Nr. 17/1999
Unterschlagung wesentlicher Informationselemente / Zugehörigkeit zu einer antisemitischen Sekte

(Universale Kirche c. „Berner Zeitung“ / „Bund“ / „FACTS“ / „Thuner Tagblatt“) Stellungnahmevom 1. Oktober 1999

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I. Sachverhalt

A. Am 28. April 1999 gelangte X., Pressesprecher der Universalen Kirche, an den Presserat. Er beklagte sich über die „journalistische Hetze“ gegen die Universale Kirche und legte zahlreiche Presseartikel vor. Die Beschwerde richtet sich gegen die Berichterstattung der Schweizer Medien insgesamt, welche in kollektiv herabsetzender Weise über die Aktivitäten der Universalen Kirche berichteten. Weiter richtet sie sich gegen Jürg Frischknecht, Co-Autor des Buches „Rechte Seilschaften“, das u.a. auf die Universale Kirche eingeht. Der Beschwerdeführer greift zudem bestimmte Zeitungsartikel heraus und wirft den betreffenden Autoren vor, die Universale Kirche zu Unrecht als „antisemitische Sekte“ zu qualifizieren. Schliesslich beschwert sich X. über eine Serie von Medienberichten von „Bund“ / „Berner Zeitung“, „FACTS“, und „Thuner Tagblatt“ über eine Veranstaltung der Vereinigung „Infogruppe Elektrosmog“, die am 10. Februar 1999 in Thun stattfand. Die Vereinigung bekämpft die Errichtung von Natel-Antennen in der Region. In den genannten Medienberichten werde die „Infogruppe Elektrosmog“ in missbräuchlicher Weise mit der Universalen Kirche identifiziert allein weil der Initiator dieser Gruppe, Y., der Kirche angehöre.

B. Das Presseratspräsidium überwies die Beschwerde zur Behandlung an die 1. Kammer, welche sich aus dem Kammerpräsident Roger Blum und den Mitgliedern Sylvie Arsever, Sandra Baumeler, Esther Maria Jenny, Enrico Morresi und Edi Salmina zusammensetzt. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 20. Mai und 19. August 1999 sowie auf dem Korrespondenzweg.

C. Die 1. Kammer holte bei den betroffenen Medien sowie bei Jürg Frischknecht Stellungnahmen ein. „Bund“, „Thuner Tagblatt“ und Jürg Frischknecht äusserten sich fristgerecht. Alle drei hielten daran fest, dass es sich angesichts der gegen verschiedene Exponenten der Universalen Kirche ergangenen Gerichtsurteile ohne weiteres rechtfertige, die Universale Kirche als „antisemitische Sekte“ zu bezeichnen. „Bund“ und „Thuner Tagblatt“ hielten zudem daran fest, dass die Fakten in ihren Medienberichten über die Aktivitäten der „Infogruppe Elektrosmog“ korrekt wiedergegeben worden seien.

D. In einem dem Presserat in Kopie zugestellten Schreiben vom 23. August 1999 an das „Thuner Tagblatt“ machte der Beschwerdeführer als Reaktion auf die Stellungnahme des „Thuner Tagblatts“ vom 30. Juni 1999 u.a geltend, dass Reimer Peters als Mitglied der Universalen Kirche nach der Verurteilung durch das Bundesgericht seiner Funktion in der Schweiz enthoben worden sei. Das Urteil des Bundesgericht sei zudem in Strassburg angefochten worden, bis zu einem entsprechenden Urteil sei das Verfahren international noch nicht abgeschlossen.

II. Erwägungen

1. Ein Teil der von X. vorgebrachten Beschwerdegründe liegen ausserhalb der Zuständigkeit des Presserates. Dies betrifft sowohl die angeblich widerrechtliche Verwendung eines Fotos des Führers der Universalen Kirche im Buch „Rechte Seilschaften“ wie auch verschiedene in diesem Werk enthaltene Behauptungen. Der Presserat äussert sich weder zur Frage der Verletzung von Rechtsnormen noch zum Inhalt von Büchern. Auf die Beschwerde wird deshalb nur insoweit eingetreten, als darin die Verletzung von berufsethischen Normen in periodisch erscheinenden Medien geltend gemacht wird.

