Nr. 9/2010
Presserats- und Gerichtsverfahren

(Kantonspolizei Bern c. «Wochenzeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Der Polizist und seine ‹Nigger›» veröffentlichte die «WochenZeitung» am 17. Dezember 2009 einen Artikel von Dinu Gautier. Der Bericht erhob gegen einen darin namentlich genannten Drogenfahnder der Berner Kantonspolizei den Vorwurf, dieser habe sich mehrfach rassistische Übergriffe zuschulden kommen lassen. Der Betroffene sei auch politisch aktiv. Als Mitglied der Jungen SVP habe er 2007 den Nationalratswahlkampf der Kantonalsektion geleitet.

B. Am 26. Januar 2010 richtete der Kommandant der Berner Kantonspolizei, Stefan Blättler, eine Beschwerde gegen den obengenannten Bericht der «WochenZeitung» an den Presserat. Die Zeitung habe die Persönlichkeitsrechte eines Mitarbeiters durch die Nennung des Namens und den Abdruck eines Bilds wissentlich und willentlich verletzt. Ergänzend wies der Beschwerdeführer darauf hin, die Persönlichkeitsverletzung werde spätestens Ende Februar 2010 klageweise beim zuständigen Zivilgericht geltend gemacht.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.

D. Das Presseratspräsidium bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per 19. März 2010 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements kann der Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer noch anhängig gemacht werden soll. Vorauszusetzen ist allerdings, dass sich im konkreten Fall grundlegende berufsethische Fragen stellen.

2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft, berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht, inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren weitgehend die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (46/2007).

3. Bei der vom Beschwerdeführer angekündigten Zivilklage wegen Verletzung der Persönlichkeit stellen sich im Wesentlichen die gleichen Fragen wie im Presseratsverfahren. Insbesondere: War die Nennung des vollen Namens des Beschwerdeführers und seiner Verurteilung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt? Unter diesen Umständen ist die Durchführung zweier paralleler Verfahren nach Auffassung des Presserates nicht sinnvoll, weshalb er auf die Beschwerde nicht eintritt.

III. Feststellungen

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.