Nr. 68/2012
Presserats- und Gerichtsverfahren

(X. c. «Walliser Bote») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 9. November 2012

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I. Sachverhalt

A. Am 13. August 2012 berichtete der «Walliser Bote» unter dem Titel «‹Veieletts› letzter Tanz» über das jährlich stattfindende Sommerstechfest mit Ringkuhkämpfen. Der Lead des Berichts lautet: «Das diesjährige Sommerstechfest bot alles, was Ringkuhkämpfe so faszinierend macht. Packende Kämpfe und faire Gesten unter den Besitzern, aber leider auch ein paar unschöne Szenen.» Zu letztern äussert sich folgende Passage des Artikels: «Mensch aggressiver als Kampfkuh (…) Nun zeigte sich, dass die Aggressivität mancher Besitzer jene ihrer Tiere bei Weitem übersteigt. Denn nach dem Kampf war es plötzlich X. [Vorname und Name sind im Bericht vollständig genannt], der Besitzer von ‹Mignonne›, der der Reihe nach zuerst einen Rabatteur und dann auch einen Besitzer der gegnerischen Kuh mit klaren Tätlichkeiten im Ring herumstiess. Es spielten sich unschöne Szenen ab, die auch in einer Kampfarena überhaupt nichts zu suchen haben.»

B. Am 10. Oktober 2012 beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat, gegen den ihn «diffamierenden» Bericht. Es handle sich um eine «persönlich motivierte Attacke des verantwortlichen Verfassers». Fraglich sei auch der Führungsstil der Redaktionsleitung des «Walliser Boten». Trotz zweimaliger schriftlicher Anfrage habe die Redaktion dem Beschwerdeführer die Personalien des Autors des Berichts bisher nicht bekannt gegeben.

C.
Am 12. Oktober 2012 forderte das Presseratssekretariat X. auf, in einer ergänzenden Beschwerdebegründung anzugeben, welche Punkte der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und/oder der zugehörigen Richtlinien der «Walliser Bote» nach Auffassung des Beschwerdeführers mit der Veröffentlichung des beanstandeten Berichts verletzt hat. Zudem wurde er gebeten, dem Presserat mitzuteilen, ob er im Zusammenhang mit der Berichterstattung ein Gerichtsverfahren eingeleitet hat oder beabsichtigt, ein solches einzuleiten.

D.
Am 22. Oktober 2012 antwortete der Beschwerdeführer, er habe bisher kein Gerichtsverfahren eingeleitet. Falls der Presserat jedoch nicht in der Lage sei, seinen Anliegen Gehör zu verschaffen und die Verhandlungen mit der Redaktion zu einem Konsens zu führen, werde er nicht um eine Strafklage herumkommen. Aus taktischen Gründen könne er deshalb nicht viele Details verraten und falls sich die Redaktion weiterhin nicht äussere, werde eine Gerichtverhandlung unumgänglich sein.

E. Gemäss Artikel 12 Absatz 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

F. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 9. November 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1.
Sofern sich berufsethische Grundsatzfragen stellen, kann der Schweizer Presserat gemäss Artikel 10 Absatz 2 seines Geschäftsreglements auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn zum Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer während der Dauer des Presseratsverfahrens anhängig gemacht wird

2. Vorliegend hat der Beschwerdeführer soweit bekannt zwar bisher kein paralleles Gerichtsverfahren eingeleitet. Aus seinen Ausführungen wird allerdings deutlich, dass er seine Presseratsbeschwerde in erster Linie als Mittel sieht, um einen von ihm nicht näher definierten Konsens mit der Redaktion «Walliser Bote» zu erzielen. Dabei übersieht er allerdings, dass der Presserat lediglich dazu Stellung nimmt, ob die Publikation des beanstandeten Medienberichts gegen eine oder mehrere Bestimmungen der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstösst. Hingegen gehört es nicht zu seinen Aufgaben, direkt bei den Redaktionen zu intervenieren und zwischen den Parteien zu vermitteln. Der Presserat hält es gestützt auf die Ausführungen des Beschwerdeführers deshalb für wahrscheinlich, dass dieser parallel zum Presseratsverfahren auch gerichtlich vorgehen wird. Dies ist ihm selbstverständlich unbenommen. Der Presserat prüft aber unter diesen Umständen, ob es sich rechtfertigt, das Presseratsverfahren gleichwohl durchzuführen.

3. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft, berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht, inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren zu weiten Teilen die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (Stellungnahmen 46/2007, 9/2010).

4.
Vorliegend erscheint es offensichtlich, dass es im Presserats- und im zu erwartenden Gerichtsverfahren um dieselbe zentrale Frage geht: Entspricht der im Bericht gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, er habe gegenüber einem Rabatteur und einem Besitzer der gegnerischen Kampfkuh «klare Tätlichkeiten» begangen, der Wahrheit? Dies zu klären ist im Rahmen eines Gerichtsverfahrens eher möglich als im Presseratsverfahren, das weder ein Beweisverfahren noch die Anordnung prozessualer Zwangsmittel vorsieht.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.