Nr. 3/1998
Grenzen der Kommentarfreiheit

(Stünzi c. „NZZ“) Stellungnahme vom 20. Februar 1998

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I. Sachverhalt

A. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) berichtete im Regionalteil ihrer Ausgabe vom 1. Juli 1997 über eine Sitzung des Zürcher Kantonsrats. Der Artikel bezog sich auf die Ratssitzung vom 30. Juni 1997 und gab, wie bei der „NZZ“ üblich, sämtliche Voten der Ratsdebatte in Kurzfassung wieder.

Hauptsächliches Thema der Ratsdebatte sowie der Berichterstattung war die Diskussion um die Einführung eines „lohnwirksamen Qualifikationssystems für Lehrkräfte (LQS)“. Nebst anderen Voten in dieser Sache wurde auch dasjenige von Kantonsrätin Julia Gerber Rüegg (SP) angeführt. Gerber Rüegg hatte sich im Namen ihrer Fraktion gegen ein „rein finanziell wirksames Sanktions-system“ ausgesprochen. So lange eine gewisse Gewähr bestanden habe, dass im Rahmen eines Qualifikationsverfahren nicht Zuckerbrot und Peitsche im Vordergrund gestanden hätten, sondern eine echte Verbesserung des Unterrichtes anvisiert werden sollte, habe die Regierung die Unterstützung ihrer Fraktion gehabt. Auch die SP habe sich mit den Zielsetzungen des Projektes leistungsorientierte Förderung der Lehrkräfte der Volksschule (LOF) einverstanden erklären können. Der ursprüngliche Konsens sei aber von der Mehrheit des Kantonsparlaments aufgekündigt worden. Mit der leistungsorientierten Lehrerbesoldung solle nun bloss gespart werden.

Der ausführliche Bericht über die Ratsdebatte war mit einem Kommentar versehen und mit fünf Portraitfotos von ver-schiedenen Ratsmitgliedern (u.a. von Gerber Rüegg) sowie von Erziehungsdirektor Ernst Buschor illustriert. Das Votum Gerber Rüegg wurde durch die „NZZ“ wie folgt wiedergegeben: „Julia Gerber Rüegg (sp., Wädenswil) gibt bekannt, dass die SP die Motion Huggel unterstützt. Zu einem rein finanziell wirksamen Sanktionssystem sagen wir Nein. „LOF“ wurde sistiert, weil es nicht gratis zu haben war.“ Kommentiert wurde das Votum mit der Bemerkung „Instruktiv war auch das Schlussvotum von Julia Gerber Rüegg (Wädenswil), die als Sprecherin der SP-Fraktion festhielt, dass ihre Partei zu einem finanziell wirksamen „Sanktionssystem“ nie und nimmer Ja sagen könne. Frau Gerbers Wortwahl liess Zweifel aufkommen, ob sie Sinn und Zweck der anvisierten Leistungsbeurteilung verstanden hat. Die Legende zum Bild von Gerber Rüegg lautete: „Julia Gerber Rüegg (sp., Wädenswil verwechselt Sanktionen mit Qualifikationen.“

B. Am 21. August 1997 reichte Rechtsanwalt Hans Stünzi (Horgen) Beschwerde beim Presserat ein. Nach Darstellung des Beschwerdeführers wird im Artikel und im Kommentar ein Mitglied des Kantonsrates „abqualifiziert“, ohne dass die Lesenden anhand der Berichterstattung diese Ein-schät-zung überprüfen könnten. Der Tatsachenbericht entspreche nicht dem wesentlichen Gehalt des Votums. Zudem entspreche der Kommentar nicht dem Eindruck, den das Votum der Kantons-rätin auf den aufmerksamen Leser des Ratsprotokolls mache. Als Wahlberechtigter im Wahlkreis Horgen habe er einen Anspruch darauf, dass die Presse ihn richtig informiere. Im vorliegenden Fall werde er nicht nur falsch informiert, sondern darüber hinaus durch die Kommentare in Form einer Bildlegende und im Ratskommentar selbst in die Irre geführt.

