Nr. 67/2012
Diskriminierung

(X. c. «Solothurner Zeitung») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 9. November 2012

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I. Sachverhalt

A. Am 10. September 2012 veröffentlichte die «Solothurner Zeitung» in der Rubrik «Dein SMS» folgende Kurzmitteilung: «Schwyz gäge Albanie, oder Grossalbanie gäge Chlialbanie». Online erschienen in der gleichen Rubrik zudem folgende Zuschriften: «Achtung! Länderspiel nicht verpassen: Albanien gegen Albanien» (11. September 2012) und «Nur als Info. In der Nati spielen alles Schweizer … Es sind nur keine Eidgenossen.»

B. Am 12. und 14. September 2012 beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat über die Veröffentlichung insbesondere des ersten der obengenannten SMS. Der Text «Schwyz gäge Albanie, oder Grossalbanie gäge Chlialbanie» unterstelle den Albanern generell Grossmachtsfantasien. Und den Angehörigen der Schweizer Fussballnationalmannschaft albanischer oder kosovarischer Herkunft unterstelle er in beleidigender Weise, keine richtigen Schweizer zu sein. Damit verletze die «Solothurner Zeitung» die Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» und die Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot). Das SMS habe keinerlei Informationswert und enthalte lediglich die als bekannt vorausgesetzte Information, dass viele Angehörige der Schweizer Nationalmannschaft albanischer oder kosovarischer Herkunft sind. Weil das SMS anonym veröffentlicht wurde, werde auch die Ziffer 7 der «Erklärung» (anonyme Anschuldigungen) verletzt. Die Richtlinie 5.2 zu den Leserbriefen verlange, dass Leserbriefe vom Autor oder der Autorin zu zeichnen sind.

Der Beschwerdeführer weist zudem auf einen im Nachgang zu den Anschlägen in Norwegen am 29. Juli 2011 veröffentlichten Leserbrief hin. Darin behaupte die Autorin, «linke, grüne und unbedachte bürgerliche Mitläufer» in ganz Westeuropa sorgten mit ihrer Politik der «ungebremsten Zuwanderung von kulturell unverträglichen Gruppen» dafür, dass «Fremdenangst und Fremdenhass zunehmen».

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 9. November 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1.
Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn die Publikation des beanstandeten Medienberichts länger als sechs Monate zurückliegt. Gemäss der gleichen Bestimmung ist zudem nicht auf eine Beschwerde einzutreten, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. In Bezug auf den Leserbrief vom 29. Juli 2011 ist die Beschwerdefrist von sechs Monaten längst abgelaufen. Deshalb ist insoweit nicht auf die Beschwerde einzutreten.

3. a) Gemäss der Richtlinie 5.2 zur «Erklärung» gilt für Leserbriefe ein eingeschränkter Prüfungsmassstab. Redaktionen müssen bei Leserzuschriften nur dann redigierend eingreifen, wenn berufsethische Normen in offensichtlicher Weise verletzt sind. Entsprechend war die Redaktion der «Solothurner Zeitung» nur dann verpflichtet, redigierend in das vom Beschwerdeführer beanstandete SMS einzugreifen, wenn sie bei der Prüfung des Textes zum Schluss kommen musste, dieses verstosse offensichtlich gegen die «Erklärung».

b) Dem Presserat erscheint es dabei sehr weit hergeholt, aus dem harmlosen SMS «Schwyz gäge Albanie, oder Grossalbanie gäge Chlialbanie» eine offensichtliche Verletzung des Diskriminierungsverbots oder des Gebots zu konstruieren, anonyme Anschuldigungen zu unterlassen. Wie der Beschwerdeführer selber ausführt, umschreibt das beanstandete SMS lediglich die unbestrittene und im Vorfeld des Länderspiels Schweiz – Albanien vom 11. September 2012 vielfach diskutierte Tatsache, dass mehrere Spieler der aktuellen Schweizer Fussballnationalmannschaft albanische oder kosovarische Wurzeln haben. Das Text lässt dabei völlig offen, wie dies zu werten ist. Eine (offensichtliche) Verletzung des Diskriminierungsverbots (Ziffer 8 der «Erklärung») fällt unter diesen Umständen schon deshalb ausser Betracht, weil das SMS weder negative Werturteile enthält, geschweige denn diese verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärken würde.

Ebenso wenig lässt sich die Aussage, wonach mehrere Fussballnationalspieler kosovarischer oder albanischer Herkunft sind, als Anschuldigung deuten, welche die geschützte Persönlichkeit der Betroffenen beeinträchtigt. Die vom Beschwerdeführer weiter behauptete Verletzung der Ziffer 7 der «Erklärung» (anonyme Anschuldigungen) ist deshalb ebenfalls zu verneinen.

4. In Bezug auf den anonymen Abdruck von SMS in einer Zeitungsrubrik hat sich der Presserat bereits in der Stellungnahme 64/2010 zu einer ähnlichen Rubrik des «Oltner Tagblatt» geäussert. Danach erscheint der Verzicht, den Namen des Autors zu nennen, dann verhältnismässig, wenn sich ein Text weder auf eine bestimmte Person bezieht noch anderweitig verletzend wirkt. Wie bereits ausgeführt beinhaltet das SMS «Schwyz gäge Albanie, oder Grossalbanie gäge Chlialbanie» keine Vorwürfe, welche geeignet sind, die geschützte Persönlichkeit von Fussballspielern mit albanischen oder kosovarischen Wurzeln zu beeinträchtigen. Deshalb wäre es unverhältnismässig, die Veröffentlichung des anonymen SMS als Verletzung der Ziffer 5 der «Erklärung» (anonyme Leserzuschriften) zu werten.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.