Nr. 33/2012
Meinungspluralismus / Diskriminierung

(X. c. «Echo der Zeit») Stellungnahme des Presserates vom 11. Juli 2012

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I. Sachverhalt

A.
Am 26. April 2012 strahlte das «Echo der Zeit» von Schweizer Radio DRS einen fünfminütigen Beitrag von Toni Koller mit dem Titel «Missionsdrang bei Schweizer Freikirchen» aus. Auch heute noch seien Christen unterwegs, um Andersgläubige von Gott zu überzeugen. Sogar Schweizer Freikirchen treibe es auf ferne Kontinente und in gefährliche Regionen. Der Journalist zeigt dies anhand eines «Augenscheins» bei der evangelikalen «Gemeinde für Christus» auf. Anlass des Berichts ist die Entführung einer Schweizer Missionarin in Mali, die sich Mitte April 2012 ereignete.

B. Am 30. April 2012 beschwerte sich X. beim Presserat, im obengenannten Beitrag habe ein Vertreter einer Freikirche die Haltung seiner Gemeinschaft unwidersprochen darstellen können und «in meinem Empfinden diskriminierende Äusserungen wie ‹Im Islam gilt, (…) es gibt keine Gewissheiten (…) Das Evangelium unterscheidet sich gegenüber allen Religionen (…) Man weiss, dass sie keine lebendige Hoffnung haben› über den Radiosender verbreitet.» Diese Äusserungen seien vom Journalisten nicht hinterfragt worden. Der Hinweis darauf, dass der Interviewte Angehöriger einer Freikirche sei, genüge nicht. Damit verstosse der Beitrag zumindest gegen die Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und gegen die Richtlinie 2.2 zur «Erklärung» (Meinungspluralismus).

C. Am 24. Mai 2012 teilte der Ombudsmann DRS, Achille Casanova, dem Presserat mit, bei ihm sei keine Beanstandung gegen die Sendung gemäss Artikel 92 des Radio- und Fernsehgesetzes eingegangen.

D. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

E. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 11. Juli 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn sie offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Entgegen des unterschwelligen Vorwurfs der Beschwerde kann keine Rede davon sein, dass der interviewte Vertreter der «Gemeinde für Christus» im beanstandeten Beitrag unwidersprochen Propaganda für die Haltung seiner religiösen Gemeinschaft betreiben kann. Bereits die Anmoderation des Radiobeitrags geht deutlich auf Distanz zu der als nicht mehr zeitgemäss bewerteten Missionierungspraxis der Freikirchen: «Strenggläubige Missionare, die in Afrika in Armut leben und versuchen, Andersgläubige zu bekehren. Das klingt wie aus einer anderen Zeit, ist es aber nicht. Das hat der Fall der in Mali entführten und inzwischen wieder freigelassenen Baslerin gezeigt.»

Die Berufung auf ungenügenden Meinungspluralismus geht dabei offensichtlich fehl. Denn es ist berufsethisch ohne Weiteres zulässig, anhand eines konkreten, aktuellen Beispiels zu dokumentieren, wie Freikirchen auch in der heutigen Zeit noch in der ganzen Welt missionieren – neuerdings offenbar zunehmend bei Muslimen. Die Sendung zielt dabei nicht primär darauf ab, zur Meinungsbildung über Freikirchen und deren Missionierungspraxis beizutragen. Vielmehr zeigt sie auf, wie es dazu kommt, dass Missionare sich nach wie vor in gefährlichen Weltgegenden aufhalten.

Schliesslich sind die Hörer des «Echo der Zeit» ohne Weiteres in der Lage, die vom Beschwerdeführer kritisierten, wertenden Äusserungen des Vertreters der «Gemeinde für Christus» als solche in den Gesamtzusammenhang einzuordnen. Für den Presserat ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich – und der Beschwerdeführer begründet seine Rügen denn auch nicht näher –, inwiefern der Bericht von Toni Koller gegen das Diskriminierungsverbot (Ziffer 8 der «Erklärung») verstossen sollte.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.