C. In seiner Stellungnahme vom 19. September 1997 wies Peter Meier von der „NZZ“-Lokalredaktion darauf hin, dass die „NZZ“ die Ratsberichterstattung seit je in besonderer Weise pflege. Im Zürcher Kantonsrat sei sie das einzige Medium, die das Ratsgeschehen Votum für Votum in einer protokollähnlichen Kurzzusammenfassung wiedergebe. Leserinnen und Leser könnten sich damit umfassend über den Verhandlungsverlauf ins Bild setzen.

Julia Gerber Rüegg pflege bekanntermassen einen zupackenden Politstil mit schnörkellosen direkten Formulierungen. Die beiden Hauptaussagen ihres Votums zur lohnwirksamen Qualifikation von Lehrkräften seien von der „NZZ“ teilweise sogar wörtlich wiedergegeben worden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Leser habe sich anhand der Berichterstattung keinen Eindruck vom Votum Rüegg machen können, entbehre damit einer sachlichen Grundlage.

Nach Auffassung der „NZZ“ sei die Mitarbeiterberuteilung in der Staatsverwaltung nötig und sinnvoll. Gerber Rüegg habe sich in ihrem Votum die Freiheit genommen, über die positiven Aspekte einer jeden Mitarbeiterqualifikation nichts verlauten zu lassen. Die „NZZ“ habe sich ihrerseits die Freiheit genommen, in Kommentar und Bildlegende darauf hinzuweisen, dass Gerber Rüegg den Sinn und Zweck des anvisierten Qualifikationssystem möglicherweise nicht verstanden habe, indem sie es als Sanktionssystem bezeichnete. Es sei dem Beschwerdeführer unbenommen, die kommentierenden Bemerkungen als „Abqualifizierung“ zu taxieren. Es sei ihm auch unbenommen, das Votum von Gerber Rüegg als „differenziert“ zu empfinden. Dies brauche jedoch nicht die Meinung der „NZZ“ zu sein.

D. Das Presseratspräsidium überwies die Beschwerde zur Behandlung an die dritte Kammer, der Reinhard Eyer als Präsident sowie Catherine Aeschbacher, Adi Kälin, Marie Therese Larcher und Christian Schwarz als Mit-glieder angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 20. November 1997 und 29. Januar 1998

II. Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer rügt zusammenfassend, die Berichterstattung der „NZZ“ sei unvollständig bzw. nicht korrekt gewesen. Zudem entbehre der Kommentar in Text und Bildlegende jeglicher sachlichen Grundlage und qualifiziere die kritisierte Politikerin in unzulässiger Weise ab. Ausdrücklich oder implizit geltend gemacht wird damit eine Verletzung der Präambel der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“, die das Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis der Tatsachen und Meinungen festschreibt; von Ziff. 1 der „Erklärung“ (Journalistinnen und Journalisten sollten sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren); von Ziff. 3 (Journalistinnen und Journalisten dürfen keine wichtigen Elemente von Infor-mationen unterschlagen) sowie von Ziff. 7 der „Erklärung“ („sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen“ sind zu unterlassen). 2. Die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ statuiert keine berufsethische Pflicht zu objektiver Berichterstattung, weshalb eine etwas einseitige Selektion nicht gegen die Berufsethik verstösst (Stellungnahme i.S. A. c. „Blick“ vom 11. Juni 1992, Sammlung 1992, 7ff.). Ebensowenig kann aus Ziff. 3 der „Erklärung“ „(…) Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Bilder noch von andern geäusserte Meinungen (…)“ abgeleitet werden, dass bei der Berichterstattung über ein Thema immer sämtliche Aspekte wiederzugeben sind (Stellungnahme vom 7. November 1994 i.S. CCHR Schweiz c. „CASH“, Sammlung 1994, 85ff.) oder dass bei der Berichterstattung aus einer parlamentarischen Debatte sämtliche Einzelheiten eines Votums wiederzugeben wären.

