Nr. 11/1999
Umgang mit Reaktionen auf Medienberichte

(Baumann c. „TELE“) Stellungnahme des Presserates vom 7. Juli 1999

Drucken

I. Sachverhalt

A. In „TELE“ Nr. 8/99 erschien ein Interview mit Frank Baumann mit dem Titel „Ich mache eine Sex-Show“, gezeichnet von Redaktor Andi Kämmerling. Im Interview wurde Frank Baumann zu seiner Fernsehsendung „Ventil“, seiner Tätigkeit als Werber und zu hängigen Fernsehprojekten befragt. Im Zusammenhang mit diesen Fernsehprojekten stellte Andi Kämmerling die Frage: „Stimmt es, dass Sie an einer Sex-Show arbeiten?“, welche Frank Baumann mit „Ja“ beantwortete.

B. Mit Schreiben vom 24. Februar 1999 verlangte Frank Baumann von „TELE“ die Veröffentlichung einer Richtigstellung. Darin machte er geltend, der Titel „Ich mache eine Sex-Show“ sei irreführend, da dieser impliziere, dass er eine solche Show präsentieren würde, was unzutreffend sei. Richtig sei einzig, dass seine Firma zur Zeit an einer Sex-Show arbeite. Darüber hinaus seien im fraglichen Beitrag von „TELE“ auch einige Informationen über seine geschäftlichen Aktivitäten falsch wiedergegeben worden.

C. Die Richtigstellung von Frank Baumann wurde in „TELE“ Nr. 9/99 vollständig veröffentlicht. Die Redaktion merkte dazu in einem langen Kommentar an, dass Frank Baumann den Text des Interviews vor Drucklegung gegengelesen und genehmigt habe. Weiter bestritt sie, dass die Aussage „Ich mache eine Sexshow“, auch deren Präsentation impliziere. Schliesslich wurde darauf hingewiesen, dass die nicht mehr aktuellen Angaben über die Geschäftstätigkeiten von Frank Baumann von der Homepage von SF DRS stammten. Abschliessend wies sie darauf hin, die auf dem Briefkopf von Frank Baumann als Adresse angeführte „Universitätsstrasse“ schreibe sich korrekterweise „Universitätstrasse“.

D. Mit Schreiben vom 8. und 12. März 1999 reichte Frank Baumann beim Presserat Beschwerde ein, und machte geltend, dass die Redaktion von „TELE“ nicht nur die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“, sondern auch seine Persönlichkeitsrechte in ehrenrühriger Art und Weise verletzt habe. Insbesondere den süffisanten Kommentar zu seiner Richtigstellung (Ziff. 5 der „Erklärung der Pflichten“) finde er die Höhe. Insgesamt fühle er sich unfair behandelt und bitte den Presserat, nun den Fall zu beurteilen. Gleichentags wies Frank Baumann in einem Schreiben an den Chefredaktor von „TELE“, Klaus Kriesel, darauf hin, dass er zwar den Lauftext des Interviews vor Drucklegung habe gegenlesen können. Nicht zu Gesicht bekommen habe er dagegen den Titel und den Kasten.

E. Das Presseratspräsidium überwies die Behandlung des Falles an die 3. Kammer, der Reinhard Eyer als Präsident sowie Catherine Aeschbacher, Luisa Ghiringhelli, Adi Kälin, Marie-Therese Larcher und Iwan Lieberherr als Mitglieder angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 15. April und 7. Juli 1999.

F. In seiner Namens von „TELE“-Chefredaktor Klaus Kriesel, Redaktor Andi Kämmerling und der Ringier AG eingereichten Stellungnahme vom 12. April 1999 machte RA Dr. Mathias Schwaibold geltend, eine ehrenrührige Persönlichkeitsverletzung werde bestritten und wäre zudem nicht vom Presserat zu beurteilen. Überdies sei die Beschwerde von Frank Baumann ungenügend subtantiiert und dessen Behauptungen haltlos. Soweit der Beschwerdeführer den „süffisanten Kommentar zu meiner Richtigstellung“ angreife, wird darauf verweisen, dass Kommentare als Meinungsäusserungen keiner eigentlichen nachträglichen Bewertung unterliegen könnten. Zudem werde aus den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht klar, welche Passage des Kommentars der Beschwerdeführer „die Höhe“ finde. Wenn sich der Beschwerdeführer subjektiv „unfair behandelt fühlt“, sei damit nur seine eigene Befindlichkeit ausgedrückt. Es gehöre weder zu den Pflichten eines Journalisten, die subjektive Befindlichkeit eines Dritten zum entscheidenden Massstab seiner gedruckten Äusserungen zu nehmen, noch sei dadurch, dass sich jemand betroffen fühlt, der Verstoss gegen journalistische Pflichten erstellt. Schliesslich sei entgegen der Kritik des Beschwerdeführers nicht einzusehen, weshalb die Headline des Interviews irreführend sein solle, entspreche doch die Aussage im Titel derjenigen im Interview, die vom Beschwerdeführer eingestandenermassen autorisiert worden sei.

