Nr. 12/1998
Einseitige Information

(M. c. „Neue Luzerner Zeitung“) Stellungnahme des Presserates vom 19. Juni 1998

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I. Sachverhalt

A. Mehrmals beschäftigten sich Luzerner Zeitungen in der Zeit zwischen 1991 und 1996 mit dem Bau des Pflegeheims Höchweid Ebikon. In dieser Zeit kam es zu Bauverzögerungen – unter anderem hervorgerufen durch den Konkurs einer Zulieferfirma. Über diese Verzögerungen wurde berichtet – zum Teil angeregt durch Presseorientierungen, zum Teil aufgrund eigener Recherchen verschiedener Zeitungen.

B. M., Angestellter des Architekturbüros F., war Bauleiter des Projekts. Er kritisiert in seiner Beschwerde vom 15. Mai 1998 an den Presserat die Medienberichterstattung ganz allgemein als einseitig. Im besonderen wirft er der „Neuen Luzerner Zeitung“ vor, gegen die Ziff. 1, 3 und 5 der „Erklärung der Pflichen und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verstossen zu haben. Man habe nur den Gemeinderat von Ebikon befragt und nicht ihn als Projektleiter. Es seien ungerechtfertigte Vermutungen, subjektive Darstellungen und teils zusammenhanglose Berichte vermittelt worden. Nachweislich falsche Aussagen seien nicht berichtigt worden.

C. In ihrer Stellungnahme vom 2. Juni 1998 weist die NLZ darauf hin, dass sich M. im Frühjahr 1996 an die Redaktion gewandt habe und seine Sicht der Dinge habe darstellen wollen. Nach einem zweistündigen Kontakt mit dem von M. gewünschten Mitarbeiter wäre dieser bereit gewesen, einen Artikel zu schreiben. M. selber habe aber gebeten, noch zuzuwarten. Seither habe sich M. beim Journalisten nicht mehr gemeldet.

D. M. hat am 28. Oktober 1997 beim Regierungsstatthalter des Amts Luzern eine Beschwerde gegen Gemeinderat und Rechnungskommission Ebikon eingereicht. Auf die Beschwerde wurde mit Entscheid vom 2. Februar 1998 nicht eingetreten. In der Begründung wies der Regierungsstatthalter für das Amt Luzern darauf hin, dass die Auseinandersetzungen unter Einbezug der eingesetzten Beratungs- und Kontrollorgane erfolgten und auch in der Phase der abschliessenden Kontrolle und Genehmigung durch die Stimmberechtigten mit gebührender Offenheit dargelegt wurden. Die Bauabrechnung schloss im Rahmen der bewilligten Kredite.

E. M. wandte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 1997 und vom 13. Januar 1998 an die Stiftung Wahrheit in den Medien. Die Stiftung erklärte sich als nicht zuständig und leitete die Beschwerde mit Schreiben vom 11. März 1998 an den Presserat weiter.

F. Das Präsidium wies den Fall der 3. Kammer zu, der Reinhard Eyer (Kammerpräsident), Catherine Aeschbacher, Adi Kälin, Marie Theres Larcher und Christian Schwarz angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 11. Juni 1998.

II. Erwägungen

1. Die Geschichte ist komplex, die Vorwürfe des Beschwerdeführers sind nicht immer klar nachzuvollziehen. Es kann auch nicht Aufgabe des Presserats sein, die Vorkommnisse rund um den Bau des Pflegeheims Höchweid Ebikon im Detail nachzurecherchieren. Der Presserat wacht einzig über das ethische Verhalten von Journalisten. M.s Angriffe richteten sich zunächst gegen den Gemeinderat von Ebikon, dem er unter anderem vorwarf, einseitig informiert haben. Auf diese Auseinandersetzung kann der Presserat nicht eintreten.

2. Die Beschwerde richtet sich unter anderem gegen Zeitungen, die mittlerweile nicht mehr existieren („Luzerner Tagblatt“, „Vaterland“, „Luzerner Neuste Nachrichten“). Ein Eintreten auf die Beschwerde ist gleichwohl möglich, unter anderem weil zum Teil dieselben Journalisten im Nachfolgemedium „Neue Luzerner Zeitung“ tätig sind. Einzelne Artikel gehen bis ins Jahr 1991 zurück. Das Presseratsreglement kennt zwar keine Verjährungsfristen. Gleichwohl ist ein detailliertes Eintreten auf diese frühen Publikationen wenig sinnvoll, wenn es dem Beschwerdeführer – wie im vorliegenden Fall – durchaus möglich gewesen wäre, früher zu intervenieren.

3. M. wirft den Medien vor, einseitig berichtet zu haben. Schon bei den allerersten Berichten über das Projekt beklagt er sich, dass er nicht angehört wurde. Damit ist allerdings – zumindest in dieser ersten Phase – vor allem die Informationspolitik des Gemeinderats resp. der Baukommission angesprochen und nicht die Arbeit der Medien. Die Journalisten haben durchaus korrekt gehandelt, indem sie mit den politisch Verantwortlichen für den Bau sprachen (v.a. Sozialvorsteher Franz Busch, der auch Präsident der Baukommission war). Die Gemeinde ist Auftraggeberin und also auch verantwortlich für die Information. Dass die Auftraggeberin auch im Sinne des von ihr beauftragten Projektleiters orientiert, kann ein Journalist oder eine Journalistin als gegeben voraussetzen. Der Vorwurf, die Journalisten hätten sich zu Marionetten der Politik machen lassen, greift also nicht.

4. Aus der „Erklärung der Rechte und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten“ leitet sich keine berufsethische Pflicht zu objektiver Berichterstattung ab. Eine einseitige oder parteiergreifende Berichterstattung verstösst nicht gegen Rechte und Pflichten der Journalisten. Erhöhte Sorgfalt ist gefragt, wenn schwerwiegende Vorwürfe gegen Personen erhoben werden, die geeignet sind, deren Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen (vgl. dazu die Stellungnahmen i.S. Uptrend c. „Beobachter“ vom 26. Juni 1996, Sammlung der Stellungnahmen 1996, S. 43ff. oder die Stellungnahme Rhyner/Marti c. „Weltwoche“ vom 1. Mai 1997, Sammlung 1997, S. 36ff.). Die Vorwürfe, die in den Artikeln erhoben werden, wiegen tatsächlich schwer. Es geht um Bauverzögerungen und ursprünglich vermutete Mehrkosten. Die Vorwürfe richten sich allerdings stets gegen den Verantwortlichen aus dem Gemeinderat (und zum Teil gegen die beauftragten Firmen). Das Architekturbüro F. wird nur genant, wenn es um architektonische Fragen geht und kommt praktisch durchwegs positiv weg. M. wird namentlich nie genannt. Die Vorwürfe sind demnach auch nicht geeignet, das Ansehen M.s in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.

5. Die Differenzen zwischen Gemeinderat und Projektleitung werden in einer späteren Phase kurz erwähnt und meist beiläufig als „gewisse Unstimmigkeiten“ o.ä. abgetan. Es erstaunt schon etwas, dass die Probleme zwar angetönt, nicht aber ausgeführt werden. Spätestens vom Moment an, als die Medien vom Zwist zwischen Gemeinde und Projektleiter wussten, wäre es angezeigt gewesen, die andere Seite (zu der sich das Architekturbüro F. jetzt entwickelte) anzufragen. Warum das nicht geschah, ist nicht ganz nachvollziehbar. Weil aber auch hier keine konkreten, personalisierten Vorwürfe erhoben werden, sieht der Presserat keinen Verstoss gegen ethische Grundregeln.

6. M. beschwert sich, die Redaktion habe Fehler nicht berichtigt. Wie auch dem Urteil des Statthalteramts zu entnehmen ist, sind die Tatsachen allerdings nicht derart klar, wie es M. darstellt. Die Redaktion hatte also keinen Anlass, von sich aus etwas zu berichtigen. Ob von M. eine Berichtigung verlangt wurde, ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Immerhin zeigte sich die NLZ bereit, M. anzuhören und hätte auch einen Bericht geschrieben. M. selber legt aber später offenbar keinen Wert mehr auf diesen Artikel.

III. Feststellungen

1. Die Luzerner Medien haben über das Bauprojekt korrekt informiert und nicht gegen ethische Regeln verstossen.

2. Es wäre zwar erwünscht gewesen, die Unstimmigkeiten zwischen der Gemeinde und Projektleitung auszuleuchten. Es gab aber keine konkreten, namentlichen Anschuldigungen gegen den Projektleiter, weshalb es nicht zwingend notwendig war, ihn um eine Stellungnahme anzugehen.