Die Ratsberichterstattung erfolgt unter speziellen Bedingungen. Zunächst müssen die meist zahl- und wortreichen Äusserungen auf ihren wesentlichen Gehalt reduziert werden. Im Unter-schied zum Ratsprotokoll muss der Journalist/die Journalistin eine Auswahl treffen und kann die Voten weder in vollem Umfang noch wortwörtlich wiedergeben. Zweiter erschwerender Faktor ist der hohe Zeitdruck, unter welchem die Schreibenden stehen. Aufgrund dieser schwierigen Arbeitsbedingungen müssen den Journalistinnen und Journalisten gewisse Zugeständnisse gewährt werden. Dennoch müssen die grundsätzlichen journalistischen Regeln beachtet werden.

Hinsichtlich der gegenüber der Berichterstattung erhobenen Rügen stellt sich deshalb unter dem Gesichtspunkt der Information der Öffentlichkeit und der Pflicht zur Vollständigkeit einzig die Frage, ob die „NZZ“ das Votum von Gerber Rüegg de
rart verkürzt bzw. so wichtige Punkte unterschlagen hat, dass der Leser/die Leserin keinen auch nur einigermassen adäquaten Eindruck vom Standpunkt der Kantonsrätin erhalten konnte.

In der Berichterstattung der „NZZ“ wurde das relativ umfangreiche Votum von Gerber Rüegg in drei Sät-zen zusammengefasst. Aus diesen lässt sich ablesen, dass die SP die zur Debatte stehende Motion unterstützt, im weiteren ein „rein finanziell wirksames Sank-tionssystem“ ablehnt und ausserdem der Meinung ist, die Erarbeitung des früher beschlossenen Qualifikationssystem sei sistiert worden, weil es zu teuer gewesen wäre. Das von Ger-ber Rüegg zur Einschätzung des LQS verwendete Wort „Sanktionssystem“ wird durch die „NZZ“ angeführt. Offen bleibt, wie Gerber Rüegg zu ihrer Einschätzung kommt. Es wird im weiteren nicht er-sichtlich, dass die SP zuvor ein ähnlich gelagertes Projekt unterstützt hatte und nun aufgrund von qualitativen Veränderungen einen anderen Standpunkt bezog. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Berichterstattung der „NZZ“ die wesentlichen Aussagen der Votantin wiedergibt. Eine Verletzung der Zif-fern 1 und 3 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Jour-nalisten“ liegt dementsprechend nicht vor.

3. Bei der Beurteilung des vom Beschwerdeführer als unsachlich gerügten Kommentars ist zwischen der Kommentarfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen bzw. dem Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis von Tatsachen und Meinungen abzuwägen. Ziffer zwei der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ fordert die Verteidigung der Freiheit der Information sowie die Freiheit des Kommentars. In seinen Stellungnahmen hält der Presserat an der grundsätzlichen Freiheit des Kom-mentars fest. Er weist aber gleichzeitig darauf hin, dass auch dieser Freiheit berufsethische Grenzen gesetzt sind, soweit andere durch kommentierende Beiträge betroffene Interessen im Einzelfall schwerer wiegen. Journalistinnen und Journalisten müssen auch im Kommentar die Privatsphäre des einzelnen respektieren, wenn nicht das öffentliche Interesse das Gegenteil verlangt (Stellungnahme vom 7. November 1996 i.S. EMD c. „Nebelspalter“, Sammlung 1996, 104ff.). Dem Kommentar ist jedoch ein grosser Freiraum bezüglich Tonalität offenzulassen (Stellungnahme vom 30. Juni 1992 .S. Sch. c. Baillod, Sammlung 1992, 35ff.). Es ist einem Medium zudem auch unbenommen, Sachverhalte und Ereignisse zu kommentieren, über die es nicht berichtet hat. Allerdings ist es wünschenswert, dass das Publikum die Fakten, auf die sich der Kommentar bezieht, aus dem gleichen Medium entnehmen kann (Stellungnahme i.S. J. c. „Il Dovere“ und „Corriere del Ticino“ vom 1. Oktober 1993, Sammlung 1993, 71ff.).

