemeinschaft verhindert worden. In einem darauffolgenden Gespräch sei vom «Rundschau»-Redaktor verlangt worden, sämtliche Aufnahmen zu löschen, was dieser aber richtigerweise abgelehnt habe. Hingegen habe man sich darauf geeinigt, die Aufnahmen von Scheikh Youssef Ibram nicht auszustrahlen. An diese Vereinbarung habe sich die «Rundschau» gehalten. Im übrigen sei im Beitrag der «Rundschau» nicht behauptet worden, der Imam rufe zu Gewalt auf. Die «Rundschau» habe lediglich die politische Haltung des Geistlichen thematisiert, was von öffentlichem Interesse sei.

E. Mit Entscheid vom 16. Juni 2004 erachtete der Ombudsmann DRS, Otto Schoch, eine von Youssef Ibram eingereichte Beschwerde als unbegründet. Das Thema sei völlig korrekt behandelt und die massgeblichen Kriterien, insbesondere jenes der Sachgerechtigkeit, seien respektiert worden. Medien müssten sich auch mit Entwicklungen befassen dürfen, die sich innerhalb von mehr oder weniger geschlossenen Gemeinschaften ausländischer Staatsangehöriger oder auch innerhalb von religiösen Gruppierungen abspielen.

F. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

G. Am 29. Juni 2004 teilte der Presserat den Parteien mit, die Akten des Verfahrens vor dem Ombudsmann würden in das Presseratsverfahren einbezogen. Zudem werde auf eine weitere Stellungnahme der «Rundschau» verzichtet und die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.

H. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 31. Dezember 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Ausgehend von der Videoaufzeichnung der beanstandeten Sendung und der weiteren ihm vorliegenden Unterlagen hat der Presserat keine Veranlassung, vorliegend von der Beurteilung des Ombudsmanns DRS, Otto Schoch, in der zu weiten Teilen ähnlichen Beschwerde von Youssef Ibram abzuweichen.

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung der berufsethischen Wahrheitspflicht rügen und geltend machen, die «Rundschau» erwecke zu Unrecht den Eindruck, Youssef Ibram sei ein radikaler islamistischer Scharfmacher, stellt der Presserat fest, dass die Wertungen von Beteiligten und Beobachtern über die Person und das Wirken dieses Imams offenbar stark auseinandergehen. Es ist aber jedenfalls berufsethisch nicht zu beanstanden, wenn die «Rundschau» Kritiker von Youssef Ibram zu Wort kommen lässt und dabei – offensichtlich innerhalb des weit zu ziehenden Rahmens der Kommentarfreiheit liegende – eigene Schlüsse zieht.

3. Unter dem Gesichtspunkt von Ziffer 4 der «Erklärung» (Lauterkeit der Recherche) rügen die Beschwerdeführer weiter, die «Rundschau» habe sich nicht an eine getroffene Vereinbarung gehalten, «keine Bilder aus der Zayed-Moschee und dem Moschee-Areal zu senden». Die Beschwerdeführer räumen dabei jedoch ein, dass einer handschriftlichen Vereinbarung vom 16. April 2004 nur Folgendes zu entnehmen ist: «Die nachfolgenden Aufnahmen, die wir von Scheikh Youssef Ibram gemacht haben, werden wir nicht senden.» Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus geltend machen, «Rundschau»-Redaktor Tristan Brenn, sei mit dem gänzlichen Verzicht auf die Ausstrahlung von Bildern einverstanden gewesen, steht offensichtlich Aussage gegen Aussage. Der Abschluss und die Verletzung einer entsprechenden Vereinbarung kann der «Rundschau»-Redaktion dementsprechend nicht nachgewiesen werden.

4. Ebenso als unbegründet abzuweisen ist die in der Beschwerde geltend gemachte Verletzung der Privatsphäre (Ziffer 7 der «Erklärung») der vom öffentlichen Bereich aus beim Gebet aufgenommenen Personen. Der Presserat hat bereits in den Stellungnahmen 21/1999 und 59/2002 darauf hingewiesen, dass die Privatsphäre bei Aufnahmen auf dem öffentlichen Grund oder anlässlich eines öffentlich zugänglichen Anlasses auf privatem Grund nicht verletzt ist, wenn dabei einzelne Personen nicht hervorgehoben werden. Bei den von der «Rundschau» zur Illustration ausgestrahlten Bildern steht eindeutig die von der öffentlichen Strasse aus zu sehende Schar von Betenden und keine einzelne Person oder Untergruppe im Zentrum. Eine Verletzung der Privatsphäre ist dementsprechend zu verneinen.

5. Schliesslich tritt der Presserat auf die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» (Diskriminierungsverbot) mangels jeglicher Begründung nicht ein.

III. Feststellungen

Die Beschwerde wird abgewiesen.