2. Der erste Beschwerdegrund (ungerechtfertigter Vorwurf des Antisemitismus gegenüber der Universalen Kirche) ist offensichtlich unbegründet. Wie auch aus den vom Beschwerdeführer angeführten Medienberichten hervorgeht, ist der damalige Geschäftsführer der Universalen Kirche in Europa, Peter Reimers, vom Kantonsgericht Appenzell-Ausserhoden 1996 wegen Verletzung von Art. 261bis StGB verurteilt worden, weil er an ca. 400 Personen, einen vom Hauptsitz der Universalen Kirche in den USA stammenden antisemitischen Text weiterverbreitet hatte. Seine Verurteilung wurde am 5. Dezember 1997 letztinsantzlich durch das Bundesgericht bestätigt. Im März 1999 wurden zwei Mitglieder der Universalen Kirche von der Gerichtskommission Unterrheintal wegen der Redaktion eines Interviews mit antisemitischem Inhalt verurteilt, was ebenfalls bereits aus den Beschwerdebeilagen hervorgeht. Schliesslich ist von der Bundesanwaltschaft gegen den Führer der Universalen Kirche, Peter Leach Lewis, wegen den von ihm vertretenen Positionen, im Zusammenhang mit einer Tagung der Univeralen Kirche in Interlaken im Oktober 1998 ein Einreiseverbot in die Schweiz erlassen worden. weiteres Indiz dafür, dass die Mitglieder der Universalen Kirche der antisemitischen Ideologie der Kirchenführer zustimmen findet sich im übrigen in einem vom Beschwerdeführer selber mit den Beschwerdeunterlagen eingereichten Interview mit Z. („Schweizerischer Beobachter“ vom 16. Februar 1996, S. 35). Darin bestätigt der sich als Mitglied der Universalen Kirche bezeichnende Z., dass die Behauptung, wonach die Habgier der Juden für den Ausbruch des 2. Weltkrieges ursächlich gewesen sei, Bestandteil der Doktrin dieser Sekte sei. Der antisemitische Charakter dieser Behauptung, die zu einer Verurteilung durch das Zürcher Obergericht geführt hat, ist offensichtlich, woran auch die ungeschickte Bestreitung durch den Betroffenen nichts zu ändern vermag.

Wenn diese Fakten in Bezug zu einer stark hierarchischen Organisation gebracht werden, in der von den Mitgliedern eine Zugehörigkeit ohne wenn und aber verlangt wird, erscheint es aufgrund dieser Verurteilungen aus berufsethischer Sicht im Lichte von Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten (Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente und Bilder noch von anderen geäusserte Meinungen) als zulässig, die Universale Kirche als „antisemitische Sekte“ zu bezeichnen. Die in diesem Zusammenhang zuletzt vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände, dass Peter Reimers nach dem Bundesgerichtsurteil seiner Funktionen in der Schweiz enthoben worden und zudem noch eine Beschwerde in Strassburg hängig sei, sind nicht stichhaltig. Zum einen ist Reimers wie aufgezeigt nicht der einzige Exponent der Universalen Kirche, der durch antisemitische Äusserungen aufgefallen ist, zum anderen ist es berufsethisch ohne weiteres zulässig – vorausgesetzt das öffentliche Interesse an einer namentlichen Berichterstattung ist ausnahmsweise zu bejahen, vgl. hierzu die Stellungnahme Nr. 7/94, Sammlung der Stellungnahmen 1994, S. 67ff, – über ein rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichts ungeachtet davon zu berichten, ob dazu in Strassburg anhängig gemacht worden ist. 3. Bezüglich des zweiten Beschwerdegrundes, der aus Sicht des Beschwerdeführers verfehlten Zuordnung der „Infogruppe Elektrosmog“ zur Universalen Kirche, ist vorab festzustellen, dass keiner der vom Beschwerdeführer gerügten Presseberichte behauptet, die „Infogruppe Elektrosmog“ sei ein Zweig der Universalen Kirche. Vielmehr wird von den Medien aus der Mitgliedschaft des Initiators dieser Gruppe in der Universalen Kirche und aus der Präsenz des Ingenieurs U. – der bereits anlässlich des Kongresses der Universalen Kirche im Oktober 1998 in Interlaken aufgetreten war – der Schluss gezogen, dass zwischen der „Infogruppe Elektrosmog“ und der Universalen Kirche, auf deren antisemitische Parolen hingewiesen wird, offenbar enge personelle Beziehungen bestehen. Diese Zuordnung, wie sie am deutlichsten im Artikel von „FACTS“ (Ausgabe vom 11. Februar 1999) zum Ausdruck kommt, ergibt sich vor allem aus den Titeln und dem Aufbau der gerügten Medienberichte. Inhaltlich ist aber die Leserschaft ohne weiteres in der Lage, sich ein genaues Bild über die Situation zu machen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Jo
urnalistinnen und Journalisten“ geltend macht, ist die Beschwerde deshalb abzuweisen, da weder wesentliche Tatsachen entstellt, noch unterschlagen werden.