II. Erwägungen

1. Soweit der Beschwerdeführer eine ehrenrührige Verletzung seiner Persönlichkeit geltend macht, ist darauf hinzuweisen, was seitens der Beschwerdegegner zu Recht geltend gemacht wird, dass sich der Presserat ausschliesslich zu berufsethischen Fragen und nicht über die allfällige Verletzung von Rechtsnormen zu äussern hat.

2. Hinsichtlich des nach Auffassung des Beschwerdeführers unzulässigen Titels, ist nach Auffassung des Presserates kein wesentlicher Unterschied zwischen der Aussage „Ich arbeite an einer Sexshow“ und „Ich mache eine Sexshow“ auszumachen. Unter dem Gesichtspunkt von Ziff. 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen“ („Sie respektieren die Privatsphäre … Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen“) ist zudem nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb die Präsentation einer Sexshow ein negativere Bewertung nach sich ziehen sollte als die Arbeit an einer Sexshow. Immerhin ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass es für die Redaktion von „TELE“ ohne weiteres möglich gewesen wäre, auch im Titel „Ich arbeite an einer Sexshow“ zu schreiben. Zudem kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Leserschaft die Headline entsprechend der Interpretation des Beschwerdeführers verstanden hat. Mit der vollständigen Veröffentlichung der Richtigstellung des Beschwerdeführers, hat die Redaktion aber jedenfalls das ihr Mögliche getan, um allfällig entstandene Missverständnisse zu beseitigen. Unter diesen Umständen kann im Zusammenhang mit der beanstandeten Headline von einer Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ nicht die Rede sein.

3. Unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht unproblematisch erscheint dagegen der Kommentar der „TELE“-Redaktion zur Richtigstellung, welche länger als diese ist und zudem inhaltlich nur wenig mit ihr tun hat. Aus dem der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ zugrundeliegenden „Prinzip der Fairness“ (vgl. u.a. Stellungnahme Nr. 3/96 i.S. Ablehnung des Abdrucks einer Stellungnahme in Form eines Lesebriefs, Sammlung 1996, 43ff.; Stellungnahme Nr. 6/96 i.S. Kennzeichnung unbestätigter Meldungen, Sammlung 1996, 79ff.; Stellungnahme Nr. 7/97 i.S. Unschuldsvermutung / Pflicht zu fairer Berichterstattung, Sammlung 1997, 68ff., Stellungnahme Nr. 8/98, i.S. Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis der Tatsachen und Meinungen, Sammlung 1977, S. 77ff.) gilt auch für den Umgang der betroffenen Redaktionen mit Reaktionen auf veröffentlichte Medienberichte. Der Presserat hat jüngst festgehalten (vgl. die Stellungnahme Nr. 1/99 vom 31. Januar 1999 i.S. Kritik an einer guten Sache), dass Medienredaktionen möglichst grosszügig mit Reaktionen auf Medienberichte umgehen sollten, selbst wenn die Redaktion darin scharf angegriffen wird. Der Redaktion von „TELE“ ist es zwar unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht untersagt, eine Richtigstellung eines Lesers ihrerseits kritisch zu kommentieren, weshalb auch in diesem Punkt keine Verletzung der „Erklärung“ festzustellen ist. Unter dem Gesichtspunkt der Fairness wäre es ihr jedoch gut angestanden, die eigene Empfindlichkeit in den Hintergrund zu stellen und entweder auf einen Kommentar zu verzichten oder diesen zumindest auf die wesentlichsten, sachlich umstrittenen Punkte zu beschränken.

III. Feststellungen

1. Die Redaktion von „TELE“ hat die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journal
isten nicht verletzt.

2. Redaktionen sollten im Umgang mit Reaktionen auf eigene Medienberichte möglichst grosszügig sein, selbst wenn diese die Redaktion scharf kritisieren. Wenn eine Redaktion eine Richtigstellung kommentiert, sollte sie sich auf die wesentlichsten, sachlich umstrittenen Punkte beschränken.