Kommunikationswissenschaftlich gesehen gehört der Kommentar zu den politischen Funktionen der Massenmedien, im Gegensatz zu den sozialen oder ökonomischen Funktionen. Der Kommen-tar spricht in erster Linie den Staatsbürger/die Staatsbürgerin an und weniger die Privatperson. Der Kommunikationswissenschafter Gerhard Maurer führt zur Funktion des Kommentars folgen-des aus: „Im Gegensatz zur Nachricht nimmt der Kommentar eine Wertung vor, er ist also nicht bloss Information, sondern vertritt eine Meinung. Aufgabe des Kommentars ist es, ein Ereignis, ein Geschehen zu werten, einzuordnen (…). Der Kommentar bereitet ein Ereignis für den Leser auf, provoziert ihn zum Nachdenken, zur eigenen Meinungsbildung, gibt ihm für die Diskussionen Ar-gumente in die Hand. Der Kommentar macht aber auch den Leser mit dem Standpunkt des Jour-nalisten, der Zeitung bekannt“ (In: Praktischer Journalismus in Zeitung, Radio und Fernsehen. Heinz Pürer, Hrsg., Salzburg 1985).

„Die grösste Gefahr für jeden Kommentator besteht darin, dass er an seinem Publikum vorbeikommentiert. Wenn der Leser (…) von seinen Kenntnissen und seinem Bewusstseinsstand her den Weg der Gedankenführung mit dem Kommentator nicht mitgehen kann, weil er irgendwo unter-wegs auf der Strecke bleibt, ist die Chance des Kommentars vertan », schreibt Walther von La Ro-che in seiner „Einführung in den praktischen Journalismus“ (München 1975).

Um die Funktion der Meinungsbildung zu erfüllen, muss der Kommentar transparent sein. Das Ar-gumentarium des Kommentierenden muss offengelegt sein, sei es im Kommentar selbst, sei es in der Berichterstattung, auf die sich der Kommentar bezieht. Nur wenn dem Leser/der Leserin er-sichtlich ist, aufgrund welcher Argumente der Kommentator zu seiner Einschätzung gelangt, wird eine freie Meinungsbildung möglich. Kann die Argumentation nicht nachvollzogen werden, bleibt der Kommentar unverständlich, erfüllt seine Funktion nicht oder verkommt zur Polemik.

Ob im konkreten Fall das Votum der Kantonsrätin zum Schluss führt, Gerber Rüegg wisse nicht zwischen Qualifikation und Sanktion zu unterscheiden, erscheint zumindest diskussionswürdig. Die Abschrift des Ratsprotokolls liesse auch andere Aussagen zu. Im Kommentar wird eine sehr pointierte Einschät-zung vorgenommen. Um diese den Lesern und Leserinnen nachvollziehbar zu machen, fehlt es sowohl im Artikel wie im Kommentar selbst an einschlägigen Informationen. Im Lichte von Ziff. 7 der „Erklärung“ sollten sich zudem auch die in Kom-mentaren geäusserten Meinungen besonders auch dann durch eine gewisse Fairness auszeichnen, wenn Einschätzungen von Personen bzw. deren Fä-higkeiten wiedergegeben werden. Zumal es sich im vorliegenden Fall bei der kritisierten Person um eine regionale Politikerin handelt, deren potentielle Wählerinnen und Wähler sich anhand der Ratsberichterstat-tung ein Bild über die Tätigkeit ihrer Volksvertreter/innen machen können. Die regionale Nähe hat ganz andere, eventuell direktere Auswirkungen als etwa die Kritik an einem ausländischen Funk-tionsträger. Das soll nicht heissen, dass man einheimische Politiker/innen nicht kritisieren darf, im Gegenteil. Die Kritik sollte aber ein sachbezogenes Fundament haben.