4. Demgegenüber kann man sich fragen, ob die Offenlegung der personellen Beziehungen zwischen der „Infogruppe Elektrosmog“ und der Universalen Kirche gegen Ziff. 7 der „Erklärung“ (Sie wahren die Privatsphäre des Einzelnen soweit das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen ungerechtfertigte Anschuldigungen.) verstösst.

Der Presserat verwirft diese Schlussfolgerung. Die „Infogruppe Elektrosmog“ war zum Zeitpunkt der Redaktion der umstrittenen Medienberichte erst in Entstehung begriffen und in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Angesichts des Fehlens anderer geeigneter und bekannter Informationselemente lag es für die Medien deshalb nahe, sich vorab für den Initiator dieser Gruppierung, Y., und den in der Öffentlichkeit bereits bekannten Referenten der Informationsveranstaltung vom 4. Februar 1999, Hans-Z., zu interessieren. Der Kampf von Y. gegen die Natel-Antennen im Rahmen der „Infogruppe Elektrosmog“ lässt sich im übrigen nicht klar von seinem Engagement in der Universalen Kirche trennen, stellt doch die Bekämpfung des Elektrosmogs auch eines der Anliegen der Universalen Kirche dar. Selbst wenn einige Formulierungen diskutabel erscheinen mögen – „FACTS“ (a.a.O., S. 30) z.B. spricht im Zusammenhang mit der Veranstaltung der „Infogruppe Elektrosmog“ in Thun von einer „Aktion der Sekte in Thun“ – erwecken die Medienberichte doch lediglich den Eindruck, dass wer sich den Aktivitäten der „Infogruppe Elektrosmog“ anschliesst, das Risiko eingeht, sich von der Universalen Kirche instrumentalisieren zu lassen.

Aufgrund der Faktenlage lässt sich nicht sagen, dass dieser Eindruck offensichtlich falsch wäre. Durch seine Zugehörigkeit zu einer antisemitischen Sekte hat Y. in Kauf genommen, dass seine Aktion in Verruf geraten würde. Es erscheint in diesem Zusammenhang geradezu bezeichnend, dass nicht er oder die „Infogruppe Elektrosmog“ sondern die Universale Kirche selber an den Presserat gelangt ist. Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass es ein öffentliches Interesse daran gab, aufzudecken, dass der Präsident einer Gruppierung, die eine öffentliche Veranstaltung zur Bekämpfung des Elektrosmogs durchführt, Mitglied einer antisemitischen Sekte ist, zu deren Tätigkeitsgebieten der Kampf gegen die Natels und die Mikrowellenherde gehört.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2. Es ist aus berufsethischer Sicht im Lichte von Ziff. 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ zulässig, eine stark hierarchisch organisierte religiöse Gruppierung, die von ihren Mitgliedern eine Zugehörigkeit ohne wenn und aber verlangt, als „antisemitische Sekte“ zu bezeichnen, wenn mehrere gerichtliche Verurteilungen namhafter Exponenten wegen Verletzung der Antirassismusstrafnorm ergangen sind und gegen den im Ausland wohnhaften geistigen Führer der Gruppierung eine Einreisesperre wegen „antisemitischer Äusserungen“ erlassen worden ist.

3. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran (Ziff. 3 und 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“), darüber informiert zu werden, wenn der Präsident einer Gruppierung, die eine öffentliche Veranstaltung zur Bekämpfung des Elektrosmogs durchführt, Mitglied einer antisemitischen Sekte ist, zu deren Tätigkeitsgebieten der Kampf gegen die Natels und die Mikrowellenherde gehört.