Nr. 66/2012
Diskriminierung

X. c. "Zürcher Oberländer" Stellungnahme des Schweizer Presserates 66/2012 vom 9. November 2012

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I. Sachverhalt

A. Am 18. Juli 2012 berichtete der « Zürcher Oberländer » in einem Gerichtsbericht (« Nichts gefunden, das den Täter entlastet ») sowie in zwei Kurzmeldungen (« Polizisten gegen jungen Eritreer »; « Vergehen à discrétion ») über zwei Strafprozesse und eine polizeiliche Anhaltung mit sofortigem Führerausweisentzug wegen überhöhter Geschwindigkeit und Trunkenheit am Steuer.

– Im ersten Text berichtet der Gerichtsreporter Attila Szenogrady, das Bezirksgericht Zürich habe einen « sadistisch veranlagten Tibeter, der eine Frau getötet und zwei schwer misshandelt hat », zu 18 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Zudem werde er verwahrt.

– Im zweiten Text geht es um ein Strafverfahren gegen zwei Lausanner Stadtpolizisten. « Ihnen wird vorgeworfen, in der Neujahrsnacht 2006 Pfefferspray gegen einen damals 16-jährigen Eritreer eingesetzt zu haben. Danach sollen sie ihn am Stadtrand ausgesetzt haben. » Laut Aussage der Polizei hatte der junge Mann die Beamten verhöhnt und sei darauf mitgenommen worden. Man habe so verhindern wollen, dass die Situation ausarte.

– Schliesslich vermeldet der « Zürcher Oberländer » im dritten Text, die Aargauer Kantonspolizei habe einen « 27-jährigen Autolenker aus dem Verkehr gezogen. Der Kosovare war auf der Autobahn A1 bei Mülligen AG viel zu schnell unterwegs und dazu noch betrunken. Er sass trotz Ausweisentzugs am Steuer. Das Auto hatte er seiner Frau entwendet. »

B. Gleichentags beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat, die Nennung der Nationalität sei bei keinem der drei Berichte angebracht.

Dass beim Urteil des Bezirksgerichts Zürich der Täter Tibeter sei, spiele für das Verbrechen keine Rolle. Zwar könne man durchaus schreiben, wie der Täter aufgewachsen ist. Aber dies gehöre nicht an den Anfang. « Ich bin überzeugt, dass jetzt hier im Oberland jeder ZOL-Zeitungsleserin beim Anblick eines Tibeters oder eines ähnlich aussehenden Mannes sofort aufleuchtet: Achtung, eventuell sadistisch veranlagt! »

Auch bei der Kurzmeldung « Polizisten gegen jungen Eritreer » bestehe kein Grund, die Nationalität zu nennen. « Die Erwähnung hingegen kann Vorurteile (‹Asylantenpack›) schüren. »

Ebenso unnötig sei die Nennung der Nationalität (« Der Kosovare ») beim Verkehrsdelikt. Hingegen könne sie Vorurteile (« Balkan-Raserei ») schüren.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 9. November 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 2 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. a) Die Beschwerdeführerin beruft sich sinngemäss auf die Ziffer 8 der « Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » und die Richtlinie 8.2. In dieser heisst es: « Die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung und/oder der Hautfarbe kann diskriminierend wirken, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Journalistinnen und Journalisten wägen deshalb den Informationswert gegen die Gefahr einer Diskriminierung ab und wahren die Verhältnismässigkeit. »

b) Nach Praxis des Presserats ist eine Anspielung diskriminierend, wenn durch eine unzutreffende Darstellung das Ansehen einer Gruppe beeinträchtigt und/oder die Gruppe kollektiv herabgewürdigt wird (65/2009). In der Stellungnahme 21/2001 empfahl der Presserat, « kritisch zu fragen, ob eine angeborene oder kulturell erworbene Eigenschaft herabgesetzt oder ob herabsetzende Eigenschaften kollektiv zugeordnet werden, ob lediglich Handlungen der tatsächlich dafür Verantwortlichen kritisiert werden oder ob die berechtigte Kritik an einzelnen in ungerechtfertigter Weise kollektiviert wird ». Und in der Stellungnahme 37/2004 schreibt der Presserat: « Eine Bezugnahme auf die ethnische, nationale oder religiöse Zugehörigkeit ist nur dann diskriminierend, wenn sie mit einem erheblich verletzenden Unwerturteil verbunden ist. Das Diskriminierungsverbot verbietet zudem nicht Kritik an Einzelpersonen, sondern soll (…) Verallgemeinerungen verhindern. » (vgl. zum Ganzen eingehend die Stellungnahme 1/2011 mit weiteren Hinweisen).

c) Weder der Bericht über den « sadistisch veranlagten Tibeter » noch die Kurzmeldungen über den « jungen Eritreer » respektive über « den Kosovaren » suggerieren, dass Tibeter generell Sadisten sind, Eritreer gegen Polizeibeamte pöbelen und alle Kosovaren mit dem Auto rasen. Vielmehr machen die Berichte klar, dass es sich um das Verhalten einer einzelnen Person und nicht um Merkmale einer Gruppe handelt. Unter diesen Umständen ist eine Diskriminierung offensichtlich zu verneinen. Der Presserat hat bereits früher festgehalten (13/2006), dass die richtig gestellte Wer-Frage zum medienhandwerklichen Grundmuster gehört, solange sie fallbezogen ist und nicht willkürlich etwas auf bestimmte Ethnien begrenzt. Bei Gerichtsberichten dürfen Medien die Staatsangehörigkeit nennen, « wenn sie dies systematisch tun, um die vollständige Information des Publikums zu gewährleisten » (Stellungnahme 23/2002).

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.