Der Kommentar der NZZ erfüllt damit die Funktion der Meinungsbildung hinsichtlich des zur Diskussion stehenden Gegenstands nicht, da die Einschätzung des Redaktors für die Leserschaft kaum nachvollziehbar ist. Da jedoch die Kritik an Gerber Rüegg – sie habe in einem bestimmten Geschäft angeblich die Grundlagen der Position der Mehrheit nicht verstanden – die Grenzen des im Rahmen der Kommentarfreiheit bezüglich Tonalität Zulässigen nicht überschreitet, ist die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ auch hinsichtlich des Kommentars nicht verletzt. Aus Sicht des Publikums wäre allerdings eine etwas ausführlichere Darstellung des dem Kommentar zugrundeliegenden Sachverhalts angezeigt gewesen, da die Leserinnen und Leser nur so in der Lage gewesen wären, sich eine eigene Meinung zu bilden.

4. Die im Kommentar geäusserten Zweifel am Differenzierungsvermögen von Gerber Rüegg werden in der Bildlegende zur Tatsache. Während bei allen anderen Bildlegenden prägnante Äusserungen der abgebildeten Personen wiedergegeben werden, erscheint hier die Kritik des Journalisten an der Politikerin noch einmal.

Wer in einer Bildlegende eine Meinung als Tatsache hinstellt, erhebt sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen (Stellungnahme vom 1. Mai 1997 i.S. Rhyner/Marti c. „Weltwoche“). Bereits bei einer für die Leserschaft nicht oder nicht ohne weiteres erkennbaren Vermischung von Fakten und Kommentaren besteht die Gefahr, dass blosse Meinungen und Vermutungen für Fakten gehalten werden (Stellungnahme vom 19. September 1997 i.S. Giger c. „SonntagsZeitung“).

Da für die Leserschaft der „NZZ“ aus der Bildlegende nicht ohne weiteres ersichtlich wird, dass die vorgenommene Beurteilung der Politikerin einer persönlichen Einschätzung des Redaktors, aber keineswegs objektiv feststehenden Tatsachen entspricht, hat die „NZZ“ in diesem Punkt die Ziffern 3 und 7 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten verletzt.

III. Feststellungen

1. Da in der Parlamentsberichterstattung unter hohem Zeitdruck stark gekürzt und dementsprechend ausgewählt und gewichtet werden muss, sind den Berichterstatterinnen und Berichterstattern angesicht der schwierigen Arbeitsbedingungen gewisse Zugeständnisse zu gewähren. Dennoch müssen die grundsätzlichen journalistischen Regeln beachtet werden und muss zumindest gewährleistet sein, dass die in der Berichterstattung zusammengefassten Voten den Standpunkt des betroffenen Parlamentsmitglieds einigermassen adäquat wiedergeben.

2. In Kommentaren geäusserte Meinungen sollten sich besonders auch dann durch eine gewisse Fairness auszeichnen, wenn Einschätzungen von Personen bzw. deren Fähigkeiten wiedergegeben werden. Ein Kommentar kann seine Funktion als Hilfsmittel zur Meinungsbildung nur erfüllen, wenn dem Publikum die dem Kommentar zugrundeliegenden Fakten offengelegt werden.

3. Soweit die „NZZ“ in einer Bildlegende eine Meinung als Tatsache hingestellt oder zumindest das Publikum nicht darauf hingewiesen hat, dass es sich beim Text der Bildlegende um eine Kommentierung handelt, hat sie Ziff. 3 (Entstellung von Tatsachen) und 7 (Verbot sachlich nicht gerechtfertigter Anschuldigungen) der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt.